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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Buchbesprechungen
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Sauer, Josef: [Rezension von: Dr. Friedrich Kempf, Das Freiburger Münster]
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Jantzen, Hans: [Rezension von: Lucien Hell, Der Engelspfeiler im Strassburger Münster]
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0165

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Buchbesprechungen

würdigt wird, braucht kaum noch ausdrücklich bemerkt zu
werden. Selbst die in ihrem Bestand allerdings seit der
Anbringung des heutigen Bodenbelages sehr reduzierten
Epitaphien werden zusammenfassend, die Glasmalereien und
die besten Stücke des Münsterschatzes eingehend beschrieben.
Interessant sind die geschichtlichen Ausführungen über die
Orgel, die mancherlei Neues bringen. Was das Buch aber
zu einem lieben Freund für jeden Freiburger und jeden, der
einmal bewundernd vor dem Münster gestanden oder in seine
Kunst sich hineingesehen hat, machen muß, das ist der
prächtige Bilderschmuck, der mit ganz besonderer Sorgfalt
imd mit liebevollem Verständnis zusammengestellt ist. Alle
Einzelheiten des Baues und seiner Ausstattung sind in vor-
bildlich ausgeführten Abbildungen vorgeführt. Eine Fülle
von bisher ganz unbekannten Dingen sind hier zum ersten
Male im Bilde gezeigt; namentlich wird man sich der Aus-
schnitte aus größeren Zusammenhängen, die vielfach geradezu
Überraschungen bringen, freuen. Das Buch läßt nur einen
Wunsch unbefriedigt, den nach einem Register. Bei einer
Neuauflage, die wohl kaum ausbleiben kann, muß dieser
unerläßliche Führer durch die vielen Einzelheiten noch bei-
gefügt werden. Sauer.
Lucien Hell: DER ENGELSPFEILER IM STRASS-
BÜRGER MÜNSTER. Mit einem Vorwort von Otto Schmitt.
42 Tafeln in Lichtdruck, 13 Abbildungen im Text. Urban-
Verlag, Freiburg i. Br. 1926.
Die vorliegende Publikation bietet eine sehr bemerkens-
werte, von dem Freiburger Verlage mit aller Sorgfalt aus-
gestattete Veröffentlichung der Skulpturen des Engelspfeilers
nach neuen Aufnahmen. Für die Beurteilung der Kunst
des »Ekklesiameisters« sind diese Aufnahmen unentbehrlich.
Auch als Ergänzung zu Schmitts zweibändigem Werk über
die gotischen Skulpturen des Straßburger Münsters (1924)
ist der Band von Lucien Hell wertvoll, um so mehr, als
es bisher an guten Aufnahmen der oberen Figuren des
Engelspfeilers fehlte. Die neuen Aufnahmen sind erst durch
die Einrüstung des Pfeilers möglich geworden. Bei den
Gesamtaufnahmen der Figuren sind es freilich Gipsabgüsse,
die den Reproduktionen zugrunde liegen. Nur die Einzel-
aufnahmen der Köpfe sind nach dem Original. Für die in
den höheren Regionen stehenden Skulpturen gab es wohl
kaum eine andere Möglichkeit. Sehr wünschenswert wäre
es aber gewesen, doch wenigstens die Evangelisten nach
dem Original im Zusammenhang mit der Architektur auf-
zunehmen und zu reproduzieren. Auch hätte wohl einer
der Baldachine über den Evangelisten nach dem Original
mitgegeben werden können. Hervorgehoben ist dagegen,
daß Hell in den Erläuterungen zu den Tafeln auch genaue
Angaben über die erhaltenen Farbreste an den Skulpturen
gemacht hat.
Der Text gliedert sich in zwei Abschnitte. In einem
längeren Vorwort geht Otto Schmitt auf die Meisterfrage
ein, und im darauffolgenden Teil behandelt Lucien Hell den
Pfeiler nach der technisch-konstruktiven Seite. Hell kommt
dabei zu dem Ergebnis, daß an dem Engelspfeiler zwei

Bauperioden oder eigentlich drei zu unterscheiden seien.
Zuerst sei der Pfeiler als Oktogonalsäule aufgeführt. Bald
darauf habe man Haupt- und Nebendienste davorgesetzt,
und schließlich habe der Ekklesiameister die Dienste wie-
der teilweise entfernt und seine Figuren hineingesetzt. Die
Beobachtungen über den technisch-konstruktiven Aufbau des
Pfeilers, erläutert durch Zeichnungen auf zwei Tafeln, sind
zweifellos sehr wertvoll. Ob aber der Schluß auf drei ver-
schiedene Bauphasen zwingend ist, scheint mir nicht ganz
sicher. Den nächstliegenden Einwand hat Hell selbst in
einer Anmerkung S. 21 gemacht, »daß jene Zeit mit Vor-
liebe Säulen konstruktiv vollkommen unabhängig vor das
Quaderwerk stellt«. Gerade für die frühe Gotik trifft dies
zu. Daher ist auch Hells Vergleich der Konstruktion des
Engelspfeilers mit dem Hochschiff unzulässig, da in diesem
Falle die Unterschiede doch nur als solche zwischen früh-
gotischer und hochgotischer Konstruktion aufzufassen sind.
Zudem ist auch die ganz singuläre Art des Engelspfeilers
zu berücksichtigen, denn in der Tat ist hier das Verhältnis
von Diensten und Skulpturen zum Pfeilerkern doch wohl von
dem bei Portalleibungen üblichem technischen Aufbau her-
zuleiten. Schließlich wäre beim Engelspfeiler im vorliegenden
Falle auch ein Eingehen auf die Baugeschichte des Quer-
schiffs notwendig gewesen, denn erst im Zusammenhänge
mit einer solchen (immer noch zu schreibenden baugeschicht-
lichen) Untersuchung der Architektur des südlichen Kreuz-
armes ließe sich die Geschichte des Engelspfeilers klären.
Schmitt wirft die Frage auf, ob wir angesichts der Süd-
transept-Skulpturen von einem oder mehreren gleichberech-
tigten Meistern sprechen sollen und kommt »mit großer
Bestimmtheit« zu dem Schlüsse, daß am Engelspfeiler min-
destens zwei Meister anzunehmen sind. Seltsamerweise
findet er es wenig verständlich, daß ich nicht schon auf
Grund der früheren Abbildungen der Evangelisten zu dem
gleichen Resultat gelangt bin, vergißt dabei aber zu er-
wähnen, daß er selbst angesichts der gleichen Abbildungen
in seiner Publikation von 1924 noch nicht einmal die Frage
aufwarf, sondern »mit Bestimmtheit« als eigenhändige Werke
des Ekklesiameisters auch die unteren Figuren des Engels-
pfeilers ansprach (Gotische Skulpturen des Straßburger
Münsters S. 15).
In meinem Buche »Deutsche Bildhauer des 13. Jahr-
hunderts« (1925) habe ich auf die stilistischen Unterschiede
innerhalb des Werkes des »Ekklesiameisters« mehrfach hin-
gewiesen, auch auf solche zwischen den Evangelistenfiguren.
Der Abstand z. B. zwischen dem Johannes und dem Lukas
ist so augenscheinlich, daß er nicht gut übersehen werden
kann. Aber sind es Unterschiede in der Entwicklung eines
Meisters, sind es Stilvarianten innerhalb seiner künstlerischen
Möglichkeiten, oder sind es zwei verschiedene Individuali-
täten? Gerade bei den Straßburger Figuren würde ich es
nicht wagen, mit so apodiktischer Sicherheit wie Otto Schmitt
diese Frage zu beantworten. Ich möchte fast sagen, es ist
eine Frage unserer »Meister«-Terminologie gemäß den sehr
vagen Vorstellungen, die wir von der Arbeitsteilung in einer
mittelalterlichen Bauhütte besitzen. Am Engelspfeiler gehört

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