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MODERNE KUNST.
tember 1861 nach Kopenhagen. Akademie-Unterricht im eigentlichen Sinne
nahm er nicht; er begnügte sich mit einigen Lehrstunden in einem Privat-
institut und bei einzelnen Malern. Dann studirte er auf eigene Hand weiter
und beschäftigte sich vornehmlich mit Skizziren nach der Natur. Die
Gegenden am Sund und an der Ostküste Jütlands boten ihm interessante
Motive, welche er in gut bezahlten Bildern verwerthete. Im Jahre 1864
stellte er sein erstes Bild aus; 1870 war er durch seine erste Winterland-
schaft vertreten. Vier Jahre später hatte er schon einen bedeutenden Ruf
als Landschaftsmaler, und mit der Anerkennung war der materielle Erfolg
Hand in Hand gegangen. Aber das unablässige Ringen nach Vervoll-
kommnung hatte die Augen des Künstlers geschärft; er sah immer klarer
ein, dass ihm noch Manches zur völligen Ausbildung seines Talentes fehle.
Im Frühjahr 1876 verkaufte er sämmtliche Bilder und sein ganzes Eigen-
thum und begab sich mit seiner Familie nach dem Süden. Am Starn-
berger See verlebte er einen Sommer, dann reiste er durch Tirol nach
Norditalien, wo er in Genua und Florenz sich längere Zeit aufhielt. Dann
kehrte er nach München zurück, in welcher Stadt er bis jetzt seinen Wohn-
sitz aufgeschlagen hat. Seine Bilder vervollkommneten sich immer mehr;
in der Darstellung von Winterlandschaften hat er geradezu Vollendetes
geleistet. Eins seiner Gemälde befindet sich in der Galerie zu Christians-
borg, während die Mehrzahl seiner Arbeiten in Privatbesitz überging. Das
von uns wiedergegebene Bild: „Frisch gefallener Schnee“ zählt zu den
besten Schöpfungen Andersens. Die Wiedergabe der eigenthümlichen
Stimmung, welche das frische Weiss hervorruft, ist vorzüglich gelungen;
man fühlt beim Anschauen des Bildes die Schwere des Schnees auf den
Zweigen der Sträucher und Bäume, hat aber zugleich die Empfindung, dass
das Leichentuch, welches die Landschaft bedeckt, sich wieder auflösen wird.
Vortrefflich ist die Vermischung von Schnee und Wasser am Rande des
Baches; hier sieht man deutlich, dass der strenge Winter noch nicht seine
Herrschaft angetreten hat. Der frischgefallene Schnee wird vor dem Hauch
der Sonne dahinschmelzen; er zerrinnt wie die erste Liebe, das erste Herze-
leid. Gerade das Erfassen dieses flüchtigen Bildes ist eine schwierige Auf-
gabe, die der Künstler mit grosser Eleganz gelöst hat.
MODERNE KUNST.
tember 1861 nach Kopenhagen. Akademie-Unterricht im eigentlichen Sinne
nahm er nicht; er begnügte sich mit einigen Lehrstunden in einem Privat-
institut und bei einzelnen Malern. Dann studirte er auf eigene Hand weiter
und beschäftigte sich vornehmlich mit Skizziren nach der Natur. Die
Gegenden am Sund und an der Ostküste Jütlands boten ihm interessante
Motive, welche er in gut bezahlten Bildern verwerthete. Im Jahre 1864
stellte er sein erstes Bild aus; 1870 war er durch seine erste Winterland-
schaft vertreten. Vier Jahre später hatte er schon einen bedeutenden Ruf
als Landschaftsmaler, und mit der Anerkennung war der materielle Erfolg
Hand in Hand gegangen. Aber das unablässige Ringen nach Vervoll-
kommnung hatte die Augen des Künstlers geschärft; er sah immer klarer
ein, dass ihm noch Manches zur völligen Ausbildung seines Talentes fehle.
Im Frühjahr 1876 verkaufte er sämmtliche Bilder und sein ganzes Eigen-
thum und begab sich mit seiner Familie nach dem Süden. Am Starn-
berger See verlebte er einen Sommer, dann reiste er durch Tirol nach
Norditalien, wo er in Genua und Florenz sich längere Zeit aufhielt. Dann
kehrte er nach München zurück, in welcher Stadt er bis jetzt seinen Wohn-
sitz aufgeschlagen hat. Seine Bilder vervollkommneten sich immer mehr;
in der Darstellung von Winterlandschaften hat er geradezu Vollendetes
geleistet. Eins seiner Gemälde befindet sich in der Galerie zu Christians-
borg, während die Mehrzahl seiner Arbeiten in Privatbesitz überging. Das
von uns wiedergegebene Bild: „Frisch gefallener Schnee“ zählt zu den
besten Schöpfungen Andersens. Die Wiedergabe der eigenthümlichen
Stimmung, welche das frische Weiss hervorruft, ist vorzüglich gelungen;
man fühlt beim Anschauen des Bildes die Schwere des Schnees auf den
Zweigen der Sträucher und Bäume, hat aber zugleich die Empfindung, dass
das Leichentuch, welches die Landschaft bedeckt, sich wieder auflösen wird.
Vortrefflich ist die Vermischung von Schnee und Wasser am Rande des
Baches; hier sieht man deutlich, dass der strenge Winter noch nicht seine
Herrschaft angetreten hat. Der frischgefallene Schnee wird vor dem Hauch
der Sonne dahinschmelzen; er zerrinnt wie die erste Liebe, das erste Herze-
leid. Gerade das Erfassen dieses flüchtigen Bildes ist eine schwierige Auf-
gabe, die der Künstler mit grosser Eleganz gelöst hat.