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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Kaulbach, Hermann: Der Weihnachtsengel
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Defregger, Franz von: Prosit!
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Andersen-Lundby, Anders: Frisch gefallener Schnee
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0124

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MODERNE KUNST

43

vertreten. Das Gemälde stellt den Akt der Huldigung dar, den der deutsche
Kaiser Friedrich II. 1236 im Deutschordensdome zu Marburg a. d. L. an
der Leiche der Landgräfin von Thüringen, Elisabeth, vollzog. Die Land-
gräfin liegt auf einem Sockel aufgebahrt, ihr Haupt ist vom Nonnenschleier
umgeben. Die rechte Hand des Kaisers, welche die edelsteingeschmückte
Krone hält, senkt sich langsam auf das bleiche Haupt der heiligen Frau herab,
während der linke Arm den Sohn der Landgräfin umschliesst. Während
dieser Krönung sprach der Kaiser, wie Cäsar von Heisterbach als Augen-
zeuge berichtet: „Da ich dich auf dieser Erde nicht als Kaiserin krönen
konnte, so will ich Dich mit dieser Krone als eine Königin im Reiche
Gottes ehren." Am Fusse der Stufen des Katafalks knieen die beiden
Töchter der heiligen Elisabeth. Die Charakteristik dieser zunächst bethei-
ligten Personen ist vortrefflich durchgeführt; der junge Sohn Elisabeth’s
bezwingt mit Mühe seine Rührung, die ältere Tochter betet inbrünstig,
während die jüngste vom Ernst des Vorganges unberührt bleibt und sich
neugierig nach einer betenden Nonne umsieht. Jenseits des Sarkophags
stehen singende Chorknaben, hinter ihnen drängt sich das Volk hervor.
Bischöfe und das Gefolge des Kaisers füllen den übrigen Raum aus. Be-
sonderes Lob verdient die Beleuchtung der Scene; das durch Weihrauch-
wolken gedämpfte Sonnenlicht, welches durch ein hohes seitliches Fenster
einfallt, ist von grossem malerischen Reiz.
Neben diesen historischen Bildern hat Hermann Kaulbach eine Anzahl
lieblicher Genrebilder gemalt. In ihnen zeigt er eine besonders sinnige
Auffassung, die einfachen Vorwürfe erscheinen, von dem Schimmer der
Poesie verklärt, in reizvoller, die Sinne des Beschauers bestrickender Dar-
stellung-. Auch in seinem neuesten, auf der Münchener Internationalen Aus-
Stellung vielumstandenen Werke „Unsterblichkeit" spricht sich diese Neigung
des Künstlers für das Poetische-Schönheitsvolle unumwunden aus. Der
Gegenstand des Bildes ist ein besonders ergreifender: eine edle römische
Jungfrau ist, die Grabstätte des Geliebten mit Blumen zu schmücken, in die
Katakomben hinabgestiegen und drückt, über die Büste des schönen Jünglings
geneigt, den Kuss unsterblicher Liebe auf seine Lippen. — Das von uns wie-
dergegebene Bild „Weihnachtsengel“ war 1887 in Berlin ausgestellt und fand
wegen des sinnigen Vorwurfs, der in ihm dargestellt ist, lebhaften Anklang.
Wenn wir noch hinzufügen, dass Hermann Kaulbach auch als Illustrator
grosse Erfolge erzielt hat — seine Darstellungen von Scenen aus den
Romanen von Ebers und Gustav Freytag, seine Bilder zu deutschen und
italienischen Opern und seine Illustrationen zu Rückerts Liebesfrühling sind
wohlbekannt — so wird der Leser die fleissige Arbeit des Künstlers er-
messen können, der, jetzt erst zweiundvierzig Jahre alt, die Kunstwelt noch
durch manche schöne Schöpfung zu erfreuen berufen ist. Seine bisherige
Thätigkeit hat ihm reiche Anerkennung gebracht; der Prinz-Regent von
Bayern verlieh ihm das Ritterkreuz erster Klasse des Verdienstordens vom j
heiligen Michael und ernannte ihn zum Professor. Ein fernerer Beweis der
Anerkennung wurde dem Künstler dadurch zu Theil, dass der Prinz-Regent
das Gemälde „Unsterblichkeit“ aus seiner Privatschatulle ankaufen liess und
es dann der Münchener Pinakothek zum Geschenk machte.

LXXIII.
PROSIT!
VON
FRANZ VON DEFREGGER.

Wir haben schon wiederholt Gelegenheit gehabt, die künstlerische
Thätigkeit Defreggers zu würdigen, und können uns daher mit einem
Hinweise auf unsere früheren Mittheilungen über den Entwickelungsgang
und die Werke des Meisters begnügen. Dem Gemälde, welches wir in !
der vorliegenden Lieferung reproduciren, seien jedoch noch einige Worte
gewidmet. Von allen Werken, in denen Defregger das Leben des Bauern-
und Gebirgsvolkes Tirols und Oberbayerns schildert, ist „Prosit!“ eins der |
liebenswürdigsten und anmuthigsten. Wie der „Salontyroler", so hat auch !
dieses Bild, wo immer es erschien, sich des lebhaftesten Beifalls von Seiten I
des Publikums zu erfreuen gehabt, und es verdient wegen seines mit beson-

derer Feinheit wiedergegebenen Vorwurfs diese Anerkennung auch im voll-
sten Masse. Die Scene, welche der Maler auf der Leinwand festgehalten,
spielt sich in einem Wirthshause ab. An dem derben Holztische sitzt eine
muntere Gesellschaft, zwei bildhübsche Dirnen, zwei flotte Burschen und ein
älterer Mann. Letzterer ist aufgestanden und trinkt Jemand zu. Von dem
neuen Gast sieht man freilich nichts, aber das Kichern der Mädchen und die
fragenden, kritisch musternden Blicke der Burschen lassen errathen, um was es
sich handelt. Ein „Bäuerischer“ ist’s sicherlich nicht, dem der Gruss gilt; es
wird halt ein „Städt’scher“ sein, einer jener Bergfexe, die auch in Joppe und
Wadenstrümpfen umherlaufen und nicht nur alle I?elsenspitzen, sondern auch
alle Mädchenherzen als ihr Eigenthum reklamiren. Erstere zu bezwingen, mag
einem solchen Herrn immerhin möglich sein, bei den Mädchen wird er aber
schnöde abfallen, zumal wenn sie von zwei so stattlichen Kavalieren, wie
unser Bild sie zeigt, bewacht werden. Auf dem Lande herrschen andere
Sitten, als in der Stadt, wo die Mädchen die Liebhaber wie die Kleider
wechseln; im Gebirg halten die Liebenden fest zusammen und ein Versuch,
sich als Don Juan aufzuspielen, dürfte dem Stadtherrn schlecht bekommen.
Aber wenn er in Ehren einen Krug mit den neuen Bekannten leeren will,
so soll er willkommen sein. Dann wird auch das „Prosit!“ welches oft
genug noch an seine Ohren dringen wird, den unangenehmen Beigeschmack
verloren haben, den ihm jetzt die spöttischen Mienen der Zechenden verleihen.

LXXIV.
FRISCH GEFALLENER SCHNEE

VON
A. ANDERSEN-LUNDBY.

Während die norwegischen Künstler
in grosser Zahl sich der deutschen Schule
angeschlossen haben, zeigen die dänischen
Maler eine besondere Vorliebe für Frank-
reich. Gehen erstere nach Deutschland,
das Vielen unter ihnen ein zweites Vater-
land wird, so pilgern letztere nach Paris,
um dort ihre Studien zu vollenden. In
Andersen-Lundby lernen wir einen dä-
nischen Künstler kennen, der dieser Mode-
strömung nicht gefolgt ist, sondern in
Deutschland die weitere Ausbildung seines
Talentes gesucht und gefunden hat. Ist
dieser Umstand schon geeignet, dem Maler
so bietet der Lebenslauf Andersen’s noch
besonderes Interesse, da er die alte Thatsache, dass das wirkliche Talent
sich stets Bahn bricht, von Neuem bewahrheitet. Als Kind armer Eltern
hatte Andersen keine Gelegenheit, Schulen und Akademien zu besuchen;
was er geworden ist, verdankt er der Energie, welche ihn beseelte, und
dem Talente, das ein gütiges Geschick ihm gegeben.
Anders Andersen-Lundby ist am 16. Dezember 1841 im Dorfe Lundby
bei Aalborg geboren; seine Eltern waren arme Bauern, welche von ihrer
Hände Arbeit lebten. Schon frühzeitig offenbarte sich bei dem Knaben
die künstlerische Begabung; mit Kreide und Kohle fertigte er Bilder an,
die meist der Verherrlichung Gottes, aber auch der Darstellung des Teu-
fels gewidmet waren. Mit zehn Jahren verliess Andersen das elterliche
Haus, um sein Brot selber zu verdienen. Für die harte Arbeit, welche
die Bestellung des Feldes erforderte, reichten die Kräfte des Jünglings nicht
aus; er sehnte sich nach dem Stadtleben, das er bisher nicht kannte. Ende
1858 ging er nach Aalborg und trat dort in den Dienst eines Kaufmannes.
In seinen Mussestunden malte er allerhand Bilder, die freilich noch keinen
hohen Kunstwerth hatten. Als aber sein Principal zwei Landschaftsbilder
erworben hatte, kopirte er eins derselben mit solchem Geschick, dass ersterer
ihm rieth, sein Talent auszubilden. Durch Subskription wurde die Summe
von 300 Kronen aufgebracht, und mit diesem Gelde, der einzigen Unter-
stützung, die Andersen je erhielt, eilte der angehende Künstler im Sep-

A. Andersen-Lundby.


unsere Sympathien zu erwerben,
 
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