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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Heim, Heinrich: Hochzeitszug
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0114

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moderne: KUNST.

39

LXVII.

HEINRICH HEIM.

or einiger Zeit haben wir bereits eines Gemäldes Erwähnung
gethan, welches, ebenso wie der vorliegende „Hochzeits-
zug“ von Heinrich Heim, bestimmt ist, die in unserer
Zeit vom Baron Sarter am Rhein bei Königswinter neu
erbaute Drachenburg zu schmücken. Es war dies das
Rickelt’sche Gemälde „Turnier in Köln unter Kaiser Maxi-
milian“. Brachte jenes die kriegerische Seite des höfischen
Lebens im Mittelalter zur Darstellung, so bietet das vor-
liegende Bild des talentvollen Malers Heim eine Schilde-
rung des poesiereichen Vorganges der Hochzeit eines
edlen Paares. In vollendeter Formengebung hat der
Künstler das so viele Jahrhunderte hinter uns liegende
■ unsere Augen gezaubert; mit Interesse schauen wir auf
dem die mit besonderem Liebreiz

Stück Leben vor
den sich harmonisch entwickelnden Zug,
ausgestattete Hauptgruppe einen wirkungsvollen Abschluss giebt. Wir stehen
beim Anschauen dieses Bildes unter dem Bann der poetischen Verklärung
des Ritterthums, wie wir sie aus der schönsten Blüthe des höfischen Lebens,
der mittelalterlich-romantischen Literatur, kennen gelernt haben. Es war
ein sinniger Gedanke des Schöpfers der neuen Drachenburg, einen Vorgang
versinnbildlichen zu lassen, der an Poesie, Adel der Erscheinung und keuschem
Reiz unerreicht dasteht.


Die Frauengestalt des deutschen Mittelalters erscheint uns als ein hehres
Bild. Während die männliche Jugend im Waffen- und Jagdhandwerk und
in den Künsten des Saitenspiels und des Gesanges geübt wurde, war die
Erziehung der Mädchen auf Aneignung tüchtiger Kenntnisse in Haushaltungs-
geschäften und Fertigkeit in Handarbeiten gerichtet. Die Ueberwachung
der häuslichen Arbeiten lag den Burgfrauen ob; Küche, Keller und Kleider-
kammer waren ihrer Sorge anvertraut. Der häufige Gebrauch, der von der
Gastfreundschaft gemacht wurde, erforderte die stete Bereitschaft des Haus-
wesens, und den Frauen ward oft Gelegenheit geboten, die Feinheit geselliger
Sitten zu bewähren. Aber auch Poesie und Kunst waren den Frauen jener
Zeit nicht fremd, namentlich sorgte die Erziehung in den Klöstern für
eine vielseitige Ausbildung. Selbstverständlich wandten die mittelalterlichen
Schreiberinnen ihre Gelehrsamkeit hauptsächlich zur Erledigung ihrer Liebes-
affären an, und es gewährt ein spasshaftes Bild, wenn man liest, wie die
mit solchen Liebesbeweisen beglückten Männer die Briefe oft tagelang un-
gelesen herumtragen mussten, weil sie der Kunst des Buchstabenentzifferns
nicht mächtig waren und ihre Schreiber und Vorleser nicht gerade bei der
Hand hatten.
Ueber die häuslichen und ehelichen Zustände jener Zeit, auf welche
uns die Betrachtung des „Hochzeitszuges“ führt, giebt der bekannte Kultur-
historiker Johannes Scherr folgende Darstellung: Die Tochter stand unter
strenger Mundschaft des Vaters oder des nächsten männlichen Verwandten,
welcher nach Willkür über ihre Hand verfügte. Zwar war begreiflicher
Weise der stillwirkende Einfluss der Mutter und der Tochter selbst dabei
nicht ausgeschlossen, allein immerhin ist gewiss, dass sogar in unserer
berechnenden Zeit Neigungsheirathen häufiger sind, als sie damals waren.
Spätestens ein Jahr nach der Verlobung musste dieser die Vermählung
folgen. Die kirchliche Einsegnung blieb bis zum Ausgang des 12. Jahr-
hunderts hierbei ganz Nebensache und erhielt erst von da an die Geltung
als Hauptbürgschaft des ehelichen Glückes. Die Hochzeiten — welcher
Name früher übrigens nicht nur Vermählungsfeste, sondern jede bedeutende
Festfeier bezeichnete — die Hochzeiten wurden in den ritterlichen Kreisen
mit allem erdenklichen Prunke gefeiert und oft wochenlang fortgesetzt.
Beim Uebergange des Hochzeitstages in die Nacht wurde die prächtig ge-
schmückte Braut von den Eltern oder Vormündern, vom Brautführer und
von der Brautjungfer, und meist geleitet von dem ganzen Hochzeitsgefolge,
in die Brautkammer geführt und dem harrenden Bräutigam übergeben.

Sobald eine Decke das Paar beschlug, galt die Ehe als rechtskräftig voll-
zogen. Der Morgen nach einer höfisch-ritterlichen Hochzeitsnacht sah den
jungen Gatten seiner Frau die „Morgengabe“ darbringen.
Nicht nur die Dauer des Festes und die Zahl der Gäste, sondern auch
der dabei entfaltete Pomp sprach für die Machtfülle der damaligen Geschlechter.
Was den Putz der Damen betrifft, so fehlte es keineswegs an sogenannten
Schönheitsmitteln. Wie der unter der Ritterdamenwelt sehr häufig vor-
kommende Gebrauch der Schminke verräth, wurde der Hautpflege grosse
Sorgfalt gewidmet. Nicht minder der Pflege des Haares, worin übrigens
die Herren, welche manche Haar- und Bartmethode durchzumachen hatten,
mit den Damen wetteiferten. Die letzteren scheitelten die Haare und hielten
den Scheitel mittels eines Bandes in Ordnung. Dann wurden die Haare in
zierliche Locken gedreht oder in Zöpfe geflochten, welche man mit Goldfäden
und Goldschnüren durchwob und entweder über die Schultern auf den Busen
herabfallen liess oder in mancherlei Knoten aufschürzte. An ihrem Gürtel
trug die höfische Schöne gewöhnlich eine kleine Tasche, worin Geld,
Riechfläschchen und allerlei Kleinigkeiten verwahrt wurden, ferner ein oft
bis zum Dolche verlängertes Messer, aber nicht weniger Schlüsselbund, Scheere
und Spindel. Reichverzierte und durchduftete Handschuhe durften dem
Anzuge einer solchen Dame nicht fehlen.
Die Ausschreitungen des höfischen Lebens boten im Gegensatz zu der
Blüthezeit des Ritterthums wenig Erfreuliches dar. Den Grund dieses Verfalls
erkennt Johannes Scherr sehr richtig, wenn er schreibt: „Die ritterliche
Romantik erhöhte das Weib zur Krone der Schöpfung, sprengte die engen
rechtlichen Schranken der E'rauenwelt und führte die Frau als Alles
beherrschende Herrin in die Gesellschaft ein; aber sie zerriss auch, der
Konvenienz der Ehe die freie Galanterie gegenüberstellend, vielfach die Bande
edler Häuslichkeit, reiner Sitte und guter Zucht.“ Dass diese Charakteristik
auf das liebliche Paar, welches Maler Heim auf unserem Bilde dargestellt,
nicht Bezug hat, zeigt die keusche Anmuth, die holdselige Befangenheit der
Braut und der würdige Ernst des jungen Mannes. In das Freudengeschrei
der froh erregten Menge, welche das neuvermählte Paar umgiebt, mische
sich auch unser Glückwunsch ein, den wir in Gestalt jener prächtigen Verse
darbringen, die Gottfried von Strassburg in seinem herrlichen grossen Ge-
dichte von „Tristan und Isolde“ zum Preise reiner, inniger Liebe nieder-
geschrieben hat:
„Ein Weib, die ihre Weiblichkeit,
Sich selbst besiegend, dazu weiht,
Dass sie der Welt gefalle,
Die soll die Welt auch alle
Zieren, würden und schönen,
Täglich blümen und krönen
Mit Lob und hohen Ehren,
Ihre Ehre mit ihr mehren.
Zu wem sie sich mag neigen,
Wem sie gar wird zu eigen
Mit Leib und Herz und Sinne,
Mit Liebe und mit Minne,
Der ward zum Heil geboren,
Ja der ist auserkoren
Zu lebendem Heil je mehr und mehr,
Das lebende Paradies hat der
In seinem Herzen begraben;
Der darf keine Sorge haben,
Dass ihn der Hagbusch fange,
So er nach den Blumen lange,
Dass ihn der Dorn je steche,
So er die Rosen breche.
Da ist kein Hagbusch und kein Dorn,
Da ist dem Kind der Distel, Zorn,
Kein Lehen zubeschieden.
Da hat der rosige Frieden
Alles, was herbe und Zorn bedeutet,
Dorn, Distel, Hagbusch ausgereutet.
In diesem Paradiese
Ist nichts, was giftig spriesse;
 
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