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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Koegler, Hans: Eine Entlehnung Hans Holbeins d. J. aus Jacopo de'Barbari
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0153

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Notizen

Eine Entlehnung Hans Holbeins d. J. aus Jacopo de’ Barbari.
Von Hans Koegler, Basel.
Weder zum detaillierten italienischen Formstudium noch zum Eindringen in das Große italienischer
Kompositionsgesetze, sondern ins ganz allgemeine Gebiet der Motivanregung, auch hinsichtlich des humanisti-
schen Inhalts, gehört eine bisher unbeachtete Entlehnung Holbeins aus Jacopo de’ Barbari. Seit F. v. Bartsch
schreibt man wenigstens diesem Künstler zwei inhaltlich zusammenhängende große und figurenreiche Holz-
schnittblätter mit dem Kampf und Triumph nackter Männer über Satyrn zu, die Kristeller1 als Nr. 51
und 32 groß im Werk dieses Künstlers abbildet. Örtlich setzt Kristeller die Entstehung der Holzschnitte
in Venedig, zeitlich kurz vor 1500 oder ein wenig nachher im beginnenden 16. Jahrhundert an. Inhaltlich
bemerkt der genannte Verfasser zunächst allgemein, daß man viele Darstellungen Jacopos nur mit Hilfe
der zeitgenössischen Literatur zu erklären imstande sein werde, insbesondere sei bei den in Bede stehenden
zwei Holzschnitten eine allegorische Bedeutung unzweifelhaft: der Kampf der Ordnung und Bildung gegen
die rohen Naturkräfte; solche Einkleidung der Allegorie in antikisierende Form sei durchaus charakteristisch
für das Quatrocento und seine selbständige Auffassungsweise der Antike.
Um Holbeins Entlehnung richtig zu erfassen, ist erst eine Beschreibung der venezianischen Originale
nötig, die bei deren reizvollem Inhalt freilich ein Vergnügen ist; aus aufmerksamer Beschreibung wird
sich von selbst fast die ganze Erklärung der Darstellungen Jacopo de’ Barbaris ergeben, die man bei dem
Herausgeber des Werkes Jacopos vergeblich sucht, außer' in dem oben angeführten viel zu allgemeinen Satz.
Auf dem ersten Holzschnittblatt sieht man die zum Sieg sich neigende Schlacht der Männer
gegen die Satyrn. Die Angehörigen beider Heere sind nackt, mit Stangen, Knüppeln und Schilden be-
waffnet, welch letztere bei den Männern Erzformen zeigen, bei den Satyrn Beschlag mit harten tierischen
Substanzen. Da auch beide Parteien über Feldmusik verfügen (die Männer über gerade Tuben und
Trommeln [?], die Satyrn über Trommeln und Syringen), so drückt sich ein Kulturunterschied fast nur
in den Feldzeichen aus, als welche bei den Satyrn Felle geschlachteter Widder, bei den Männern aber
(als Ackerbauern) Garben auf jeweils langen Stangen dienen. Es hapert also bereits sehr mit der Auslegung
der Darstellungen als Kampf der Bildung gegen rohe Naturkräfte. Die Schlacht spielt sich folgendermaßen
ab: Den ganzen Vordergrund querüber hat schon das Männerheer eingenommen; wenn auch noch im
linken Teil einige Widerstandsreste gebrochen werden müssen, so hat doch schon eine Umgehung der
Männer links und in der Mitte in die Tiefe zu zum Angriff auf einen von den Satyrn besetzten Hoch-
stand geführt. In der rechten Bildhälfte flutet die geschlagene Masse der Satyrn mit den nachdrängenden
Männern auf den Fersen dicht gedrängt durch einen Hohlweg in eine Höhle zurück. In der Mitte des
Vordergrundes, auf einem Geländestück, das die Männer schon leidlich sicher in der Hand haben, hält ihr
Führer, ein sitzender würdiger, langbärtiger Mann, mit seinem Stab auserwählter Begleiter und den Spiel-
leuten. Hier hält auch einer die Kommandoflagge, nämlich an langer Stange eine Tafel mit der noch
1 Paul Kristeller, Das Werk des Jacopo de’Barbari. (Internationale chalkographische Gesellschaft 1896.)

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