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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Feurstein, Heinrich: Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins des Jüngeren
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0029

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Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins d. J.
Wolfach entdeckt und der fürstlichen Gemäldegalerie zu Donaueschingen einverleibt wurde1, kamen
zwei weitere Bilder der ehemals St.-Blasianischen Gemäldegalerie als Leihgabe der katholischen Pfarr-
kirche Donaueschingen in die fürstliche Gemäldesammlung, die heute als Kopien nach verlorenen Ori-
ginalen Holbeins des Jüngeren einem größeren Kreise vorgestellt werden können.
Sie stammen von dem letzten Konventualen von St. Blasien, P. Josef Liber, zuletzt Pfarrer in
Murg bei Säckingen2, und gelangten über die mit dem Besitzer verwandte Familie Kaufmann Frei dahier
igog durch Kauf in das Eigentum der Pfarrkirche. Bei dem großen Brand von Donaueschingen am
5. August igo8 wurden die Bilder aus dem brennenden Hause Herdstraße, jetzt Friedrichstraße Nr. 2,
gerettet, wobei der Madonna durch Flugfeuer ein talergroßes Loch in der Brustgegend ausgebrannt
wurde3. Sie sind auf Leinwand gemalt, 137 X 71 cm groß und zeigen als Gegenstücke, in leichter
Drehung sich zugewandt, den Schmerzensmann und die Schmerzensmutter als Vollfiguren in einer schlichten
Architektur. Bei dem die Wundmale tragenden Christus hebt sich lebensfrisches, wundloses Inkarnat von
unbuntem, teilweise tiefdunklem Hintergründe wirksam ab. Das Inkarnat der Schmerzensmutter ist bleicher
und blässer als das ihres Gegenstückes. Sie trägt weißen Mantel mit oft tiefen Faltenschatten über wenig
sichtbarem tiefdunklem, blaugrünem Gewand, dazu rostbraune Schuhe4.
An dem ursprünglichen Standort ist nicht zu zweifeln, denn das geteilte Wappen am rechten
unteren Bildrand des Schmerzensmannes mit dem silbernen Karpfen in Blau oben und dem schwarzen
halben Mühlenrad unten, den flankierenden Anfangsbuchstaben »M A« und der Jahreszahl 1600 spricht
eindeutig für den Abt Martin I. Meister von St. Blasien, den Müllersohn von Fützen, der 1596 bis
1625 regierte5.
Im selben Jahre 1920 veröffentlichte P. Rudolf Henggeier, zweiter Archivar des Stiftes Einsiedeln,
eine Folge von 18 Bildern aus dem Leben Mariä, die heute im mittleren Konventgange des Klosters
Einsiedeln hängen, ursprünglich aber ebenfalls St. Blasien zugehörten6. Sie tragen dasselbe Wappen und
dieselbe Jahreszahl 1600, und P. Henggeier konnte durch Anfrage in dem Traditionskloster von St. Blasien,
St. Paul in Kärnten, feststellen, daß Hans Bock, Vater und Söhne, für den Abt tätig waren. »Weil dan
dieser Herr Prälath Martin I. ein sonder liebhaber des Gemahls gewesen, also hat er vill Vunderschid-
liche ahnsehnlicher Taflen von Einem Mahler zue Basel Mr. Johann bockher, und seinen Söhnen de
vita beat .... mae Mariae Virginis und anderen historien mahlen, hernacher dieselbe I: als sie von
1 Feurstein, Ein verschollener Altarflügel Grünewalds. Zeitschrift für bildende Kunst 1920, S. 129. — Derselbe
in Cicerone 1924, Heft 7. — Rieffel in Frankfurter Zeitung Nr. 641 vom 51. Aug. 1920.
2 P. Berthold Liber von Bonndorf, geb. 17. März 1781, Profeß 1802, Priester 1804, Pfarrer zu Menzenschwand
1808, zu Todtmoos 1820, zu Murg 1842, starb 8. Juni 1854. Er überlebte alle seine Konventualen. Siehe über ihn Freiburger
Diözesan-Archiv XII 241 und XVII 27.
3 Die Restaurierung besorgte 1912 Frederik Benz, die gründliche Reinigung und Auffrischung 1925 Kunstmaler
Karl Hornung in Bräunlingen.
4 Fürstlich Fürstenbergische Sammlungen zu Donaueschingen. Verzeichnis der Gemälde, 5. Ausgabe 1921 unter
Bock (Nr. 556 und 537).
5 Einer der tüchtigsten Äbte des Klosters, der 1609 die Reichsherrschaft Bonndorf an das Stift brachte. Siehe
über ihn Freiburger Diözesan-Archiv VIII 142 160.
6 Ein Gemäldezyklus von Hans Bock und seinen Söhnen aus Basel im Stifte Einsiedeln. Anzeiger für Schwei-
zerische Altertumskunde 1920, S. 117 ff.

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