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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Eisermann, Richard: Der Trompeter von Säkkingen
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Grützner, Eduard von: Ein Willkommener Gast
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0040

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MODERNE KUNST.

11

Ja fürwahr, der „Trompeter von Säkkingen“ ist das Buch der deutschen
Jugend, die da lustig ist und auf Liebe sinnt, das nie alternde Buch eines
echten Dichters, der im Herzen des Volkes seine schönste Ruhestätte
gefunden hat. Und zum Poeten hat sich der Maler gesellt, uns die
Züge des wackern Helden und der holden Jungfrau vorzuführen. Eine
der schönsten Scenen hat R. Eisermann in dem Bilde, das wir wiedergeben,
dargestellt. Jung Werner, der in den Dienst des alten Freiherrn eingetreten,
hat sich allmählich die Liebe des Schlossfräuleins erworben, ihre Seelen
verstehen sich, aber noch fehlt das bekräftigende Wort, das die Menschen
an einander bindet, unbekümmert um die Satzungen der Welt, die strengen
Anschauungen des adelsstolzen Vaters. Auf die in lieblicher Vertrautheit
in der Ritterburg verbrachten Stunden folgt der Kampf gegen die auf-
ständischen Bauern. Jung Werner wird verwundet, sein mannhaftes Ver-
halten hat jedoch vollends das Herz der Freiherrntochter gewonnen,
von inniger Theilnahme getrieben, eilt sie zu dem Verwundeten. . . .
Aber geben wir hier das Wort dem Dichter, dessen Verse besser als
die ungefüge Prosa das Erwachen der Liebe in dem Herzen der Jung-
frau ausdrücken:

„Leise in jung Werners Stube
Eintrat jetzo Margaretha,
Scheu neugierig schauend, ob der
Arzt ihr wahre Kunde gab.
Sanft entschlummert lag jung Werner,
Blass und jugendschön, gleich einem
Marmorbildniss. Wie im Traume
Hielt er ob der Stirn’ und ob der
Frischvernarbten Wund’ die Rechte,
So wie Einer, der das Aug’ vor
Blendend lichter Sonne deckt;
Um die Lippen spielt ein Lächeln.
Lange schaut ihn Margaretha —■
Lang und länger — also mocht’ einst
In der Ida Wäldern auf den
Süssen Schläfer, den Endymion,
Niederschau’n die Götterjungfrau.
Mitleid hielt ihr Aug’ gebannt,
Ach! und Mitleid ist ein fruchtbar
Erdreich für das Pflänzlein Liebe.
Sie entsprosst aus unsichtbarem
Saatkorn diesem weichen Boden
Und durchzieht ihn bald mit taufend
Feinen festen Wurzelfasern.
Dreimal hatte Margaretha
Schon den Schritt zur Thür gelenket
Dreimal kehrte sie zurück, und
Leise trat sie an sein Lager.
Auf dem Tischlein stand ein kühler
Heiltrank, standen Arzeneien:
Doch sie mischte nicht den kühlen
Heiltrank, nicht die Arzeneien.
Beugte scheu sich zu ihm nieder,
Scheu, —- sie wagte kaum zu athmen,
Dass kein Hauch den Schlumm’rer störe,
Schaute lang auf das geschlossene
Aue’, und unwillkürlich neigten
Sich die Lippen, — doch wer deutet
Mir das seltsam sonderbare
Spiel der ersten Liebesneigung?
Schier vermuthen darf der Sang, sie
Wollt’ ihn küssen: nein, sie that’s nicht.
Schreckte jäh zusammen, — seufzte, —
Schnell sich wendend, einem scheuen
Reh gleich, floh sie aus der Stube."

EIN WILLKOMM ENER GAST

VON

EDUARD GRUETZNER.

Eduard Grützner.


Schon einmal haben wir in der „Modernen
Kunst“ ein Gemälde von Eduard Grützner re-
producirt und dabei auf das eigenartige Gebiet
des trefflichen Künstlers hingewiesen. Die frohen
Zecher, der in stiller Beschaulichkeit Keller und
Küche probierende Klosterbruder, die Fusel
vertilgenden Helden der gemeinen Kneipe -
sie alle sind unter seiner Hand zu volksthüm-
lichen Gestalten geworden, deren man stets
gerne gedenkt; jedes neue Bild ruft frohe Er-
innerungen an ältere hervor, und vor allem: es
fesselt immer wieder unsere Aufmerksam-

keit, erregt unsere Bewunderung und erhöht
die Achtung vor dem grossen Können des Malers. Trotz des schein-
bar kleinen Gebietes verfügt Grützner über eine grosse Zahl eigen-
artiger Kombinationen; nie huldigt er der bequemen Methode mancher
Modemaler, ein und dasselbe Sujekt mit kleinen Veränderungen zu wieder-
holen, ein und dieselbe Gestalt in allen möglichen Posen vorzuführen. Bei
Grützner ist es eben nicht bloss das rein Aeusserliche, das effektvoll aus-
gearbeitete Motiv, was uns reizt, sondern die nie versagende Wirkung
seiner Bilder auf den Beschauer ist durch die charakteristische Wiedergabe
der Zustände und Stimmungen, der Haltung und Geberden begründet,
welche dem Menschen in diesem oder jenem Stadium des Zechens, der
Heiterkeit und auch der Selbstzufriedenheit, eigenthümlich sind. Seine
Figuren laden unwillkürlich zur Theilnahme an ihren Freuden ein, ihre
Stimmung ist so echt, ihr Humor so natürlich, ihre Charakteristik so scharf
und lebendig, dass sie uns nicht wie wesenlose Gestalten, sondern wie
Menschen von Fleisch und Blut erscheinen. Im Gegensatz zu den senti-
mentalen Sujets, die nach wie vor den Bildermarkt überschwemmen, zeigen
die Grützner’schen Bilder eine kraftvolle, energische Darstellungsweise, deren
Wirkung das frische Kolorit noch erhöht. Schon zu Anfang seiner
Thätigkeit, in den letzten sechziger Jahren, war er ein Meister in allem
Malerisch-Technischen, ein fertiger Künstler, der auf seinem Gebiete vor-
trefflich Bescheid wusste. Seine späteren Bilder haben seinen Ruf stetig
vergrössert und heute erfreut er sich nicht nur in seinem Vaterlande,
sondern in der ganzen Welt einer grossen Popularität; der beste Beweis
hierfür ist, dass die Shakespeare - Illustrationen des Künstlers, dessen
Falstaff-Bilder am meisten zur schnellen Begründung seiner Beliebtheit bei-
getragen haben, von dem englischen Verlagshause Cassel & Co. in London
bei ihrer neuen Shakespeare-Ausgabe verwendet werden, deren grossartige,
mustergültige Ausstattung durch den Preis von 70 Mark für jeden Band
hinlänglich gekennzeichnet ist.
Professor Ed. Grützner ift im Jahre 1 846 zu Gross-Karlowitz bei Neisse
in Schlesien geboren. Durch Verwendung des Ortspfarrers und mit Unter-
flützung eines in München lebenden schlesischen Baumeisters kam er 1864
nach der Isarstadt, wo er in die Vorschule der Akademie eintrat, nach
deren Absolvirung er ein paar Jahre bei Piloty studirte. Schon die ersten
Bilder fanden lebhaften Beifall, denen auch der pekuniäre Gewinn folgte,
so dass die durch das Studium entstandenen Schulden zurückgezahlt
werden konnten.
Von den ersten Werken des Künstlers sind sieben Deckengemälde
auf Leinwand zu erwähnen, welche die Künste allegorisirten. Die Genre-
gemälde „Falstaffs Rekrutenmusterung“ und die „Klosterbrauerei“ zeigten
denn die eigentliche Begabung Grützners. Den Falstaffstoff behandelte er
zu wiederholten Malen, besonders werthvoll sind die 1876 entstandenen
sieben Cartonbilder, welche sich im Museum zu Breslau befinden. Noch
manchen anderen Vorwurf bot Shakespeare seinem für die witzige und
realistisch heitere Art des grossen Briten angepassten Talente.
 
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