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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Sommer, Clemens: Madonnenfiguren vom Oberrhein
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Feurstein, Heinrich: Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins des Jüngeren
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0028

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Clemens Sommer / Heinrich Feurstein
strenggeschlossenen Kontors zu dem reich gegliederten Innenaufbau, das Herauswachsen des zarten, fein-
gliedrigen Oberkörpers aus der schweren, stark bewegten Masse des Mantels, dessen Schlingen und tief
unterschnittene Faltenzüge ihn umschließen, wie die Kelchblätter eine Blume, sind völlig mißverstanden.
Der Kontur ist zerrissen, das Gewand scheint aus geschlagenem Blech, der ganze Aufbau plump und
gedrückt. Die wenigen Änderungen, die der Verfertiger sich gegenüber der Vorlage erlaubt hat, zeigen
am klarsten seine Unfähigkeit. Wie geistreich ist bei der Isenheimer Madonna der dreieckige Halsausschnitt
benutzt, um das Motiv der nach oben spitz zusammenlaufenden Faltenzüge des Mantels aufzunehmen und
ausklingen zu lassen. Der Kopist hat statt dessen den für seine Zeit modischeren runden Ausschnitt angebracht
mit dem gefältelten Mantel, den er wohl von der andern Jechtinger Figur übernahm. Aus dem schlanken
Aufwärtsstreben ist dadurch ein plumpes Niederdrücken geworden. Das Kopftuch, das den ruhigen Abschluß
nach oben bildete, ist in sinnloser Weise hinter den Kopf geglitten und hat einer zackigen Krone Platz
machen müssen. Und so fort! Das ganze Stück wäre, wie schon gesagt, nicht der Beachtung wert, wenn
es nicht einen gewissen Reiz hätte, zu vergleichen, wie anders sich der charaktervolle Meister der ersten
Jechtinger Figur dem gleichen Vorbild gegenüber verhalten hat. Er hat es verstanden, dessen Züge fast
restlos in seine eigene Sprache umzusetzen, das Streben der neuen Zeit nach ruhigem, sicherem Aufbau,
abgesehen von den Unklarheiten der Faltenbehandlung, deutlich zum Ausdruck gebracht. Daß dabei das
Temperamentvolle, Geistreich-Pointierte des Vorbildes, dessen »weltmännische« Haltung verloren ging, um
einer gewissen provinziell-bürgerlichen Behäbigkeit Platz zu machen, wird man kaum bedauern, da anderer-
seits der seelische Gehalt der Gruppe ungleich an Tiefe gewonnen hat.
Für die Geschichte der Spätgotik am Oberrhein scheint mir die Kenntnis der Jechtinger Figur
und ihrer Abhängigkeit von der Spetzschen Madonna eine gewisse Bedeutung zu haben. Ist sie doch
wiederum ein Beweis dafür, daß neben den Tendenzen des sogenannten »spätgotischen Barock«, die dank
der alles überschattenden Meisterschaft des Breisacher H, L. die Plastik dieser Zeit auf dem rechten Rheinufer
zu beherrschen scheinen, und dem Eklektizismus, der die späte elsässische Kunst im allgemeinen charakterisiert,
auch einige selbständige Künstler am Werke sind, dem Geiste der Renaissance Eingang zu verschaffen.
Der Künstler der Jechtinger Figur erweist sich hier als verwandt mit dem Freiburger Meister Sixt von
Staufen, dessen eindeutige Entwicklung in dieser Richtung ja gerade eben durch die urkundlich gesicherte
Zuweisung der Kaiserfiguren des Freiburger Kaufhauses neues Licht erhalten hat *.

Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins

des Jüngeren.

Von Heinrich Feurstein.

Auch Bilder haben ihre Schicksale. Im Jahre 1920, zur selben Zeit, als die Magdalenenklage
Grünewalds, Kopie nach einem verschollenen Original und durch das Wappen in der rechten oberen
Ecke als ehemaliger Besitz des Klosters St. Blasien ausgewiesen, in der fürstlichen Schloßkapelle zu

1 Vgl. den Artikel von Stadtarchivar Dr. Fr. Hefele in Nr. 100 der Freiburger Zeitung vom 12. April 1925. —
Danach sind dem Bildschnitzer Sixt von Staufen im Jahre 1550 für die »4 steinen bilden« am Kaufhaus nach und nach
54 Gulden ausgezahlt worden.

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