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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Homburger, Otto: Über eine "Krönung Mariä" Jörg Zürns und verwandte Werke
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0148

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Otto Homburger

Über eine „Krönung Mariä“ Jörg Zürns und verwandte Werke.

Von Otto Homburger.

Bei der Neueinrichtung des Badischen Landesmuseums ist es gelungen, eine Reihe von Werken
der Holzplastik -— meist kleineren Formats — zusammenzustellen, die sämtlich den ersten Jahrzehnten des
17. Jahrhunderts entstammen und geeignet sind, einzuführen in einen der entwicklungsgeschichtlich be-
deutsamsten Abschnitte schwäbisch-oberrheinischen Kunstschaffens wir meinen jene Periode des Überganges,
während deren kurzem Ablauf die ersten Knospen an dem späterhin so üppig blühenden Baum süddeut-
schen Barocks, zunächst kaum erkennbar, zu plötzlicher Entfaltung drängen. In einem Beitrag zur »Gold-
schmidt-Festschrift«1 2 hat Verfasser unlängst eine Kreuzigungsgruppe aus der Werkstatt der Zürn in Über-
lingen besprochen und dabei versucht, zu zeigen, wie gleichsam ein Wiederaufleben der scheinbar längst
abgestorbenen Gotik in den katholischen Gegenden Schwabens und im südlichen Bayern vor sich gegangen
ist und wie an Arbeiten von Künstlern, die aus ländlichen Bezirken stammen, aber augenscheinlich starke
Eindrücke von den überragenden Bronzeskulpturen der Augsburger Spätrenaissance empfangen haben, der
neue, von volkstümlichen Elementen durchsetzte Stil erstmals in Erscheinung tritt3. Eine Tafel ähnlicher
Richtung, nach Viktor Mezgers ansprechender Vermutung der skizzenhafte Entwurf für ein in größeren
Maßen auszuführendes Original, wurde 1918 vom Badischen Landesmuseum erworben4 5; dargestellt ist
der in jener Zeit populäre und oft wiederholte Vorwurf der Krönung Mariä durch die Trinität (Abb. i)°.
1 Es seien angeführt (außer den im Text zu besprechenden Werken):
a) Kreuiigungsgruppe, Lindenholz, Inv. V. 3344. Siehe Festschrift für Adolph Goldschmidt (Leipzig 1923)
S. 91 ff., Taf. 21.
b) Segnender Christusknabe, in der Linken die Weltkugel haltend. Inv. V. 2391. Lindenholz, Höhe 50 cm,
engverwandt den Engelfigürchen auf dem 1607—1610 von Jörg Zürn verfertigten Betzaltar (vgl. S. 158).
c) Brustbild eines segnenden Gottvaters mit Weltkugel, aus Wolken auftauchend. Inv. C. 10884. Höhe 52,5 cm,
Breite 42 cm. Reliefhöhe 20 cm. Lindenholz. Erworben 1920, stammt angeblich aus Hagnau, Amt Überlingen.
Von dem oberen Teil eines Altars; vgl. den ehemaligen Hochaltar zu Orsingen, Amt Stockach (Teile in der neuen
Kirche und auf dem Rathausspeicher).
d) Holzfiguren: Sebastian und Rochus (C. 8995/6), Höhe 110 und 116 cm. Erworben 1902, aus der Pfarrkirche
Hagnau, Amt Überlingen, gehörten wahrscheinlich zu dem gleichen Altar wie c; manierierte schwache Arbeiten aus
der Zürnschen Werkstatt.
e) Medaillon von einem Rosenkranzaltar; 30 X 32 cm, Christi Himmelfahrt darstellend, war bis 1925 aus der
Sammlung Trübner dem Landesmuseum leihweise zur Verfügung gestellt. Vgl. die Rosenkranzaltäre zu Überlingen
(Münster), s. S. 140, Radolfzell (Münster), Pfullendorf (nur noch in Bruchstücken vorhanden), Owingen, Amt Über-
lingen, und zwei Medaillons von einem solchen Altar in Stein a. Rh., Kloster, Sammlung Vetter.
2 Siehe Anm. 1 a.
3 In Ergänzung der in angeführtem Aufsatz zitierten Literatur sei genannt: Karl Feuchtmayr, Christoph Rodt
in »Das Schwäbische Museum« 1925, S. 3 ff.
4 Inv. C. 10827. — Maße: Höhe 27,8, Breite 23,5, Reliefhöhe 4 cm, Plattendicke 0,7—3,5 cm, Lindenholz. Auf
der Kugel die Inschrift G. 1622 Z. Unter der Kugel von der gleichen Hand die Buchstaben: M K I 00 R.
5 Die Darstellung der Krönung Mariä in der Fassung, wie sie in den beiden hier zu besprechenden Reliefs in
Karlsruhe (Abb. 1 und 3) und auf der Mitteltafel des Betzaltars in Überlingen begegnet (Abb. 2), scheint ebenso wie das
1587 datierte Epitaph Schrenck-Notzing im Bayrischen Nationalmuseum (Phot. Riehn & Tietze M 58) auf eine gra-
phische Vorlage zurückzugehen, die irgendwie die Tradition des beginnenden 16. Jahrh. lebendig erhält, bzw. weiterführt.
Es ist interessant, in diesem Zusammenhang hinzuweisen auf eine andere, in den Motiven, der Auffassung und den Ab-
stufungen des Temperaments verwandte Gruppe von Variationen des gleichen Themas, die sich zusammensetzt aus dem
Hauptblatt von Dürers Hellerschem Altar (1509), Dürers Holzschnitt B 94 (1510), den Mittelszenen der Schnitzaltäre zu
Breisach und Niederrotweil und dem Mittelstück vom Freiburger Hochaltar des Hans Baldung (1512—1516). Vorstufen

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