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MODERNE KUNST.
ihre Gedanken hat — noch niemals war sie so unfolgsam, so unaufmerksam...
Wir aber kennen die Quelle dieser Störungen — das Träumen während
der Modellpause war es, was den Geist in andere, freiere, luftigere Bahnen
gelenkt hat. Der Sturz aus dem Reich der Träume in die Arbeit des Tages
ist zu heftig gewesen. Armes Kind!
XL VI.
AUF VERBOTENEM WEGE
VON
GUSTAV IGLER.
Gustav Igler.
Die Münchener Malerschule der Gegen-
wart hat wohl keinem Stande so viel Inter-
esse entgegengebracht, als dem süddeutschen
Bauernvolke, das durch sein Leben inmitten
der malerischen Berge, durch die Gefahren,
die es bei der Alltags - Beschäftigung oft
genug läuft, und durch die übermüthige, kraft-
volle Lustigkeit, welche es an den Tag legt,
allerdings nie versiegende Motive zur Schil-
derung darbietet. Der Erfolg der Defregger-
sehen Bilder bewirkte, dass eine Anzahl
jüngerer Maler sich auf die Bauernmalerei
warf und mit Eifer ein Genre kultivirte, das dem Talent für Humor und
Charakteristik weiten Spielraum liess. Hierher gehören die Namen Ludwig
Vollmar, Friedrich Prölss, Alois Gabi, Adolf Lüben, Konrad Grob, August
Heyn u. a. Nicht alle Sind sie geborene Süddeutsche, wie auch die besten
Schilderer bayerischen Volkslebens: Grützner, Kauffmann und Raupp keine
geborenen Bayern sind, aber das Studium in Isar-Athen und die stete Be-
rührung mit dem Volke gab auch, den Nichtheimischen Gelegenheit, sich
in die Art des Volkes einzuleben, und volle Berechtigung, als Schilderer
seiner Eigenart aufzutreten. Zu den nach München eingewanderten Künstlern,
die der Bauernmalerei huldigen, gehört auch Gustav Igler, ein Oesterreicher
von Geburt (geb. 1842 in Oedenburg). Den ersten Unterricht genoss er
bei Waldmüller in Wien, welche Stadt er 1868 mit München vertauschte,
wo er in Ramberg’s Schule eintrat. Drei Jahre verblieb er in derselben,
sich hauptsächlich mit Darstellungen aus dem Kinderleben beschäftigend.
Seine erste Arbeit, welche Aufsehen erregte, war das Bild „Auf der
Eselsbank“, eine köstlich humoristisch aufgefasste und durchgeführte Schilderung
aus dem Schulleben. Auf einer langgestreckten Schulbank sitzen die „Herren
Jungens“, welche durch Mangel an Fleiss oder sonstige Unart sich den Tadel
des Lehrers zugezogen haben. In genialer Weise ist jeder von ihnen be-
schäftigt, die Zeit todt zu schlagen; die Charakteristik dieser Versuche ist
ungemein lebendig und interessant. Grosse Erfolge erzielte der Künstler
ferner mit seinem „Gesangsunterricht“ und mit dem Bilde „Onkels Rekruten“,
welche Arbeiten gleichen Humor und gleiche Schärfe der Auffassung be-
sitzen, wie die „Eselsbank“. In unserem Bilde „Auf verbotenem Wege“
hat Igler ebenfalls ein wirkungsvolles Motiv aus dem Kinderleben verarbeitet;
die jugendlichen Missethäter wollen es den Alten gleichthun und vergnügen
sich mit den Karten, der Mahnungen der Mutter uneingedenk, die ihnen
immer erzählt, wie die Leidenschaft des Spiels den Charakter des Menschen
ruinire. Das Spiel steht augenscheinlich vor der entscheidenden Wendung;
die nächste Karte wird es beenden, dem Einen Verlust, dem Anderen Ge-
winn bringen. Daher die sorgenvolle Miene, die der Ausspielende aufgesetzt
hat, die Schadenfreude auf dem Gesicht des ihm gegenüber sitzenden Ge-
nossen und die Strenge des Blicks in den Augen des Dritten, der die Karte
mit dem Finger der rechten Hand festhaltend, mit der Linken eine Bewegung
ausfuhrt, die das Nutzlose weiteren Widerstandes dem Pechvogel klar machen
soll. Der einfache Vorgang ist vom Künstler mit grosser Liebe behandelt
worden, die ungezwungne Haltung der Knaben und die Charakteristik der
verschiedenen Stimmungen verdienen aufrichtiges Lob.
XLVII.
HEIMKEHR VOM MARKTE
VON
ADRIEN MOREAU.
drien Moreau nimmt unter den französischen Landschaftern
einen ehrenvollen Platz ein. Er liebt es, auf seinen Bildern
die Landschaft durch Figuren zu beleben; das langsam
auf dem Fluss dahingleitende, mit Menschen gefüllte Boot
ist auf mehreren Arbeiten zu finden. Das von uns in
Holzschnitt wiedergegebene Bild zeichnet sich durch eine
recht freundliche Stimmung aus, die in der Gruppe am
hinteren Ende des Kahnes in heitere Fröhlichkeit über-
gegangen ist. Ohne grosse Mühe schiebt der am Vorder-
ende stehende Mann das Boot auf der glatten Wasserfläche
dahin, achtlos sitzt das Kind in der Mitte des Kahnes,
mit dem Verzehren einer Frucht beschäftigt, und die beiden Frauen und
der stattliche Bursche da hinten haben sich etwas zu erzählen, einen Scherz,
eine Anspielung, die Situation ist einem schalkhaften Liebesgeplänkel günstig.
Das Bild, welches in einfacher, kräftiger Manier gehalten ist, wird wegen
des hübschen Vorganges, den es darstellt, auch dem deutschen Publikum
willkommen sein.
XLVIII.
FELDBLUMEN
VON
C. SOHN.
,s Künstlergeschlecht Sohn ist ein berühmtes; ihm ge-
hören der Porträt- und Geschichtsmaler Carl Sohn in
Düsseldorf, der Genremaler Wilhelm Sohn und der Maler
unseres Bildes C. Sohn, der Sohn des ersteren und der
Vetter des zweiten, an. C. Sohn jun. ist im Jahre 1845
in Düsseldorf geboren; er studirte zuerst das Ingenieur-
fach auf dem Polytechnikum zu Karlsruhe, später ent-
schied er sich für die Malerei als Lebensberuf. Er besuchte
die Düsseldorfer Akademie und arbeitete in dem Atelier
Wilhelm Sohn’s bis zum Jahre 1872. Als Genre- und
Porträtmaler ist er seitdem mit grossem Erfolge thätig
gewesen; namentlich hatte er viele Aufträge in England
auszuführen, wo er u. a. auch die Porträts der Königin und mehrerer ihrer
Familienglieder malte.
In dem von uns veröffentlichten Bilde „Feldblumen“ hat er ein reizendes
Idyll geschaffen. Mit welcher Andacht windet die Jungfrau die schmucklosen
Blumen zusammen, die das Zimmer des Liebsten zu zieren bestimmt sind'.
Von dem dunklen Hintergründe und der blumigen Au hebt sich die weisse
Gestalt der Dahinschreitenden höchst wirkungsvoll ab. — In welchem Maasse
Sohn Meister in der Hervorzauberung tiefinniger Stimmung ist, hat er vor
allem in seinem Bilde „Ein alter Hochzeitsbrauch“ bewiesen, einer Darstellung
voll lauterer Poesie. Aus der Kirche sind die Neuvermählten in das Hoch-
zeitshaus zurückgekehrt; der lange Zug tritt in den festlich geschmückten
Speisesaal ein. Dort erwarten das junge Paar die jüngsten Familienglieder
mit einer Gabe eigener Art — der Wiege. Der kleine Bursche sagt seinen
Spruch auf, verlegen schlägt die junge Frau die Augen nieder, indess der
Gatte in inniger Rührung ihre Hand zärtlich drückt. Das Bild, welches auf
der Berliner Jubiläumsausstellung erschien, gehört zu den anmuthigsten
Bildern, die das Leben der alten deutschen Patriziergeschlechter schildern.
MODERNE KUNST.
ihre Gedanken hat — noch niemals war sie so unfolgsam, so unaufmerksam...
Wir aber kennen die Quelle dieser Störungen — das Träumen während
der Modellpause war es, was den Geist in andere, freiere, luftigere Bahnen
gelenkt hat. Der Sturz aus dem Reich der Träume in die Arbeit des Tages
ist zu heftig gewesen. Armes Kind!
XL VI.
AUF VERBOTENEM WEGE
VON
GUSTAV IGLER.
Gustav Igler.
Die Münchener Malerschule der Gegen-
wart hat wohl keinem Stande so viel Inter-
esse entgegengebracht, als dem süddeutschen
Bauernvolke, das durch sein Leben inmitten
der malerischen Berge, durch die Gefahren,
die es bei der Alltags - Beschäftigung oft
genug läuft, und durch die übermüthige, kraft-
volle Lustigkeit, welche es an den Tag legt,
allerdings nie versiegende Motive zur Schil-
derung darbietet. Der Erfolg der Defregger-
sehen Bilder bewirkte, dass eine Anzahl
jüngerer Maler sich auf die Bauernmalerei
warf und mit Eifer ein Genre kultivirte, das dem Talent für Humor und
Charakteristik weiten Spielraum liess. Hierher gehören die Namen Ludwig
Vollmar, Friedrich Prölss, Alois Gabi, Adolf Lüben, Konrad Grob, August
Heyn u. a. Nicht alle Sind sie geborene Süddeutsche, wie auch die besten
Schilderer bayerischen Volkslebens: Grützner, Kauffmann und Raupp keine
geborenen Bayern sind, aber das Studium in Isar-Athen und die stete Be-
rührung mit dem Volke gab auch, den Nichtheimischen Gelegenheit, sich
in die Art des Volkes einzuleben, und volle Berechtigung, als Schilderer
seiner Eigenart aufzutreten. Zu den nach München eingewanderten Künstlern,
die der Bauernmalerei huldigen, gehört auch Gustav Igler, ein Oesterreicher
von Geburt (geb. 1842 in Oedenburg). Den ersten Unterricht genoss er
bei Waldmüller in Wien, welche Stadt er 1868 mit München vertauschte,
wo er in Ramberg’s Schule eintrat. Drei Jahre verblieb er in derselben,
sich hauptsächlich mit Darstellungen aus dem Kinderleben beschäftigend.
Seine erste Arbeit, welche Aufsehen erregte, war das Bild „Auf der
Eselsbank“, eine köstlich humoristisch aufgefasste und durchgeführte Schilderung
aus dem Schulleben. Auf einer langgestreckten Schulbank sitzen die „Herren
Jungens“, welche durch Mangel an Fleiss oder sonstige Unart sich den Tadel
des Lehrers zugezogen haben. In genialer Weise ist jeder von ihnen be-
schäftigt, die Zeit todt zu schlagen; die Charakteristik dieser Versuche ist
ungemein lebendig und interessant. Grosse Erfolge erzielte der Künstler
ferner mit seinem „Gesangsunterricht“ und mit dem Bilde „Onkels Rekruten“,
welche Arbeiten gleichen Humor und gleiche Schärfe der Auffassung be-
sitzen, wie die „Eselsbank“. In unserem Bilde „Auf verbotenem Wege“
hat Igler ebenfalls ein wirkungsvolles Motiv aus dem Kinderleben verarbeitet;
die jugendlichen Missethäter wollen es den Alten gleichthun und vergnügen
sich mit den Karten, der Mahnungen der Mutter uneingedenk, die ihnen
immer erzählt, wie die Leidenschaft des Spiels den Charakter des Menschen
ruinire. Das Spiel steht augenscheinlich vor der entscheidenden Wendung;
die nächste Karte wird es beenden, dem Einen Verlust, dem Anderen Ge-
winn bringen. Daher die sorgenvolle Miene, die der Ausspielende aufgesetzt
hat, die Schadenfreude auf dem Gesicht des ihm gegenüber sitzenden Ge-
nossen und die Strenge des Blicks in den Augen des Dritten, der die Karte
mit dem Finger der rechten Hand festhaltend, mit der Linken eine Bewegung
ausfuhrt, die das Nutzlose weiteren Widerstandes dem Pechvogel klar machen
soll. Der einfache Vorgang ist vom Künstler mit grosser Liebe behandelt
worden, die ungezwungne Haltung der Knaben und die Charakteristik der
verschiedenen Stimmungen verdienen aufrichtiges Lob.
XLVII.
HEIMKEHR VOM MARKTE
VON
ADRIEN MOREAU.
drien Moreau nimmt unter den französischen Landschaftern
einen ehrenvollen Platz ein. Er liebt es, auf seinen Bildern
die Landschaft durch Figuren zu beleben; das langsam
auf dem Fluss dahingleitende, mit Menschen gefüllte Boot
ist auf mehreren Arbeiten zu finden. Das von uns in
Holzschnitt wiedergegebene Bild zeichnet sich durch eine
recht freundliche Stimmung aus, die in der Gruppe am
hinteren Ende des Kahnes in heitere Fröhlichkeit über-
gegangen ist. Ohne grosse Mühe schiebt der am Vorder-
ende stehende Mann das Boot auf der glatten Wasserfläche
dahin, achtlos sitzt das Kind in der Mitte des Kahnes,
mit dem Verzehren einer Frucht beschäftigt, und die beiden Frauen und
der stattliche Bursche da hinten haben sich etwas zu erzählen, einen Scherz,
eine Anspielung, die Situation ist einem schalkhaften Liebesgeplänkel günstig.
Das Bild, welches in einfacher, kräftiger Manier gehalten ist, wird wegen
des hübschen Vorganges, den es darstellt, auch dem deutschen Publikum
willkommen sein.
XLVIII.
FELDBLUMEN
VON
C. SOHN.
,s Künstlergeschlecht Sohn ist ein berühmtes; ihm ge-
hören der Porträt- und Geschichtsmaler Carl Sohn in
Düsseldorf, der Genremaler Wilhelm Sohn und der Maler
unseres Bildes C. Sohn, der Sohn des ersteren und der
Vetter des zweiten, an. C. Sohn jun. ist im Jahre 1845
in Düsseldorf geboren; er studirte zuerst das Ingenieur-
fach auf dem Polytechnikum zu Karlsruhe, später ent-
schied er sich für die Malerei als Lebensberuf. Er besuchte
die Düsseldorfer Akademie und arbeitete in dem Atelier
Wilhelm Sohn’s bis zum Jahre 1872. Als Genre- und
Porträtmaler ist er seitdem mit grossem Erfolge thätig
gewesen; namentlich hatte er viele Aufträge in England
auszuführen, wo er u. a. auch die Porträts der Königin und mehrerer ihrer
Familienglieder malte.
In dem von uns veröffentlichten Bilde „Feldblumen“ hat er ein reizendes
Idyll geschaffen. Mit welcher Andacht windet die Jungfrau die schmucklosen
Blumen zusammen, die das Zimmer des Liebsten zu zieren bestimmt sind'.
Von dem dunklen Hintergründe und der blumigen Au hebt sich die weisse
Gestalt der Dahinschreitenden höchst wirkungsvoll ab. — In welchem Maasse
Sohn Meister in der Hervorzauberung tiefinniger Stimmung ist, hat er vor
allem in seinem Bilde „Ein alter Hochzeitsbrauch“ bewiesen, einer Darstellung
voll lauterer Poesie. Aus der Kirche sind die Neuvermählten in das Hoch-
zeitshaus zurückgekehrt; der lange Zug tritt in den festlich geschmückten
Speisesaal ein. Dort erwarten das junge Paar die jüngsten Familienglieder
mit einer Gabe eigener Art — der Wiege. Der kleine Bursche sagt seinen
Spruch auf, verlegen schlägt die junge Frau die Augen nieder, indess der
Gatte in inniger Rührung ihre Hand zärtlich drückt. Das Bild, welches auf
der Berliner Jubiläumsausstellung erschien, gehört zu den anmuthigsten
Bildern, die das Leben der alten deutschen Patriziergeschlechter schildern.