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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Homburger, Otto: Eine lothringische Kunstschule um die Wende des XII. Jahrhunderts
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Sommer, Clemens: Madonnenfiguren vom Oberrhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0025

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Clemens Sommer: Madonnenfiguren vom Oberrhein

sich jedenfalls gemeinsam mit Werken der gründlicher durchforschten Goldschmiedekünst zu einem Kunst-
kreis zusammen; diese wieder zu teilen in fester geschlossene und lokal begrenzte Gruppen wird hoffentlich
fortschreitenden Untersuchungen gelingen.
Entwicklungsgeschichtlich betrachtet besteht die Bedeutung der besprochenen Werke darin, daß
hier eine Bewegung veranschaulicht wird, die, etwa den ersten Anfängen der gotischen Plastik in Frank-
reich parallellaufend, von der flächengliedernden und abgrenzenden abstrakten Kunst des romanischen
Stils überleitet zu den völlig andersartigen Leistungen einer neuen Periode. Und wieder ist es äußerst
fesselnd zu beobachten, wie stark eine erneute -— in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts — ein-
setzende Rezeption des Byzantinischen, die ihr Augenmerk weniger auf das Koloristische, als vielmehr auf
lineare und überhaupt formale Eigenarten der immer wieder Anregungen spendenden östlichen Kunst
gerichtet hat, mitwirkt bei dem Erstarken des Gefühls für das Organische, für die Schwere des Körpers,
für die Scheidung der fließenden Stoffe und der von ihnen bedeckten Glieder. Während in Frankreich
und England die Entwicklungslinie von den der entsprechenden Stufe angehörenden Werken der Malerei
allmählich überleitet in die Sphäre des gotischen Stils, wird im westlichen Deutschland eine steile Höhe
erklommen, von der aus keine Brücke weiterführt zum Kunstschaffen der folgenden Zeit. Werke, wie
die Querschiffsskulpturen am Straßburger Münster, die Trierer Goldschmiedearbeiten und der Kölner Drei-
königenschrein bezeichnen Endpunkte. Es ist die nämliche Erscheinung, die wir in der Geschichte der Archi-
tektur beobachten, wo der Baum der romanischen Kunst, der eben noch seine reifsten und üppigsten Blüten
gezeitigt hat, schnell abstirbt, um einem andersartigen — importierten — Gewächs den Platz zu räumen.
Madonnenfiguren vom Oberrhein.
Von Clemens Sommer.
Auf der Ausstellung »Mittelalterliche Kunst des Oberrheins« im Augustinermuseum zu Freiburg
im Herbst 1924 befanden sich unter dem reichen, aus allen Kirchen des Oberlandes zusammengebrachten
Material auch zwei bisher unbeachtet gebliebene Madonnenfiguren des beginnenden 16. Jahrhunderts. Sie
stammten aus der Kirche des Dorfes Jechtingen am Nordende des gerade an Bildwerken der Spätgotik so reichen
Kaiserstuhlgebietes. Da beide heute nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platze stehen, — die eine fand
sich auf dem Kirchenspeicher, die andere in einer Nische an der Außenseite des Chores, ■— läßt sich nicht
feststellen, ob sie von Anfang für die Kirche dieses kleinen Ortes bestimmt waren oder erst im Laufe der
Jahrhunderte dorthin verschlagen wurden.
Auf den ersten Blick verraten nun diese beiden Figuren eine starkeVerwandtschaft, aber ebenso eine
nicht minder starke Verschiedenheit der Qualität. Die eine (Abb. 1)* 1, die sich am Außenchor der Kirche
befand, hat durch diesen Standort, der sie allen Unbilden der Witterung preisgab, leider bedeutende Schä-
Hortus Deliciarum!). — Als Beispiel oberrheinischer (?) Malerei um 1150 die Bibel aus St. Maria zu Worms. London,
Harley, Ms. 2805/4 Abb. Warner, Illuminated Manuscripts 1899—1905, Taf. 16. (Photographien verdanke ich J. A. Her-
bert). — Als Beispiele kölnischer Buchmalerei die oben S. 10 und Anm. 3 erwähnte Kreuzzugschronik des Albert
von Aachen und die »Deutzer Chronik« Sigmaringen, Fiirstl. Bibi. Hs. No. 7. Verzeichnis von Lehner 1872, S. 5—7,
ebd. Literaturangaben; ferner die mittelrheinische Bibel aus Arnstein bei Koblenz, Ende 12. Jahrhunderts. London, Harley,
-M.S. 2798/9 Abb. G. F. Warner a. a. O. Taf. 18.
1 Katalog Nr. 128. — Höhe 154 cm.

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