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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Vezin, Frederick: Ruderregatta auf der Themse
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0105

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MODERNE KUNST.

Aus diesen Gründen ist das Bild Vezin’s: „Ruderregatta auf der Themse“,
abgesehen von allen sonstigen Vorzügen, ein äusserst bedeutsames Werk.
Aehnliches hat Jedermann gesehen, und nur Wenige dürfte es geben, welche
dem Wassersport kein Interesse entgegenbringen. Die kraftvolle Eleganz,
welche jeder Sport erheischt, die Aufregung des Publikums, die Kritik der
Chancen des einen oder anderen Bewerbers — Alles dies fesselt in hohem
Masse, prägt sich dem Geist dauernd ein. Und wenn dann das Geschaute
und im Gedächtniss Zurückbehaltene, von Künstlerhand hervorgerufen, sich
den Blicken darbietet, so wird auch der für Kunst und Kunstgenuss minder
empfängliche Mensch dem Werke ein ganz anderes Interesse entgegen-
bringen, als den Phantasiegebilden anderer Maler. Verbindet sich, wie dies
bei dem Vezin’schen Gebilde der ' Fall ist, mit dem stofflichen Reiz noch
das Interesse, welches die malerische Durchführung erzeugt, so hat der
Künstler seine Aufgabe, ein lebenswahres und künstlerisches Werk zu schaffen,
in trefflichster Weise erfüllt.
Die Vorzüge des Bildes treten in unserem Holzschnitte deutlich hervor.
Sehr lobenswerth ist die geschickte Gruppirung — vor unseren Augen
dehnt sich der glatte Spiegel des Stromes aus, auf dem die Regatta vor
sich geht, während die flachen Ufer mit ihrem Menschengewimmel und die
im Hintergründe sichtbar werdenden Anhöhen eine äusserst wirkungsvolle
landschaftliche Scenerie abgeben. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer ist
auf die beiden Skiffs gerichtet, welche in hartem Kampfe um den Preis
streiten. Die Schaulustigen haben jeden verfügbaren Platz besetzt, an den
Ufern stehen sie Kopf an Kopf und auf den verankerten und reichgeschmückten
Schiffen und in den kleinen hin und her kreuzenden Nachen befinden sich
ebenfalls dichte Menschenmengen, deren Erregung in trefflicher Weise zur
Darstellung gebracht ist. Die Schwierigkeiten einer Massenentfaltung sind
in ungezwungener Weise gelöst worden; die einzelnen Gruppen fügen sich
harmonisch an einander und das Ganze gewährt ein anmuthiges farbiges
Bild, das durch seine Frische entzückt. Die flotte Schilderung der eleganten
Typen aus der Gesellschaft in der linken Ecke ist von besonderem Reiz.
Der Maler dieses auf der Berliner Ausstellung vom Jahre 1884 mit
grossem Interesse aufgenommenen Bildes ist ein junger amerikanischer

Künstler, der sich auf verschiedenen Gebieten mit Glück versucht, aber
namentlich im Porträtfach und im modernen Genre reussirt hat. Fred Vezin
ist zu Philadelphia am 14. August 1859 a^s 6er Sohn eines wohlhabenden Kauf-
manns geboren. Im Alter von sechzehn Jahren ging er zu Verwandten nach
Deutschland und hier erst entschloss er sich, Maler zu werden. Er besuchte
die Düsseldorfer Akademie und studirte bei den Professoren Crola, v. Geb-
hardt und Wilhelm Sohn. Durch sein Interesse am Wassersport wurde
Vezin veranlasst, einige Darstellungen aus dem Sportleben zu zeichnen,
welche grossen Beifall fanden. Seine wiederholten Reisen nach England
gaben ihm Gelegenheit zu interessanten Studien, als deren Hauptergebniss
das Bild: „Die Ruderregatta auf der Themse“ zu bezeichnen ist. Nicht
nur in Deutschland, wo es an vielen Orten ausgestellt wurde, sondern
auch in England erregte das in grossen Dimensionen gehaltene Bild
Aufsehen. Schliesslich wanderte es nach Amerika und fand in Boston
einen Käufer.
Nach einer grösseren Anzahl kleinerer Genrebilder, die meist Figür-
liches in Verbindung mit Landschaften darstellten, malte Vezin mehrere
Porträts, die ebenfalls grossen Beifall fanden. Von den Bildern aus jüngster
Zeit sind zu erwähnen : „Lieblinge“ und das auf der diesjährigen Münchener
Internationalen Kunstausstellung befindliche Gemälde: „Ein Handel“. Ersteres
schildert eine niedliche Episode aus der Kinderzeit; ein liebliches blondes
Mädchen füttert seine Lieblinge, zwei Hunde und eine zahme Elster, mit
Zuckerstückchen. Das heitere Sujet ist mit grosser Liebe behandelt; die
vergnügten Mienen des kleinen Blondkopfs strahlen übermüthige Lustigkeit
aus. — „Ein Handel“ ist ein nicht minder gut gemaltes orientalisches Sitten-
bild. Ein alter arabischer Sklavenhändler preist eine enthüllte Schönheit
dem Beherrscher eines Harems zum Kaufe an. Die Charakteristik der in
Frage kommenden Personen ist gut gelungen. Auf dem Antlitz des un-
glücklichen Opfers spiegelt sich die Scham wieder, die das Mädchen in
diesem Augenblicke empfindet, während die cynische Gemeinheit, mit der
der Händler die Waare anpreist, gleichfalls äusserst charakteristisch wieder-
gegeben ist. — Auf die weiteren Arbeiten des Künstlers dürfen wir mit
Recht sehr gespannt sein.
 
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