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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Peters, Gerhard: Die Gemäldegalerie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0101

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Notizen: Die Gemäldegalerie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Bade

Die Gemäldegalerie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden.
Von Gerhard Peters.
J. G. Keyßler schreibt in seiner »Neuesten Reise durch Teutschland« (Hannover 1776) über einen
Besuch in Rastatt, der spätestens 1726 stattgefunden haben muß: »Auf dem Schlosse zu Rastatt waren
sonst viele kostbare Gemälde zu sehen, deren Anzahl aber sehr verringert worden durch den Eifer des
P. Meyer, der anfänglich viel bey der verwitweten Frau Markgräfinn von Baden zu sagen hatte, und erst
fiel, als das Ansehen des Cardinals S . . . überhand nahm. Dieser Pater gieng so weit, daß er für mehr
als fünfzig tausend Gulden Gemälde, die ihm zu nackend oder verführerisch erschienen, verbrennen ließ.«
Keyßlers Berichterstattungen gehören zu den glaubwürdigeren der Zeit, und wir dürfen aus der Ausführ-
lichkeit der Angaben, die er von Rastatt überhaupt macht, schließen, daß er tatsächlich am Ort gewesen
ist, Schloß und Stadt eingehend besichtigt hat und wahrscheinlich auch von der Markgräfin-Witwe Auguste
Sibylle empfangen worden ist. Im besonderen scheint der Bericht über die Gemäldegalerie mehr zu sein
als die Wiedergabe eines Geschwätzes, Keyßler scheint seine Kenntnisse von einer authentischen Persönlich-
keit der Hofgesellschaft zu haben. Denn wir wissen, daß jener Pater, der an anderer Stelle als Josef Mayr
wieder auftaucht, im Jahre 1725 tatsächlich durch den mit Auguste Sibylle eng befreundeten Speyerer
Kardinal Damian Hugo v. Schönborn, eben jenen von Keyßler diskret verschwiegenen »Cardinal S . . .«,
beseitigt worden ist. Unwahrscheinlich und zweifellos übertrieben ist dagegen die Angabe, daß es Objekte
im Werte von 50000 fl. gewesen seien, die der bilderwütige Pater Meyer damals dem Feuer überliefert
hat. Denn diese Summe, die mehr ausmacht als die Hälfte der Gesamtausgabe der fürstlichen Hofhaltung
im zweiten Jahr des Rastatter Schloßbaues (einschließlich Baugeldern, Gehältern usw.), war damals doch recht
beträchtlich, und es wird aus folgendem ersichtlich werden, welche Summen man tatsächlich um die
Wende des 18. Jahrhunderts für Bilderkäufe auswerfen mußte. Immerhin war es eine nicht unbedeutende
Sammlung, die Keyßler sah, und sie wird wahrscheinlich noch viel umfangreicher und wertvoller gewesen
sein vor dem unheilvollen Wirken des Paters Meyer.
Es handelt sich hier um die Gemäldesammlung des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, der
1697 in Rastatt seinen umfangreichen Schloßbau begann. Zur Ausschmückung des neuen Palastes, der
sich, als Jagdschloß gegründet, im Laufe der Jahre zu einer imposanten Residenz auswuchs, begann der
Markgraf frühzeitig mit der Sammlung von Kunstgegenständen. Ludwig Wilhelm war nach allem, was
wir von ihm wissen, weder ein ausgesprochener Kunstkenner noch ein Kunstliebhaber in dem Sinne, daß
es ihn unwiderstehlich getrieben hätte, sich mit den schönen Künsten zu befassen. Aber er war als kaiser-
licher Heerführer in der Welt herumgekommen und wußte, welches Quantum »Kunst« damals zu einem
standesgemäßen Fürstenleben gehörte. Als eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der europäischen
Fürstengeneration um 1700 verstand er es sehr bald, alle Mittel der fürstlichen Repräsentation heranzu-
ziehen, um seiner exponierten Stellung einen zeitgemäßen Hintergrund zu geben. So wurde er ein »Kunst-
freund« und unterhielt, wie es üblich war, Agenten, die in seinem Auftrage, aber vorerst auf ihre Kosten,
Bilder und Kunstgegenstände kauften. Diese wurden dem Markgrafen präsentiert, der dann das, was ihm
gefiel, erwarb — eine Methode also, die nicht nur im Barockzeitalter charakteristisch war für die fürst-
liche Kunstpflege. Es hing von der guten oder schlechten Beratung ab, die ein Fürst in diesen Dingen
hatte, ob er eine gute oder eine mäßige Sammlung bekam, außerdem von dem Geschick und dem Spürsinn
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