Notizen: Marie Ellenrieder in Rom
hinabzwängt, um über ihm den Deckel zuzuklappen und zu verschließen. Der Schlüssel hat in seinem
Bart ein Kreuz und an seinem Ring hängt ein Bund kleinerer Schlüssel.
* *
*
Wir sehen, der Schlüssel gehört, sofern er nicht St. Petri Attribut ist, in den Kreis der Er-
lösungssymbolik. Eine Frage : Wo war der Schlüssel vor der göttlichen Menschwerdung? Er kann sich
nur in der Trinität befunden haben/ Vor der Einsetzung der Kirche war die Schlüsselgewalt bei Gott.
Unseres Wissens hat nur ein einziger Künstler dieses Motiv behandelt: Konrad Witz.
Auf dem »Ratschluß der Erlösung« sehen wir auf dem Himmelsthron die Dreieinigkeit. Der
Vater sitzt und wendet sich zu dem neben ihm stehenden Sohn. Darüber schwebt die Taube. Den
Raum zwischen den drei Personen füllen drei Gegenstände aus: das auf dem Sitz lehnende, aufgeblätterte
Buch, das davorliegende Lamm, der schräg darüber schwebende Schlüssel. Die drei sind in einem Drei-
eck komponiert, dessen drei Winkel der Kopf des Schlüssels, Bart des Schlüssels und Kopf des Lammes,
dessen Schenkel der Schlüsselschaft und die mittelste Längslinie des offenen Buches bilden. Die Attribute
der drei göttlichen Personen. Gewöhnlich sind diese: Zepter, Lamm, Buch. Witz konnte sich hier also
nur aus besondern Gründen Abweichung vom Usus gestattet haben.
Das Zepter erschien ihm für den Ratschluß unwichtig. Er läßt Gottvater mit der Rechten dem
Sohn den erbetenen Segen geben, während die Linke — feinsinnige Verdeutlichung des göttlichen Rat-
schlusses! — im Buch der Weisheit blättert. Die Hände sind somit nicht mehr frei für ein Attribut.
Gottvater erhält aber ein solches in dem schwebenden Schlüssel.
Auf der untersten Stufe des Throns, einem Ansatz von späterer Hand, der bei der letzten Restau-
ration abgescbnitten wurde, stand die Inschrift: pater coeli. Eine ähnliche wird sich auch ursprünglich
auf dem Bild befunden haben. Hiezu ist die päpstliche Tracht Gottvaters zu beachten. Das erste Prinzip
der Gottheit erscheint als der heilige Vater des Himmels und somit als der Schlüsselgewaltige.
Übrigens hat Witz witzig Gelegenheit genommen, das hier fehlende Zepter doch noch auf dem
Altar unterzubringen, und zwar zweimal, im »Antipater« und »Ahasver«, den beiden Szenen, die sich
prototypisch dem Mittelstück angliedern. Beide Male ist das Zepter, bei Cäsar wie Ahasver, in Gegen-
bewegung zu dem Schlüssel gebracht, ebenso wie die sich neigende Esther das Bew’egungsmotiv des Er-
lösers wiederholt.
Der Schlüssel senkt sich auf des Vaters Brust. In seinem Bart zeigt sich ein Kreuz. Der Schlüssel,
das heißt das Kreuz, öffnet des Vaters Herz, macht es willig, die Erlösung der Menschheit gutzuheißen.
Das Bild ist somit ein Schlüsselbild. Es enthält den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Altarwerks.
Marie Ellenrieder in Rom.
Ein Brief an den Bistumsverweser Frhr. von Wessenberg.
Mitgeteilt von Karl Obser.
Man weiß, daß der Konstanzer Bistumsverweser Freiherr Ignaz von Wessenberg zu den ersten
zählte, die die künstlerische Begabung der jungen Marie Ellenrieder erkannten und sich schirmend und
fördernd ihrer annahmen. Er hat ihr 1815 die Wege zur Münchner Akademie geebnet. Mit seinen
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hinabzwängt, um über ihm den Deckel zuzuklappen und zu verschließen. Der Schlüssel hat in seinem
Bart ein Kreuz und an seinem Ring hängt ein Bund kleinerer Schlüssel.
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Wir sehen, der Schlüssel gehört, sofern er nicht St. Petri Attribut ist, in den Kreis der Er-
lösungssymbolik. Eine Frage : Wo war der Schlüssel vor der göttlichen Menschwerdung? Er kann sich
nur in der Trinität befunden haben/ Vor der Einsetzung der Kirche war die Schlüsselgewalt bei Gott.
Unseres Wissens hat nur ein einziger Künstler dieses Motiv behandelt: Konrad Witz.
Auf dem »Ratschluß der Erlösung« sehen wir auf dem Himmelsthron die Dreieinigkeit. Der
Vater sitzt und wendet sich zu dem neben ihm stehenden Sohn. Darüber schwebt die Taube. Den
Raum zwischen den drei Personen füllen drei Gegenstände aus: das auf dem Sitz lehnende, aufgeblätterte
Buch, das davorliegende Lamm, der schräg darüber schwebende Schlüssel. Die drei sind in einem Drei-
eck komponiert, dessen drei Winkel der Kopf des Schlüssels, Bart des Schlüssels und Kopf des Lammes,
dessen Schenkel der Schlüsselschaft und die mittelste Längslinie des offenen Buches bilden. Die Attribute
der drei göttlichen Personen. Gewöhnlich sind diese: Zepter, Lamm, Buch. Witz konnte sich hier also
nur aus besondern Gründen Abweichung vom Usus gestattet haben.
Das Zepter erschien ihm für den Ratschluß unwichtig. Er läßt Gottvater mit der Rechten dem
Sohn den erbetenen Segen geben, während die Linke — feinsinnige Verdeutlichung des göttlichen Rat-
schlusses! — im Buch der Weisheit blättert. Die Hände sind somit nicht mehr frei für ein Attribut.
Gottvater erhält aber ein solches in dem schwebenden Schlüssel.
Auf der untersten Stufe des Throns, einem Ansatz von späterer Hand, der bei der letzten Restau-
ration abgescbnitten wurde, stand die Inschrift: pater coeli. Eine ähnliche wird sich auch ursprünglich
auf dem Bild befunden haben. Hiezu ist die päpstliche Tracht Gottvaters zu beachten. Das erste Prinzip
der Gottheit erscheint als der heilige Vater des Himmels und somit als der Schlüsselgewaltige.
Übrigens hat Witz witzig Gelegenheit genommen, das hier fehlende Zepter doch noch auf dem
Altar unterzubringen, und zwar zweimal, im »Antipater« und »Ahasver«, den beiden Szenen, die sich
prototypisch dem Mittelstück angliedern. Beide Male ist das Zepter, bei Cäsar wie Ahasver, in Gegen-
bewegung zu dem Schlüssel gebracht, ebenso wie die sich neigende Esther das Bew’egungsmotiv des Er-
lösers wiederholt.
Der Schlüssel senkt sich auf des Vaters Brust. In seinem Bart zeigt sich ein Kreuz. Der Schlüssel,
das heißt das Kreuz, öffnet des Vaters Herz, macht es willig, die Erlösung der Menschheit gutzuheißen.
Das Bild ist somit ein Schlüsselbild. Es enthält den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Altarwerks.
Marie Ellenrieder in Rom.
Ein Brief an den Bistumsverweser Frhr. von Wessenberg.
Mitgeteilt von Karl Obser.
Man weiß, daß der Konstanzer Bistumsverweser Freiherr Ignaz von Wessenberg zu den ersten
zählte, die die künstlerische Begabung der jungen Marie Ellenrieder erkannten und sich schirmend und
fördernd ihrer annahmen. Er hat ihr 1815 die Wege zur Münchner Akademie geebnet. Mit seinen
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