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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Meyer, Claus August: Die Würfler
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Beinke, Fritz: Durchbrenner
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0046

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14

MODERNE KUNST.

XXIV.
D IE W Ü R F L E R

VON
CLAUS MEYER.

Auf der Münchener internationalen Kunst-
ausstellung im Jahre 1883 trat zum ersten Male
eine Anzahl jüngerer Künstler an die Öffentlich-
keit, die, in der Schule des trefflichen Löfftz
gebildet, gleich als fertige Meister debutirten
und in jungen Jahren der höchsten Ehren theil-
haftig wurden. Claus Meyer, Paul Höcker, Con-
rad Fehr, Emil Keyser u. a. gehörten zu diesen
auserwählten Kunstjüngern, die in ihren Arbeiten
die so hoch gepriesene Technik der Franzosen
mit einer Tiefe und Klarheit vereinigten, wie sie
nur das Studium der alten Niederländer erzeugen kann. Vor allem war
es Claus Meyer, dessen Leistung die Bewunderung der Kenner hervorrief.
Seinem Gemälde „Nähschule im Beguinenkloster“ wurde damals die
goldene Medaille zuerkannt, dieselbe Auszeichnung, welche die neben
jenem Bilde hängende „Pieta“ Löfftz’ erhielt. Aber es lag in dieser Aus-
zeichnung des Schülers zugleich die beste und schmeichelhafteste An-
erkennung des grossen Talentes des Lehrers, dem es gelungen, einer
congenialen Natur die rechte Bahn zu weisen. Auf der Berliner Jubiläums-
ausstellung, drei Jahre später, trug der junge Künstler von neuem den
höchsten Preis, die grosse goldene Medaille, davon; zugleich ward ihm die
Freude, dass sein Werk, die „Würfler“, das Original unseres Bildes, für
die Nationalgalerie angekauft wurde.
Claus Meyer, der so in jungen Jahren die höchsten Ehren auf sich
vereinigt sieht, ist im Jahre 1856 zu Linden bei Hannover als der Sohn
eines Brauereidirectors geboren. Im Jahre 1875 wandte er sich, durch
Krelings Ruf angezogen, gleich seinem berühmten Landsmann, dem jetzigen
Münchener Akademie-Director Fritz August von Kaulbach, nach Nürnberg,
und inmitten dieser alterthümlichen Giebel und Erker, Thürme und Gräben
erwachte in dem Neunzehnjährigen eine lebhafte Zuneigung zur mittelalter-
lichen Architektur, die ihn nicht wieder verlassen hat. Im Jahre 1876
siedelte er nach München über, besuchte die Zeichenklasse des Professors
Barth und die Malklasse Alexander Wagners, aus der er in die Löfftzschule
übertrat. Den ersten Versuchen des Künstlers (Im Quartier, Die Kloster-
schüler, Die Kannegiesser) folgte 1882 sein erstes grösseres Werk „Holländi-
sches Genre“, das in der Ausstellung des Münchener Kunstvereins erschien
und die neidlose Anerkennung der Genossen fand. Das Bild wurde sofort
verkauft und gelangte, durch die verschiedensten Hände gehend, nach
Monatsfrist um den fünffachen Preis in den Besitz eines Berliner Händlers.
Das Ergebniss einer im folgenden Jahre nach Holland und Belgien unter-
nommenen Studienreise war das schon erwähnte Gemälde „Nähschule im
Beguinenkloster“, das den Künstler mit einem Schlage berühmt machte.
Die im folgenden Jahre entstandenen „Politiker“ und „Musicirende Kloster-
frauen“ brachten Claus Meyer neue Ehren: die kleine goldene Medaille der
1884er Berliner Akademischen Ausstellung. Ferner sind noch zu erwähnen
das „Rauchcollegium“ (1884), die „Spitalschwestern“ (1885, Dresdener
Galerie), der „Raucher“ u. s. w.
Kein sklavischer Nachahmer der Niederländer, hat Claus Meyer es
vermocht, durch die Verbindung der Malweise der Niederländer des 17.
Jahrhunderts, eines Pieter de Hooch und eines Van der Meer von Delft,
mit der geistigen Vertiefung, welche unsere Zeit erfordert, ein neues Genre
zu schaffen, das ebenso reizvoll, als künstlerisch bedeutsam ist. Durch die
liebevolle Durchbildung der Details, das energische Herausarbeiten der
Dinge aus der Bildfläche — im Gegensatz zu der heute so beliebten
„Plein-air Malerei“ — vornehmlich aber durch die charakteristische Behand-
lung des Figürlichen sind seine Arbeiten wahre Kabinettsstücke. Die
Vortragsweise ist bei aller Kraft elegant zu nennen, ihre Wirkung auf den
Beschauer zudem noch dadurch erhöht, dass der Künstler mit Vorliebe


neben interessanten Beleuchtungseffekten das Weben und Wallen des
Tabackrauches darstellt, wie dies ja schon die Bezeichnungen seiner Bilder
andeuten. Das erste Gemälde „Holländisches Genre“ lässt uns einen Blick
in eine holländische Wohnstube thun, in der ein Ehepaar in der Tracht
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an einem Tische sitzt. Die Frau
beschäftigt sich mit einer Handarbeit, der Mann giebt sich dem Genuss
seiner Pfeife hin. Die „Nähschule im Beguinenkloster“ zeigt uns die mit
Nähen beschäftigten Schwestern hinter einem Tische sitzend, während die
Oberin mit einer Schwester die Arbeiten auf der anderen Seite des Tisches
einer Prüfung unterzieht. Durch eine offene Thür erblickt man den Vor-
raum, den eine Schwester durchschreitet.
Die Feinheit in der Darstellung aller Details, welche schon diese
Bilder zeigen, wird noch übertroffen in unserem Bilde „Die Würfler“, das
unstreitig bis jetzt das beste Werk Claus Meyers ist. Die Zeit der Handlung
ist hier die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Scene ebenfalls wieder
ein Zimmer in einem holländischen Hause. Durch die kleinen Scheiben
der Fenster fällt von oben das Licht ein, der untere Theil der Fenster
ist durch den Schatten der gegenüberliegenden Giebelhäuser verdunkelt.
Um einen Tisch herum sitzen drei Männer beim Würfelspiel, ein vierter,
unbetheiligter, sieht dem Spiele zu. Eine bunte Gesellschaft ist es, die sich
in diesem Winkel zusammengefunden hat. Der hagere, kahlköpfige Alte,
welcher eben gewürfelt, repräsentirt das bürgerliche Element, die beiden
anderen Spieler, der Alte wie der Junge, gehören dem Bauernstände an
und der Zuschauer, dessen Galgenphysiognomie wenig Vertrauenerweckendes
besitzt, dürfte die Arbeit wohl nur als eine unangenehme Unterbrechung
des Faullenzens betrachten. Dem Spielteufel aber sind sie alle in gleicher
Weise verfallen, die gespannten Mienen und die während des Hüpfens und
Kollerns der Würfel eingetretene zauberhafte Stille lassen erkennen, dass
der Einsatz kein geringer ist. Dasselbe unheimliche Gefühl: wie wird die
Entscheidung ausfallen ? beherrscht die Kumpane, die nächste Sekunde
muss das Resultat und damit dem Einen Gewinn, dem Andern Verlust
bringen. Mit bewunderungswürdigem Geschick hat der Künstler den Aus-
druck der Erwartung festgehalten, in jedem Gesichte spiegelt er sich
verschieden, aber gleich intensiv ab. Dass Claus Meyer das Figürliche
nicht zur reinen Staffage herabsinken lässt, sondern durch Betonung des
geistigen Inhalts den ganzen Vorgang in eine höhere künstlerische Sphäre
versetzt, ist ein nicht zu unterschätzender Vorzug gegenüber der reinen
Interieurmalerei, die nicht nur bei den alten Holländern, sondern auch bei
manchem Neueren zu finden ist.

XXV.
DURCHBRENNER
VON

FRITZ BEINKE.

Fritz Beinke.

Der Maler des lustigen Bildes „Durch-
brenner“, Fritz Beinke, ist im Jahre 1842
zu Düsseldorf geboren. Im Alter von
sechzehn Jahren bezog er die Akademie,
die er von der Elementar-Klasse bis zur
Meisterklasse durchmachte. Seine Lehrer
waren vornehmlich die Professoren Carl
Andreas Müller, Carl Sohn, Dr. Bende-
mann und Wilhelm Sohn. Das erste
grössere Bild entstand im Jahre 1866:
ein „Beileidsbesuch“ (ältere Frau besucht
eine junge Wittwe, ihr Trost spendend),
welches der Hamburger Kunstverein an-
kaufte. Verschiedene Reisen durch Mittel- und Süddeutschland, Oesterreich
und Oberitalien waren auf die Entwicklung des Talentes von bedeutendem
Einfluss. Im Jahre 1871 stellte Beinke ein Bild „Friedensgebet“ aus, das
 
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