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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Koegler, Hans: Eine Entlehnung Hans Holbeins d. J. aus Jacopo de'Barbari
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0154

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Notizen: Eine Entlehnung Hans Holbeins d. J. aus Jacopo de’ Barbari

unsicher erklärten Devise »Q. R. F. E.V.« *. Hier auf dem Feldherrnhügel ist ein geflochtener Gartenkorb,
reizend gefüllt mit neugeborenen Kindlein, abgestellt. Gleich rechts daneben wird ein Amor, von dem
vertrautesten Begleiter des würdigen Anführers an einem Flügel festgehalten, vor diesen obersten der
Männer gebracht. Einen Geldsack, einen Teller und den Bogen mit bereits zerrissener Sehne hat der ge-
fangene Amor zu den Füßen des Anführers, der sich ihm zuwendet, ablegen müssen. Man sieht den
Amor nur über Rücken, aber aus seiner Haltung geht deutlich hervor, daß ihm die Hände vor dem
Leib gefesselt seien.
Auf dem zweiten Holzschnitt, der von drei Tafeln niedrigeren und breiteren Formats abgedruckt
ist, spielt sich der auf den Sieg folgende Triumphzug der Männer von rechts her nach links ab. Man
ahnt, daß der Sieg ein vollständiger gewesen sei, denn außer einem Satyrknaben, den eine Frau im Zug
an der Hand mitführt, und drei Satyrn, die als Schaustücke dicht beim Siegeswagen getragen werden,
scheint dies ganze Geschlecht umgekommen zu sein. Der Triumphzug bewegt sich mit seinen Spitzen,
die sich, künstlerisch recht lebendig, auf zwei um einen Hain vorn und hinten herumführenden Wegen
gabeln, zu einem antiken Tempel, mit der Inschrift »D. Fatidice«1 2, hin. Derjenige Teil des Zuges, der
von vorn her in den Tempel einzieht, marschiert in zwei Spalierreihen, während durch die dazwischen
bleibende Gasse als wichtiges Stück der unerklärte Gartenkorb mit den Kindlein getragen wird. In allen
Teilen des Zuges fehlt es nicht an Figuren, die sich zur Unterbrechung, oder auch Verbindung, um-
schauend gegen die allgemeine Richtung bewegen; ein wichtiger Kunstgriff in der Komposition italienischer
Triumphe, den sich, nebenbei bemerkt, auch Holbein bei entsprechenden Aufgaben wirkungsvoll angeeignet
hat. Verschiedenerorts werden im Triumphzug der Männer ihre eigenen Garben-Feldzeichen getragen,
auch die erbeuteten des Feindes mit Widderfellen, dazu geflügelte Schlangenstäbe, sogenannte Merkurstäbe
oder Caducei oder Friedensstäbe, im mittleren Teil auch an hohen Stangen zwei Tafeln, die eine mit
einem Gemälde der Satyrschlacht, die andere mit der wichtigen Inschrift: »Virtus excelsa cupidinem ere
regnantem domat«, die erhabene Tugend (das heißt die verkörperte Tugendhaftigkeit) bezwingt die Begierden
oder den Cupido, der mit Geldeshilfe seine Herrschaft ausübt. Im Schlußteil des Zuges fährt, auf dem
Siegeswagen stehend, von den Gruppen der Trophäenträger umringt, der Triumphator daher, es ist der
würdige langbärtige Führer aus der Satyrschlacht. Nach vollbrachten Taten ist ei- bekränzt, stützt sich
auf den Erzschild und hält selbst seine Flaggentafel mit seiner Devise »Q. R. F. E.V.«. Auf den vorderen
Teil des Siegeswagens, aber tief unten zu Füßen, ist, wie sich das beim Triumph gehört, der überwundene
Hauptgegner gezwungen, nämlich der Cupido, verbundenen Augs an einen Pfahl gekettet, woran sein Bogen
und Köcher hängen, den geliebten Geldsack mit beiden Armen an sich pressend; der Teller, vielleicht
eine aphrodysische Spezerei enthaltend, steht hinter ihm. Lippmann hat erheblich geirrt, wenn er in der
ganzen Darstellung »eine Art Triumphzug des einen Geldsack in den Armen haltenden Amor«3 sah.
1 Friedrich von Bartsch, der in »Die Kupferstichsammlung der k. k. Hofbibliothek in Wien« (Wien 1854) Nr. 366,
367 die beiden Holzschnittblätter zuerst beschrieben und dem Barbari zugeteilt hat, löst die Anfangsbuchstaben in die
Devise: »quod recte factum esse videtur« auf. Es scheint mir möglich, daß im engen Anschluß an die im folgenden
versuchte Erklärung die Schlußbuchstaben E. V. doch »excelsa virtus« bedeuten könnten.
2 E. Koloffs Artikel: »Jacopo de’ Barbari« in Jul. Meyers allgemeinem Kunstlexikon I (1878), S. 715, nennt ihn den
Tempel des »guten Andenkens«. Da »deus fatidicus« ein Ausdruck für Apollo sein soll, käme doch eher ein Apollo-
tempel in Betracht.
3 F. Lippmann, Der italienische Holzschnitt im 15. Jahrhundert, in Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen
V (1884), S. 204.
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