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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Reymond, Maurice: Der Lautenspieler von T. Conti
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Raupp, Karl: Verschiedene Passagiere
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0056

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i8

MODERNE KUNST.

Dem die blühendsten Campagnen
Und die schönsten Rebenstöcke
Und die allerschönsten Rinder
In dem Herzogthum gehören —
Sior Francesco Martinengo
Ist von Padua heimgekehret,
Wo er sich zu Bildungszwecken
Fast drei Jahr’ lang aufgehalten.
Und zum Haus des edlen Oheims,
Der Guastalla’s Burg befehligt,
Lenkt er eilends nun die Schritte,
Um die Muhmen zu begrüssen,
Die Gespielen seiner Kindheit.
„Sieh da, sieh da, Vetter Cecco!“
Ruft die älteste der Schwestern,
Giulia, mit Gönnermiene,
„Ei, wie bist Du aufgeschossen!
Kaum erkenn’ ich mehr den schmalen,
Den verschüchtert blöden Jungen,
Den wir Mädchen arg oft neckten!“
„Was sich liebt, das neckt sich eben!“
Giebt der Vetter dreist zurücke,
Und die Muhmen lachen alle,
Nur Giulietta kneift die Lippen.
Drauf die zweite von den Schwestern,
Beatrice, sanft und milde
Und gelehrter Dinge kundig,
Spricht: „Lass hören, lieber Vetter,
Was an Padua’s hoher Schule,
Diesem reichsten Born der Weisheit,
Du für Schätze hast gesammelt!“
Ehrlich mit den hellen Augen
Blickt der Vetter in die Runde:
„Lebensweisheit, liebes Mühmchen,
Nichts als goldne Lebensweisheit,
Und hiervon vor allen Dingen:
Fechten, Trinken, Spielen, Singen!“
Beatrice kneift die Lippen
Und die Mädchen schau’n verwundert
Auf den Jüngling, der zu Padua
Solcher Weisheit sich beflissen.
Doch Francesca nun, die dritte
Von den Schwestern, die dem Vetter
Stets von Herzen war gewogen
Und gar manchmal ihn behütet
Vor Giulietta’s losen Streichen,
Wirft voll muntern Sinns dazwischen:
„Singen ? Ei, so lasst doch hören,
Singt ein Liedchen, Vetter Cecco,
Wie man’s Euch gelehrt zu Padua!“
Und der Vetter, nicht verlegen,
Greift vom Nagel die Guitarre,
Prüfet flüchtig Ton und Stimmung
Und beginnt ein süsses Liedchen,
Wie die Hirten dort es singen
Von dem jungen Schäfer Cecco,
Der so sehr die Cecca liebte.
Cecco — Cecca! klingt der Endreim
Sanft und schmachtend immer wieder —
Ghita lacht, Marietta kichert,
Beatrice lauschet huldvoll
Und Francesca blicket zärtlich
Nach dem kühnen, lieben Sänger.
Doch die spöttische Giulietta
Denkt bei sich: „Was doch zu Padua
Diese jungen Leute lernen!
Cecco—Cecca! Solchen Hirten

Liess auch Giulia sich gefallen,
Dem die schönsten Rebenstöcke
Und die allerschönsten Rinder
In dem Herzogthum gehören!“

M. REYMOND.

XXXI.
VERSCHIEDENE PASSAGIERE

VON

KARL RAUPP.


reizvollen Erscheinungen

Frische Natürlichkeit, treffliche Charakteri-
stik und anmuthiges Kolorit sind die Vorzüge
der zahlreichen Bilder Karl Raupp’s, dessen
Meisterhand in immer neuen Variationen das
Leben der Fischer- und Bauernbevölkerung auf
Frauenchiemsee schildert. Die winzige Insel im
Chiemsee, der Nährboden dieser derb-natürlichen
Künstler-Individualität, hat wohl eine tausend-
jährige Geschichte, und die Klosterromantik
ladet zu beschaulichen Betrachtungen ein, aber
neben diesen Erinnerungen an die Vergangen-
heit tritt kräftig das moderne Leben mit seinen
vor den Künstler hin, der dieses stille Eiland zu

seiner Domaine ausersehen hat. Die Poesie des Volkslebens, die charakte-

ristische Wiedergabe der Sitten und Gebräuche der Bewohner, die glück-
liche Verbindung einer grossartigen Natur mit den Schicksalen arbeitsfester,
energischer Menschen — diese von eifrigem Studium und glücklicher \ er-
anlagung zeugenden Eigenschaften aller Rauppschen Bilder lassen das
Gefühl der Monotonie nicht aufkommen. Giebt es doch Maler, die jahre-
lang auf einem und demselben Steckenpferde herumreiten, bemüht, ihr
kleines Talent durch Wiederholungen zu einem grossen aufzublasen. Gegen-
über diesen Vertretern „künstlerischer Eigenart“ ist die Art, wie Raupp seine
„Specialität“ pflegt, eine vollendet künstlerische. So oft er auftritt, weiss
er etwas Neues zu sagen; all die Wechselbeziehungen zwischen Natur
und Mensch gewinnen bei ihm tiefen Inhalt, der die äussere, oft schlichte,
oft dramatisch bewegte Form beseelt.
Die Schilderung des Lebens der ländlichen Bevölkerung •— eine der
dankbarsten Aufgaben! — tritt leider noch immer zu sehr zurück vor dem
einfachen Genrebilde, das seine Stoffe aus einer Durchschnittswelt holt,
die überall und nirgends zu Hause ist. Land und Wasser, Ebene und
Gebirge, Sonne und Regen, Schnee und Gewitter, die verschiedenen mehr
oder weniger malerischen Beschäftigungen des Bauern- und Schiffervolkes,
die Idylle und die Tragödie — welch’ eine Fülle von Vorgängen ist hier
geboten, welch’ ein weites Feld dem Beobachter eröffnet, der nur die
Fingerzeige der Natur zu befolgen braucht, um Bilder zu schaffen, deren
sittengeschichtliche Bedeutung unleugbar von grösserem Werth ist als das
Produkt reiner Verstandeserwägung. Raupp gehört nun in erster Reihe zu
jenen Glücklichen, welchen die Liebe zur Natur die Augen offen gehalten
hat für die Reize der heimischen Landschaft und das Treiben der Menschen

in ihr. Und gerade die Wahl der Chiemsee-Insel mit ihrer Vermischung
von Land- und Wasser-Elementen hat sich als eine äusserst fruchtbare

erwiesen. Das Leben jener Menschen ist reich an poetischen Momenten,
unzweifelhaft reicher als das Dasein des norddeutschen Flachländers; der
Kampf mit den Elementen fügt die Tragik zu der fröhlichen Episode;
ergötzt uns die am Ufer spielende und im Wasser plätschernde Kinder-
schaar, so fesselt uns die vom Geliebten aus dem Sturme gerettete junge
Schifferin nicht minder, und gleiches Interesse gebührt dem tapferen Weibe,
das mit dem schlafenden Säugling allein durch die wogenden Wellen fährt,
mit fester Hand das schwanke Schifflein steuernd. In anderen Bildern,
wie in dem „Ave Maria“ und in der Begegnung eines heubeladenen, von
munterer Jugend besetzten Schiffes mit dem Boote des Pfarrers, der zu
einem Sterbenden eilt, hat Raupp das religiöse Element verwerthet; die
 
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