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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Die Neuerwerbungen der Mannheimer Kunsthalle
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Koegler, Hans: Die Überlieferung vom Namen des Hans Weiditz
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0090

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G. F. Hartlaub / Hans Koegler

von einer meisterlich, ja altmeisterlich anmutenden Klarheit und Gegenständlichkeit. Eine kalte, unerbitt-
liche Feststellung und doch ein fast rührendes menschliches Dokument. Neben George Grosz darf auch
die zweite große Begabung unter den deutschen Nachimpressionisten nicht fehlen: Otto Dix. Der
»Arbeiterknabe«, ein soziales Dokument proletarischer Jugend von heute. Die »Witwe« (1924): auch
sie in der grausamen Schärfe der Zeichnung, in der kalten Enthüllung menschlichen Elends und Verfalls,
ein veristisches Kunstwerk, das aber doch in seltsamer Weise den verdrängten »Romantiker«, den Dichter
in Otto Dix ahnen läßt. Gegenüber diesen aufwühlenden, ja in ihrer Mitleidslosigkeit erbitterten Zeug-
nissen einer Nachkriegszeitstimmung, die als solche wohl rasch vorübergehen wird, wirkt die neuerworbene
Grötzinger Landschaft des badischen Malers Georg Scholz (1925), der ja ebenfalls von dem politisch
und sozial gefärbten Verismus ausgegangen war, schon sehr beruhigt und rein. Das mit höchst bewußtem
Kunstsinn durchdachte und auch handwerklich äußerst gediegene Werk läßt uns ahnen, daß wir vielleicht
einem recht eigentlich deutsch gefärbten, im tiefsten Grunde religiösen Erfassen der Wirklichkeit, einem
nicht mehr expressionistisch verzückten, sondern eher mystisch beschaulichen Realismus entgegengehen.
Dieser Realismus wird sich freilich bei seinem gleichsam technisch exakten, auf Klärung ausgehenden Auf-
bau des Seins in die uns umgebende technisch-industrielle Welt einfügen, ohne aber doch in der Enge eines
mechanistischen Weltbildes zu ersticken. Auch der Weg, den Alexander Kanoldt neuerdings in seinen
Bildern zu ruhig klarer, exakter und doch seelenvoller Gegenständlichkeit gefunden hat, mag in ähnliche
Richtung weisen. Mit dem Hinweis auf das von ihm erworbene »Stilleben« soll diese Übersicht neuer
Sammeltätigkeit in der Mannheimer Kunsthalle beschlossen sein.

Die Überlieferung vom Namen des Hans Weiditz.
Von Hans Koegler, Basel.
Es handeln die folgenden Zeilen durchaus nicht von neuen Urkunden zur Familie Weiditz, es
handelt sich überhaupt um nichts Neues, das die Eingeweihten nicht schon wüßten. Es schien mir nur
angezeigt, gegenüber einem unlängst erfolgten Versuch, der eine klare Sache verwirren will, dies den
Eingeweihten Bekannte etwas allgemeiner in Erinnerung zu bringen. Damit will ich einen kleinen
Spaziergang durch die ältere Literatur verbinden und etwas zusammenstellen, was vom Namen und Werk
des Hans Weiditz, des köstlichen deutschen Holzschnittzeichners und volkstümlichen Bilderzählers, bekannt
und überliefert ist.
Aus dem Kreise einer kunsthistorischen Schule, deren Stärke auf anderen Gebieten als gerade
r
dem der Kennerschaft liegt, ist der hyperkritische Versuch unternommen worden, die von Heinrich
Röttinger gefundene und 1904 veröffentlichte Identität des mit den Initialen H. W. signierenden Augs-
burger Illustrators, den man bis 1904 den Petrarcameister nannte, mit dem in Straßburg nachweisbaren
Holzschnittzeichner Hans Weiditz, wieder umzustoßen. Dieser in einer ungedruckten Münchner Dissertation
von Th. Musper1 1922 unternommene Versuch »Beitrag zur Forschung über H. W., den Petrarcameister«,
1 Im Nachwort zu dem Neudruck von »Ain Hipsche Tragedia . . . von Calixtus und Melibia« bei B. Filser in
Augsburg wagt es Musper, die Identifizierung des H. W. Petrarcameisters, die man versucht habe, als »nicht geglückt« zu
bezeichnen. Kein Wort der Begründung als der Verweis auf sein fragwürdiges Münchner Manuskript.

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