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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Goldschmidt, Adolph: Ein Minnekästchen des 13. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0115

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Ein Minnekästchen des 13. Jahrhunderts.
Von Adolph Goldschmidt.
Im Augustinermuseum in Freiburg ist zur Zeit ein Kasten aus Privatbesitz deponiert, der seiner
Eigenart wegen eine nähere Betrachtung verdient, obgleich seine künstlerische Qualität nur einen ver-
hältnismäßig geringen Grad erreicht. Es ist ein Holzkasten von 53 cm Länge, 9,3 cm Breite und 13 cm
Höhe, der an den Seiten wie auf dem flachen Deckel mit geschnitzten Knochenplatten belegt ist, die
profane Historien darstellen, wie sie die literarische Phantasie des 13. Jahrhunderts erfüllten, ohne daß
man doch imstande ist, sie ganz genau mit einer literarischen Überlieferung in Parallele zu setzen.
Bevor man aber überhaupt auf eine Deutung näher eingeht, muß man sich Rechenschaft darüber
geben, wie weit der jetzige Zustand dem ursprünglichen entspricht. Eine Untersuchung ergibt, daß der
Holzkasten selbst erneuert ist, daß dementsprechend aber auch die schmalen Knochenplatten, aus denen
die Szenen zusammengesetzt sind, von neuem aufgeheftet werden mußten, wobei Umstellungen und Ver-
tauschungen einzelner Teile nicht ausgeschlossen sind. Die Innenseiten wurden damals mit orange-
farbenem Papier beklebt und der Deckel mit einem hohen Rand von einer aus Gips gebildeten und
vergoldeten dicken Girlande von lorbeerartigen Blättern und kleinen Blüten umgeben. Ein derartig breiter
Rand muß dort allerdings immer vorhanden gewesen sein, da die Reliefs allein die Fläche nicht ausfüllen,
im übrigen aber scheint die ursprüngliche Montierung des Kastens anders gewiesen zu sein, denn man
sieht an vielen Randstellen der Reliefs, daß dort eine Fassung übergegriffen hat bis zur scharfen Ab-
grenzungslinie der Darstellungen, die dadurch fast beschnitten erscheinen, wie etwa bei den drei Köpfen
über dem Bärenkampf, der Burgszene auf der gegenüberliegenden Seite, der Musikszene und den orna-
mentalen Stücken des Deckels. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daß die Reliefstreifen nach unten so
abschlußlos ausgelaufen sind wie jetzt. Von einer Bemalung, wie sie gewiß die ganzen Reliefs bedeckte,
sind nur noch Reste erhalten, nämlich das Dunkelgrün auf den Baumkronen, das Blau in den Vertiefungen
der Kettenpanzer und rote und grüne Überbleibsel in den Schilden. Ob dies aber noch Teile der ur-
sprünglichen Bemalung sind, wird man schwer mit Sicherheit entscheiden können. Die jetzige Umrah-
mung des Deckels macht den Eindruck eines Erzeugnisses der Empirezeit. Man wird wohl richtig tun,
sie für ein Werk um 1800 anzusehen und damit auch die ganze Restaurierung und die Anbringung der
gedrechselten Füße in diese Zeit zu verlegen. Dabei sind auch Vorder- und Rückseite vertauscht, denn
das ursprüngliche Schlüsselloch auf der Begegnung unter dem Baum wurde durch ein schraffiertes Knochen-
stück ausgefüllt und dafür ein neues auf der Begegnungsszene der anderen Seite eingeschnitten. Derselbe
Restaurator, der diese Veränderung vornahm, hat aber auch drei der schmalen Knochenplatten eigenhändig
hinzugearbeitet, vermutlich weil die alten verloren gegangen oder zerbrochen waren. Sie sind den alten in
allen Einzelheiten, besonders auch in den Kopftypen genau nachgeahmt, aber bei genauerer Betrachtung
erkennt man doch den abweichenden Schnitt und die größere Ausgeglichenheit gegenüber der unregel-
mäßigeren Behandlung der alten Teile. Auch unterscheiden sich die neuen Streifen durch einen helleren
Ton des Materials. Es gehört dazu zunächst das Stück mit dem fuchsähnlichen Tier an einem Baumstamm.
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