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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Raupp, Karl: Verschiedene Passagiere
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Kiesel, Konrad: Manuela
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Defregger, Franz von: Lonei
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0060

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MODERNE KUNST.

19

beim Klange der Abendglocken in der Erntearbeit einhaltende Familie
vor allem ist ein Meisterstück stimmungsvoller Darstellung.
Dem Kindervölkchen ist der Maler besonders gewogen; auf den meisten
seiner Bilder fehlt es nicht an lustigen Schreihälsen und spielenden Wasser-
ratten, die im schwanken Kahne ebenso zu Hause sind, als auf dem festen
Lande. Und wie sind diese Kinder geschildert! Wie wahr, wie lieblich
bei aller Derbheit, die dem Volke nun einmal eigen ist. Auch unser Bild
„Verschiedene Passagiere“ gehört in diese Kategorie. Stolz lächelnd schauen
die beiden Mädchen im Kahn auf die kleine Dirne am Lande, welche das
treue Hündchen im schmucklosen Karren zum Strande befördert hat.
„Verschiedene Passagiere“ — ist’s nicht eine Bezeichnung für das ganze
Dasein! Der Eine eilt im Expresszug durch das Leben, der Andere sucht
sich bescheiden im Bummelzug ein Plätzchen. . . . Und auch den Dirnen
auf unserem Bilde ist dieser Unterschied zwischen Vornehm und Gering
schon klar geworden! Das schämige Niederschlagen der Augen von Seiten
der Hundebesitzerin deutet auf eine erlittene Kränkung; vielleicht hatte
sie die Bitte geäussert, auch in dem grossen Kahne zu fahren, war aber
durch die Antwort, in der sich der den Kindern eigene brutale Realismus
wiederspiegelt, über ihre Stellung und ihre Ansprüche ans Leben eines
Besseren belehrt worden.
Raupp’s Entwicklungsgang ist schon einmal in der „Modernen Kunst“
geschildert worden; geboren am 2. März 1837 zu Darmstadt, besuchte er
zunächst das Städel’sche Institut in Frankfurt a. M. und kam 1838 nach
München, wo er 1860 in Piloty’s Schule eintrat. Im Jahre 1866 eröffnete
er eine eigene Schule, wurde dann nach Nürnberg als Lehrer an die dortige
Kunstschule berufen. Im Jahre 1879 kehrte er nach München zurück, wo
er an der Akademie eine höchst segensreiche Thätigkeit ausübt. Bemerkt
sei noch, dass der Meister auch mit der Feder umzugehen weiss; einige
Erinnerungen an die ältere Münchener Zeit und seine Studienfahrten sind
flott und humorvoll geschrieben.

die Wirkung kommt und sich nur an diese hält, bewundert die vollendete
Wiedergabe der Schönheit und Eleganz, die durch die virtuose Technik,
über die der Meister verfügt, noch gehoben wird. Nicht nur dem Portrait
allein huldigt Kiesel; souverain herrscht er über die schönen Frauengestalten
der ganzen Erde, heute malt er eine Spanierin, dann wieder Yum-Yum, die
liebliche Heldin des „Mikado“, hier schildert er eine Haremsdame, dort
eine Zusammenkunft holdseliger Zunftgenossinnen. Letzteres Bild, das
auch in der „Modernen Kunst“ wiedergegeben worden ist, gilt als
eine seiner graziösesten Schöpfungen. Die Darstellung der schlanken,
feurigen, gluthäugigen Frauengestalt, welche in der vorliegenden Lieferung
erscheint, steht auf derselben Höhe, wie diejenige der Portraits Kiesels.
Denkt man sich zu der anmuthigen Figur, die der Holzschnitt meisterhaft
wiedergiebt, das Kolorit der kostbaren Gewänder und den farbenprächtigen
Blüthenschmuck hinzu, so erhält man ein Bild von fascinirender Wirkung.
Das Eigenthümliche in dem Entwicklungsgänge des Künstlers ist der
Umweg, auf welchem Kiesel zum Malerberufe überhaupt gelangt ist.
Geboren im Jahre 1846 zu Düsseldorf, wandte er sich zunächst dem
Studium der Architektur zu, absolvirte den vorschriftsmässigen Studiengang
und bereitete sich bereits zum Bauführer-Examen vor, als er plötzlich
erkannte, dass er zu etwas Höherem berufen sei. Und zwar erschien ihm
die Bildhauerkunst als das ihm besonders zusagende Gebiet künstlerischer
Thätigkeit. Er trat als Schüler in die Werkstatt Fritz Schapers ein und
zeigte in der That gute Anlagen, so dass seine Wahl gebilligt werden
konnte. Er hatte bereits selbstständig eine Reihe von Arbeiten ausgeführt,
als er auf einer Reise durch Holland sich bewusst ward, dass seine Anlagen
ihn auf die Malerei wiesen. Er kehrte nach Düsseldorf zurück und fand
dort in Wilhelm Sohn einen Lehrmeister, der sein Talent auf die richtige
Bahn führte. Die Erfolge, die Kiesel in kurzer Zeit gewann, sind bekannt;
sein Ruf ist festbegründet, sein grosses Talent vom Publikum, von der
Kritik und nicht zum wenigsten auch von den Kunstgenossen anerkannt.

XXXII.

MANUELA

VON
CONRAD KIESEL.


Conrad Kiesel.

Seit dem Tode des unvergesslichen Gustav
Richter sind es zwei Berliner Portraitmaler,
deren Schöpfungen jedes Jahr auf der akade-
demischen Kunstausstellung angestaunt werden:
Carl Gussow und Conrad Kiesel. Beide feiert
die Berliner Portraitmalerei als ihre hervor-
ragendsten Vertreter, zumal seitdem aus dem
derben Gussow ein eleganter sich entwickelt
hat, der jetzt schöne Damen mit gleicher Liebe
malt, wie vordem alte Frauen. Conrad Kiesel
dagegen ist von Anfang an der Maler der

Eleganz gewesen, der Darsteller berückender Frauenschönheit, der in

Farbenpracht, Anmuth, Reichthum, in allen Aeusserungen des Lieb-

reizes schwelgende, geniale Portraitist, dessen Schöpfungen zu bewun-
dern man nicht müde wird.

Das dankbarste Motiv für den Maler wird wohl ewig die Darstellung
schöner Frauen bilden, dem Ewig-Weiblichen wird die Kunst stets in erster
Leihe huldigen müssen. Heil daher dem Maler, der uns schöne Frauen
schön malt! Welcher Begeisterung das Publikum in diesem Falle fähig
’st, haben wir bei der Austeilung von Herkomer’s „Miss Grant“ in Berlin
vor zwei Jahren gesehen, und die Wiederholung dieser Schwärmerei tritt
soeben wieder in Wien von neuem zu Tage.
Kiesel hat die Vorschrift „schöne Frauen schön zu malen“ in trefflicher
Weise befolgt. Wie das geschieht, ist sein Geheimniss; mancher Maler
möcht’ es gewiss ihm ablauschen, aber Fleiss und gewissenhaftes Mühen
nützt hierbei blutwenig. Das Publikum, das wenig danach fragt, woher

XXXIII.
—“LH® L O N E I —

VON
FRANZ DEFREGGER.

Franz Defregger.


Defreggers Name steht obenan in der Reihe
der deutschen Maler, welche das Leben des
Volkes zu schildern bestrebt sind. Seine Tiroler
Bilder haben ihm nicht nur eine grosse Popularität
geschaffen, sie werden auch noch in später Zeit
als malerische Dokumente dienen und eben des-
halb stets ein grösseres Interesse wachrufen, als
die übliche Genremalerei, deren technische Vor-
züge wohl Bewunderung erheischen, deren Inhalt-
losigkeit aber die kommenden Generationen kalt
lassen wird. Mit Knaus, Vautier u. a. theilt sich

Defregger in den Ruhm, das Volksthum in schlichter, wahrer Gestalt wieder-
gegeben zu haben; seine Leistungen sind gleich weit entfernt von einer
Uebertreibung des Derben, von jener Vorliebe für das Abstossende, das
nachstrebende Künstler für Naturwahrheit ausgeben, als von der bei Volks-
schilderungen übel angebrachten Sentimentalität, der frühere Zeiten gehuldigt.
Freilich hat Defregger nicht alle Seiten des Volkslebens wiedergegeben;
ihm hat jederzeit das Naive, Fröhliche näher gelegen, als das Tragische,
und es ist bezeichnend für das Talent des Künstlers, dass er in den Dar-

stellungen des Frohsinns und der poetischen Züge des Alltagslebens sich nie
vergriffen hat, während das Gleiche in Bezug auf die dramatisch-bewegten
und pathetischen Schöpfungen nicht behauptet werden kann.
Der Anfang der künstlerischen Laufbahn Defreggers zeigt die all-
bekannten Widerwärtigkeiten, in deren Ueberwindung das echte Talent
sich offenbart. Als der Sohn eines Bauernhofbesitzers am 30. April 1835
zu Dölsach im Pusterthal geboren, erhielt Defregger nur eine dürftige Schul-
 
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