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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Kempf, Anna: Ein bisher unbekannter Entwurf Christian Wenzingers für einen Chorpfeileraufsatz am Freiburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0053

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Ein bisher unbekannter Entwurf Christian Wenzingers

sich aber erst im 18. Jahrhundert geltend. Im Jahre 1758 erfolgte der Ausbau des ersten Pfeilers auf
der Südseite, zu einer Zeit also, in der die architektonischen Formen der Gotik dem Bewußtsein nicht
mehr geläufig waren. Es war ein schlichter Aufbau, der an der vordem Schmalseite von einem Figuren-
tabernakel mit dem Reiterstandbild des hl. Georg, des früheren Stadtpatrons, geschmückt und von einer
Fiale bekrönt ist. Der Aufsatz zeigt auffallenderweise eine für jene Zeit so befriedigende gotische Form-
gebung, daß, abgesehen von der Datierung, nur das Bildwerk verrät, daß er aus der Barockzeit stammt.
Nun vergingen nahezu 30 Jahre, bis man an den Ausbau eines weiteren Pfeilers herantrat. Mit
diesem -— es ist der erste auf der Nordseite — bezw. mit dessen Entwurf beschäftigt sich unsere Betrachtung.
Der Pfeileraufsatz wurde bisher, seines nüchternen Charakters wegen, kaum beachtet; nur die an ihm
zur Verwendung gelangten spätgotischen Architekturreste, die von der einstigen, im Jahre 1785 abgebrochenen,
im Volksmund »Bäckerlicht« genannten Totenleuchte auf der Nordseite des Münsterplatzes herrühren,
beanspruchen Interesse.
Da spielte uns in jüngster Zeit der Zufall einen bezw. zwei Entwürfe für den Aufsatz des frag-
lichen Pfeilers in die Hände, deren einer für uns von besonderer Wichtigkeit ist. Es handelt sich hierbei
um nichts Geringeres als um den eigenhändigen Entwurf unseres berühmten heimischen Rokokokünstlers
Christian Wenzinger (Abb. 2), der bekanntlich, auf der Höhe seiner Schöpferkraft stehend, eine aus-
gebreitete und vielseitige künstlerische Tätigkeit als Bildhauer, Architekt und Maler entfaltete, die zum Teil
bereits eingehende Würdigung und hohe Anerkennung in der Kunstgeschichte gefunden hat1. Auch im
Münster geben zwei hervorragende Werke Zeugnis von seiner Meisterschaft: das Denkmal für General
Rodt im Chor und der Taufstein in der Stürzeikapelle des Chorumgangs. Der besagte, bisher unbekannte
Entwurf beansprucht um so größeres Interesse und ist für uns um so belangreicher, als unseres Wissens
überhaupt keine Originalentwürfe oder sonstige Handzeichnungen Wenzingers auf uns gekommen sind,
und weil er uns in etwa den Altersstil des Künstlers nach der architektonischen wie bildnerischen Seite
hin zu vermitteln vermag. Wenn auch der Zeichnung die Beglaubigung von der Hand Wenzingers fehlt,
so haben wir andere gewichtige Beweisgründe, die ihn als Urheber außer allen Zweifel setzen. Den
Nachweis hierfür erbringt ein im Stadtarchiv Freiburg verwahrter Bericht des Magistrats der Stadt Freiburg
vom 12. Mai 1786 an die Regierung, in dem um die Genehmigung verschiedener Herstellungen am
Münster nachgesucht wird. »Der Münsterprokurator Josef Schwarz«, heißt es u. a. darin, »hat uns unterm
11. currentis das beifolgende Verzeichnis samt Beilagen der bei der Münsterkirche vorzunehmenden Re-
parationen zu dem Ende übergeben, damit solches an eine hochlöbliche Regierung und Kammer von dem
Magistrat, als Oberpflegschaft, gutächtlich einbegleitet werden möchte. Wir nehmen daher weniger An-
1 K. Schäfer, Christian Wenzinger und die Zeit des Rokoko in Freiburg. Schauinsland 19. Jahrlauf 1893.
J. Gramm, Christian Wenzinger und die Entwicklung seiner Kunst. Freiburg, Historische Zeitschrift 1911, 37. Band.
P. Albert, Eine bisher unbekannte Bildhauerarbeit Christian Wenzingers. Freiburg, Historische Zeitschrift 1917.
G. Münzel, Christian Wenzingers Olberg aus Staufen in der neuen städtischen Skulpturensammlung in Frankfurt a. M.
Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst 1908.
G. Münzel, Christian Wenzinger und die Taufsteine im Freiburger Münster und St. Peter. Freiburger Münsterblätter
IX. Jahrgang.
J. Riegel, Der Meister des Taufsteins im Freiburger Münster. Freiburger Münsterblätter XIII. Jahrgang.
G. Münzel, Beiträge zu Christian Wenzinger I. und II. Teil, Zeitschrift für bildende Kunst, 57. Jahrgang 1922, Heft
7-—8 und 9—12.

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