Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

DOI Artikel:
Goldschmidt, Adolph: Ein Minnekästchen des 13. Jahrhunderts
DOI Artikel:
Busch, Rudolf: Das Heilige Grab zu Konstanz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0118

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Adolph Goldschmidt / Rudolf Busch

Formen noch den Eindruck der Unkenntnis des ausgebildeten gotischen Stiles. Sowohl die Architektur wie
auch die Figuren haben noch romanischen Charakter, wenn sich auch kleine Züge einmischen, wie die
Stellung Lanzelots in der Liebesszene, die leise auf die Gotik hinweisen. Und dies bestätigen die Trachten,
die langen Hängeärmel der Frauen, die glatten Haare 'der Männer, die Art der Ausrüstung mit Ketten-
panzer und Haube, mit hohem spitzen Schild, so daß man in der Datierung des Kästchens wohl nicht
über das Ende des 13. Jahrhunderts hinabgehen kann. Damit aber rückt es in der Reihe der mittel-
alterlichen Minnekästen an eine sehr frühe Stelle, denn die Gattungen, an die man zunächst denken
muß, die französischen Elfenbeinkästen, sind schon in ihren ersten Beispielen im ausgebildeten gotischen
Stil gearbeitet, und die italienischen Kästen der Embriachi in Venedig beginnen frühestens am Ende des
14. Jahrhunderts. Außerdem unterscheiden sich die französischen Kästen dadurch von dem hier behan-
delten, daß sie in größeren zusammenhängenden Elfenbeinplatten gearbeitet sind, und die italienischen,
die zwar auch aus einzelnen schmalen Knochen- oder Elfenbeinstreifen zusammengesetzt sind, dadurch,
daß die plastische Arbeit nicht über die Fugen hinübergreift, sondern die Figuren sich stets auf einen
Streifen beschränken und daher alle einzeln für sich gearbeitet und dann erst zusammengefügt sein können.
So kann man den Kasten also weder als ein frühes Beispiel der französischen noch der italienischen an-
sehen, und es ergibt sich die Frage, ob er nicht deutschen Ursprungs ist.
Der Eindruck ist nicht der, daß er einem aristokratischen Kreise entstammt. Während in den
Romanen die Ritter meist zu Pferde erscheinen und in prächtiger Ausrüstung ihre Heldentaten vollenden,
macht hier alles einen kleinbürgerlichen Eindruck. Vornehm gekleidete Männer treten außer den Liebes-
szenen und dem Königsbilde nirgends auf, so daß man den Eindruck erhält, daß die Vorgänge schon in
eine etwas niedrigere Gesellschaftsklasse getragen sind, ähnlich wie dies auch in deutschen Handschriften
des 14. Jahrhunderts der Fall ist. Die Männer sind fast stets nur mit einem kurzen gegürteten Rock
bekleidet, und galante Abenteuer oder ritterliche Zweikämpfe fehlen bis auf die Mittelszene vollständig.
Es scheint mir daher am nächsten zu liegen, in dem Kasten eine süddeutsche Arbeit vom Ende des
13. Jahrhunderts zu sehen, zu der vielleicht sich Parallelen finden werden, die eine genauere Bestimmung
ermöglichen.
Das Heilige Grab zu Konstanz.
Von Rudolf Busch.
In der Mauritiuskapelle am Kreuzgang des Konstanzer Münsters erkennt man in einem kleinen
frühgotischen Polygonalbau, der innen und außen reich mit Figuren geschmückt ist, ein Heiliges Grab
jenes Typs, der die seltenere Form der Fassung darstellt: die Wiederholung des Grabes Christi und seiner
Umgebung als Kapellenbau h Das Thema des figuralen Schmuckes gibt die ikonographische Überlieferung
in besonderer Vollständigkeit kund1 2.
1 Mit dem Heiligen Grab haben sich von älteren Autoren bereits befaßt: Tobler, Schriften des Vereins für Ge-
schichte des Bodensees 1872, III, 124 f.; Waagen in Schorns Kunstbl. 1848, Nr. 62; Schnaase, Gesch. d. deutschen Kunst V, 590;
Schwarz, Kirchenschmuck 1860. — Erwähnt ist das Denkmal, und auch meist abgebildet, in fast allen Handbüchern
der Kunst, wie bei Otte, Kraus, Dehio. Eine besondere Beschreibung mit Abbildungen widmet ihm Gottfried Kinkel in
bezug auf seine kulturgeschictliche Stellung, ebenso Konrad Beyerle (s. Lit. Nachw.). Die Werke von Hefner-Alteneck und

1 06
 
Annotationen