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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Hoppe Reiter: von Franz Dvorak
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Kray, Wilhelm: Meeresidylle
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0070

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MODERNE KUNST.

23

XXXIX.

H O P P E R E IT E R
VON
FRANZ DVORAK.

:r Name dieses Künstlers ist bei uns in Berlin in weiteren
Kreisen erst im Jahre 1887 bekannt geworden. Auf der
akademischen Kunstausstellung erschienen damals zwei
lebensgross in Pastellfarben ausgeführte Kinderbilder,
welche bei „Jedermann aus dem Volke“ uneingeschränkte
herzliche Freude erweckten und doch gleichzeitig auch
ebenso rückhaltlose Anerkennung seitens der Künstler
und Kunstverständigen fanden. Es waren Kinderscenen,
in unübertrefflicher naiver und drolliger Anmuth dar-
gestellt ; mehr Phantasiegebilde als dem wirklichen
Kinderleben abgelauscht; in einer so virtuosen Pastell-
einer solchen Leuchtkraft, zarten Wärme und Wahrheit
der Farbe ausgeführt, dass sie den Vergleich mit den Meisterwerken
dieser Malweise selbst des 18. Jahrhunderts, — der klassischen Blüthe-
zeit derselben, — nicht zu scheuen hatten. Das eine dieser Bilder zeigte
ein ganz nacktes, etwa zweijähriges Bübchen, vom Rücken sichtbar, das,
auf dem Fussboden sitzend, einen rothen japanischen Papierfächer, viel
grösser als der kleine Bursche selbst, mit beiden Händchen weit ge-
öffnet auf seinen Schoss gestützt als Schild und Schutz vor sich herhält.
Ueber den oberen Rand desselben aber neigt sich das lachende Gesichtchen
eines andern blonden nackten Kindes, dessen stehende Gestalt der Fächer
völlig verdeckt, zu dem diesseits sitzenden Spielkameraden herab, dessen
Kopf und Blick zu jenem heraufgewendet sind. Das andre Bild war „Ein
Atelierstreich“ betitelt. Auf dem Teppich vor einer Staffelei, auf welcher
eine fast fertig gemalte Landschaft mit frischgrüner sommerlicher Wiese,
einem Flüsschen zwischen Bäumen und einigen nackten badenden Kindern
als Staffage steht, hockt neben dem Malkasten ein ebenfalls vom Rücken
sichtbarer köstlicher kleiner nackter Kerl von ähnlichem oder doch sehr
wenig höherem Alter als jener Fächerträger. Er benutzt die kurze Ab-
wesenheit seines Vaters, dem er als Modell dienen mochte, um, wie er
es bei diesem gesehen, die Palette zur Hand zu nehmen und mit breitestem
Pinsel das schönste Roth fett und voll auf das Grün der Wiese im Bilde
nahe vor ihm hinzustreichen. Die Malerei der nackten blühenden Kinder-
körper, die Feinheit und Glätte, Zartheit und Wärme der Haut, die
körperliche Modellirung der jungen Leiber auf beiden Bildern liessen in
ihrem Maler ein ganz aussergewöhnliches Talent, Naturstudium und male-
risches Feingefühl erkennen. Später, im vergangenen Winter, war im
Berliner Künstlerverein ein andres Pastellbild Dvoräk’s ausgestellt: Kinder
von 2 bis zu 6 Jahren, diesmal aber sämmtlich moderne, schmuck gekleidete,
bestrümpfte und beschuhte Buben und Mädchen, die im hohen blüthenreichen
Grase einer Wiese sich gegenüber stehen, um ein gemeinsames Spiel mit
grossen farbigen Bällen zu spielen. Dass der Zeichner dieser Bilder sich
nicht nur auf die Darstellung der, ihrer eignen Anmuth unbewussten,
kleinen Kinder, sondern ebenso gut auch auf die Schilderung des Wesens
und Aussehens der grossen schönen Kinder versteht, beweist er in dem
Gemälde, welches unser Holzschnitt wiedergiebt
Man wusste hier lange nicht, woher der Maler dieser anziehenden
Pastellbilder stamme, wo er hause, wo er seine erste künstlerische Aus-
bildung gesucht und empfangen habe. Der Klang des Namens liess auf
böhmischen Ursprung schliessen und diese Vermuthung war keine fälsch-
liche. In Prelouc in Böhmen ist Dvorak 1862 geboren. Nach seinen
eignen kargen Mittheilungen begann er in seinem achtzehnten Jahre die
ersten künstlerischen Studien auf der Wiener Akademie. Aber nur 21/2 Jahre
blieb er daselbst. Er ging nach München, wo er den Unterricht der
Professoren Seitz und Lindenschmitt genoss. Aber gerade das, wodurch
Dvorak seinen jungen Ruhm erworben hat, dankt er keinem andern
Lehrer, sondern nächst seinem glücklichen originellen Talent seinem liebe-
vollen Naturstudium. Wie reif und in sich vollendet seine in Pastellfarben

technik und mit


| ausgeführten Kinderbilder übrigens auch sein mögen, — er steht doch erst
am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn. Nach diesen Anfängen zu
schliessen, dürfen wir erwarten, dass der Künstler noch ganz andere höhere
Ziele erreichen wird. Sehr wahrscheinlich aber werden wir in den nächsten
Jahren wenig von ihm auf unsern Ausstellungen zu sehen bekommen. Gegen-
wärtig in Paris lebend, bereitet er sich zu einer im Herbst anzutretenden
Weltreise vor, die ihn nach Amerika, Japan, China, Indien, Australien
und Afrika führen soll. Erst in 3—4 Jahren denkt er wieder nach München
zu seiner ruhigen Atelierthätigkeit zurückzukehren und dann den Ungeheuern
| Stoff und die Fülle neuer Anschauungen und Eindrücke künstlerisch zu be-
' arbeiten, die er auf diesen Fahrten und Wanderungen zu sammeln und in
I sich aufzunehmen hoffen darf. £, p.
---

MEERESIDYLLE

VON
W. KRAY.

enn in unserer dem Realismus zugewandten Zeit ein Künstler
der Romantik huldigt und dennoch Erfolge erringt, um
die ihn der Sittenmaler par excellence beneiden kann, so
wird man nicht fehlgehen in der Annahme, dass es das
Walten eines genialen Geistes ist, welches die Menschen
zur Bewunderung und Anerkennung zwingt. Das dürftige
Mitteltalent kann sich eine Sonderstellung nicht erringen,
es geht unter in dem Bestreben, der Richtung der Zeit
zu trotzen. Nur die Genialität erhebt sich zu jenen
lichten Höhen der Kunst, in denen die Phantasie alles,
die Berechnung nichts gilt. Wer aus dem Vollen schöpft,
das spielend überwindet, was der Mehrzahl als das Schwierigste der Auf-
gabe erscheint, kann allein sich an Schöpfungen wagen, die von dem Her-
gebrachten ab weichen. Die Genialität ohne Beherrschung der Form ist
keine Genialität, sondern eine Stümperei, die sich mit dem wohlfeilen
Mantel des Besonderlichen drapirt. Was Böcklin alljährlich der staunenden
Mitwelt offenbart, würde Pfuscharbeit sein, wenn die koloristische Wirkung
fehlte; ohne technische Vollkommenheit ist die Wirkung eines bizarren Vor-
wurfes nicht möglich. Die Missgeburten moderner, namentlich französischer
Sensationsmaler zeigen, welches unerfreuliche Resultat das vom Können nicht
unterstützte, Aussergewöhnliches, noch nie Dagewesenes planende Wollen
hervorbringt.
Bei dem Maler unseres Bildes sehen wir die Richtigkeit des von uns
aufgestellten Satzes erwiesen: Wilhelm Kray ist nicht nur ein genialer
Maler, weil er, abweichend vom gewöhnlichen Haufen, seine Stoffe aus
einer Phantasiewelt holt, sondern hauptsächlich deswegen, weil er seine
poesievollen Kompositionen mit einem Zauber umgiebt, dem kein Irdischer
zu widerstehen vermag. Was das Meer auf seinen schimmernden Fluthen
schaukelt, was sich im Dunkel der Wogen und Wellen birgt — die ganze
Welt der Nymphen und Nixen, der guten und bösen Geister, ist dem
Maler dienstbar geworden — eine paradiesische Schönheit verleiht er seinen
Geschöpfen, unverhüllt schauen wir die herrlichen Formen, die glänzenden
und gleissenden Körper; bewundernd blicken wir auf das muntere Spiel
der Bewohnerinnen des feuchten Elements, auf den verhängnissvollen „Irr-
lichtertanz“ schwebender, vom Mondlicht umflossener Jungfrauen, die den
Verführten ins Verderben locken. Frei von jeder konventionellen Vor-
schrift gestaltet Kray seine Schöpfungen, echter Künstlergeist lebt in jenen
Darstellungen antiker Schönheit und genialer Phantastik, welche den Ruf
des Malers begründet und gefestigt haben.
Kray ist ein geborener Berliner, unter Schrader und Wilhelm Schirmer
an der Berliner Akademie gebildet. Im Jahre 1857 stellte er bereits ein
Werk, „Amor und Psyche“, aus; drei Jahre später — nach zweijährigem
Aufenthalte in Paris — schuf er sein Gemälde „Pausanias und sein Blumen-
mädchen“. In jener Zeit malte er auch eifrig Portraits.
 
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