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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Lüttich, Rudolf: Der Heidelberger Schloßgarten im XVIII Jahrhundert
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Kempf, Anna: Ein bisher unbekannter Entwurf Christian Wenzingers für einen Chorpfeileraufsatz am Freiburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0052

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Rudolf Lüttich / Anna Kempf

Formung. Den Baumbestand scheint man allerdings kaum angetastet zu haben, und so mochte sich in diesen
Teilen allmählich jene Wildnis ausbreiten, die im neuen Jahrhundert die romantischen Dichter entzückte.
Der Heidelberger Bürger suchte den Garten jetzt auf, um in dem an der Südostecke angelegten Schießstand
seine Geschicklichkeit zu üben. Der Schloßgartenbeständer (Pächter) bewirtete die Gäste im Sommerhaus
(1787)2, worunter man vielleicht noch das Gartenhaus inmitten der Hauptterasse verstehen darf.
Erst unter badischer Herrschaft hat der Garten wieder eine künstlerische Form erhalten. Um
die Schloßruine, die langsam in den Schoß der Natur zurücksank, breitete sich der malerische Landschafts-
garten und löste an seinem Teile jede harte Grenze gegen Wald und Gebirge.
Ein bisher unbekannter Entwurf Christian Wenzingers
für einen Chorpfeileraufsatz am Freiburger Münster1.
Von Anna Kempf.
Ais im Jahre 1513, nach einer mehr als anderthalb Jahrhundert langen Bauzeit, der neue Chor
des Freiburger Münsters von dem Weihbischof Hugo von Konstanz endlich geweiht werden konnte,
war er noch nicht in allen Teilen abgeschlossen. Es blieben z. B. die Strebepfeiler unvollendet;
man ließ sie ohne die belastenden Aufsätze stehen und führte sie nur 7,5 m hoch über die Stein-
plattenabdeckung des Chorumgangs und der -kapellen hinauf, daß die Strebebögen daran noch ihre
Widerlager finden konnten. Konstruktiv waren zwar die Aufsätze, deren Aufgabe es ist, dem Seiten-
schub der Widerlager zu begegnen, nicht unbedingt erforderlich. Das Gewölbe, ein tonnenartig geformtes
Netzgewölbe, bietet den Vorzug, daß die Umfassungswände, also auch die Widerlager, durch Schub
nicht über Gebühr beansprucht werden. Eine Gefahr bestand für die Strebepfeiler des Chores um so
weniger, als unter der Plattform des Umgangs zwischen die Kapellen- und Hochchorwand Steinbögen von
rechteckigem Querschnitt eingespannt sind, die einen Teil der vertikalen Mauerlast abfangen. Risse, die
an einem Bogenstück sichtbar sind, lassen darauf schließen, daß die Bögen, an die sich teilweise die Ge-
wölbe des Umgangs anschließen, immerhin einem starken Druck und Schub zu widerstehen haben, und daß sie
deshalb in statischer Hinsicht von nicht minderer Wichtigkeit sind, als die Pfeiler selbst. Hätte sonach auch
ohne Bedenken auf die Pfeileraufsätze verzichtet werden können, so war ihre Ausführung doch ursprüng-
lich schon beabsichtigt. Das erweist der Umstand, daß beim zweiten Pfeiler auf der Südseite die alten
Ansätze einer Fialenbekrönung vorhanden sind. Der Mangel an Baumitteln mag wohl die Ursache ge-
wesen sein, daß die im Plan vorgesehenen Strebepfeileraufbauten nicht gleichzeitig mit dem Chorbau zur
Durchführung gelangten. Die Deckung der Pfeiler durch ein einfaches horizontales Abschlußgesims ohne
jegliche Bekrönung wirkt nicht befriedigend. Man hat das Verlangen nach einem Ausklingen des unten
über der Abschlußgalerie angeschlagenen Formenakkords und wünscht folgerichtig die reiche zierliche
architektonische Gliederung an den vordem Schmalseiten der Pfeiler nach oben fortgesetzt zu sehen.
Das verlangt auch der energisch aufstrebende Charakter des ganzen Chorbaues. Dieses Bedürfnis machte
1 Metzger, Seite 80.
2 Regest 567, Mitteilungen III 62.
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