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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Bilderklärungen
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Angela Max, Gabriel
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Rendez-Vous zur Parforcejagd Chelminski, Jan
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Orpheus und Eurydike Thiersch, Ludwig
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0024

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6

MODERNE KUNST.

des Künstlers, das Übersinnliche auch in Bilder modernen Inhalts hinein,
wie in dem „Geistergruss“ betitelten Gemälde, in welchem eine am
Klavier sitzende Frau in der Abenddämmerung von einer Geisterhand
berührt wird. Sind derartige Vorwürfe in der bildenden Kunst zum
mindesten sehr bedenklich, so muss als unbedingte Verirrung der „Vivi-
sektor“ bezeichnet werden, bei welchem das allegorische Element in
frostig - didaktischer Weise auftritt und augenfällig bewiesen wird, dass
auch ein grosses Talent die natürlichen Schranken seiner Kunst nicht
ungestraft überschreitet.
Je seltener Gabriel Max die Lichtseiten des menschlichen Daseins
ins Bereich seiner Darstellung zieht, um so erquickender berühren diese
Ausnahmen. Es lässt sich kaum etwas Reizvolleres denken, als jenes
„Fruhlingsmärchen“ in dem eine anmutige Landsmännin des Künstlers,
von Blütenpracht umgeben, ihren wonnigen Lebensmai träumt; auch eine
junge Römerin mit ihrem Kinde zeigt nicht nur im Vorwurf, sondern
auch im Kolorit eine heitere Stimmung, im Gegensatz zu den zarten,
gebrochenen Tönen der meisten anderen Bilder. In kompositioneller
Hinsicht nimmt der „Herbstreigen“ eine Einzelstellung insofern ein, als
der Maler hier gegen seine Gewohnheit, sich auf eine oder zwei Figuren
zu beschränken, eine gestaltenreiche Szene darbietet, die mit ihrem Goldton
und vorzüglich gelungenen Helldunkel an venezianische Kompositionen
erinnert.
Giebt der vorstehende Überblick, mit welchem die Wirksamkeit des
Künstlers keineswegs erschöpft ist, von einer ungewöhnlichen Produktivität
Zeugnis, so muss dieselbe um so mehr überraschen, wenn man erwägt,
dass Gabriel Max auf so wenig betretenen Bahnen wandelt, ja dass er,
dank seiner umfassenden Bildung, der Malerei ganz neue Gebiete er-
schlossen hat. Dass er bei seiner Neigung zur Reflexion zugleich eine
Fülle innigster Empfindung in seinen Werken niedergelegt hat, sichert
denselben einen bleibenden Ehrenplatz, und die formale Vollendung,
welche, wie auch das anmutige Mädchenbild in diesem Hefte bekundet,
seine Schöpfungen auszeichnet, giebt den schlagenden Beweis, dass man
auch bei reichen Ideen ein grosser Künstler sein kann, was heutzutage
seltsam genug von mehr als einer Seite bezweifelt wird.

X.
RENDEZ-VOUS ZUR PARFORCEJAGD
VON
JAN CHELM1NSKI.


Wie mehrere andere polnische Genre-
maler, unter denen wir nur Joseph Brandt
nebst seinen Schülern Kowalski, Falat
und den hochbegabten, frühverstorbenen
Gierymski nennen, hat auch Jan Chel-
minski in München seine Ausbildung und
seinen Wohnsitz gefunden. Als Sohn
eines altadligen höheren Forstbeamten
1851 zu Brzostow im russischen Polen
geboren, verlebte er seine Jugend in
Warschau, wo er das Gymnasium absol-
vierte, und zeigte schon als Knabe grosse
Liebe zur Kunst, in welcher ihm der

Pferdemaler Julius Kossak die ersten Grundlagen beibrachte. 1873 begab
er sich nach München und studierte vorübergehend an der dortigen
Akademie bei Alexander Wagner, um sich dann einige Jahre wie mehrere
seiner Landsleute bei dem berühmten Schlachtenmaler Franz Adam aus-

zubilden, dem er bis zu seinem Tode (1886) in enger Freundschaft ver-
bunden blieb. 1884 durch grössere Aufträge nach New-York gerufen,
bereiste er ganz Nordamerika und richtete seine Aufmerksamkeit auch
hier besonders auf das Studium der Pferde, das ihn von jeher in erster
Linie beschäftigt hatte. Wie heimisch er auf diesem Gebiete ist, zeigt
sich deutlich in dem von uns veröffentlichten Hauptwerk, das 1883 auf

der internationalen Kunstausstellung zu München nebst einem andern
Reiterbild und einem „Korso aus dem 18. Jahrhundert" zu sehen war.
Wie hier ist es fast durchgängig die Rokokozeit, die dem Künstler für
seine naturwahren Genrebilder; meist Jagd- nnd Soldatenstücke, den Stoff
bietet. Als die hervorragendsten derselben seien noch genannt eine
„Parforcejagd aus der Zeit Ludwigs XV.“ (1879), „Aufbruch zur Jagd“
(im Besitze des Herzogs von Koburg - Gotha) und „Herrschaften auf Reisen
zur Zeit Augusts III. von Sachsen“, denen sich viele andere Bilder ähn-
lichen Inhalts anreihen, sowie die Reiterportraits des Prinzen Arnulf und
der Prinzessin Therese von Bayern.

ORPHEUS UND EURYDIKE


LUDWIG TH1ERSCH.

hohes Lied der ehelichen Liebe und Treue kann man
die schöne Sage nennen, die uns aus dem griechischen
Altertum von Orpheus und Eurydike überliefert ist.
Nach kurzem glücklichen Bunde der jugendlichen Gattin
durch einen jähen Tod beraubt, lässt der thrakische
Sänger in ergreifenden Tönen seinen Schmerz um die
Hingeschiedene erklingen, sodass die Tiere der Wildnis,
ja Bäume und Felsen ihm voll Rührung lauschen, und
endlich fasst er sogar den Plan, in die Unterwelt hinab-
zusteigen und die Macht seiner Kunst an dem finstern
Herrscher der Toten zu erproben. Und es gelang ihm,
die Schatten des Hades zu Thränen zu rühren, die Ver-

dammten ihr Leid vergessen zu machen und selbst Pluton und Persephone
zum Mitleid zu bewegen, sodass sie, seine Bitten erhörend, Eurydike
gestatteten, mit dem Gatten zur Oberwelt zurückzukehren, doch nur unter
der Bedingung, dass Orpheus vor dem Ziele der Wanderung nicht nach
ihr umschaue. Schon war das neu vereinigte Paar dem Bereiche des
Himmelslichts nahe, als Orpheus, von unwiderstehlichem Verlangen und
banger Sorge um die Geliebte ergriffen, sich umwendet. Alsbald muss
Eurydike dem geleitenden Hermes von neuem zu den Stätten der Toten
folgen; vergebens eilt Orpheus ihr nach, kein Fahrzeug trägt ihn zum
zweitenmale über die stygischen Fluten. Nach sieben jammervollen Tagen
kehrt er zur Oberwelt zurück und irrt nun einsam umher, die thrakischen
Gebirge mit seinen Wehklagen erfüllend. Von Bacchantinnen bemerkt,
während er auf einem Hügel zur Leier singt, wird er aus Rache dafür,
dass er die Liebe aller anderen Frauen verschmäht, von den Wütenden
in Stücke zerrissen; das Haupt und die Leier des Sängers, die in die
Wogen des Hebrosflusses geworfen werden, gelangen über das Meer nach
Lesbos, wo dem Musensohne ein Heiligtum errichtet wird.
Schon die antike Kunst hat dem Orpheusmythus dankbare Motive
für Pinsel und Meissel entnommen. Am bekanntesten ist das herrliche
Relief der Villa Albani zu Rom, welches die Trennung der Liebenden
nach der kurzen Wiedervereinigung darstellt. Gelangt hier die schmerz-
liche Bewegung derselben in jener massvollen Weise zum Ausdruck, welche
die griechische Kunst der Blütezeit kennzeichnet, so hat der Münchener
Maler, der uns dieselbe Szene vorführt, allen Nachdruck auf den leiden-

schaftlichen Schmerz gelegt, der in den heftig bewegten Gestalten wieder-
klingt und durch die gleichmütige Haltung des Götterboten um so wirk-
samer zur Geltung kommt.
Die Liebe zum klassischen Altertum, die sich in diesem wie anderen

Gemälden des Künstlers bekundet, wurde demselben schon frühzeitig
durch seinen Vater, den berühmten Philologen Friedrich Thiersch, ein-
gepflanzt. Am 12. April 1825 zu München geboren, widmete er sich
zunächst unter Schwanthalers Leitung der Bildhauerkunst, wandte sich
aber nach einigen Jahren der Malerei zu, in der er sich bei Heinrich
Hess, Schnorr von Carolsfeld und Karl Schorn ausbildete. Nachdem
er mit zwei grösseren Kompositionen, darunter einer „Sakuntala“
 
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