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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Escherich, Mela: Der Schlüssel auf dem Heilsspiegelaltar des Konrad Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0233

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Notizen: Der Schlüssel auf dem Hei1sspi e g e1a11ar des Konrad Witz

schlüssel auf. Etwa seit dem io. Jahrhundert festigt sich der Typus: Petrus mit dem Schlüssel in der
Hand. Er hält ihn meistens in der Linken, später wandert er in die Rechte, und in seinem stets nach
unten gerichteten Ring hängen zuweilen drei kleine Schlüssel (anscheinend Kahinettschlüssel für Himmel,
Hölle und Erde?), wie z. B. auf einem Reliquar des Wittenberger Stiftsheiligtums, 16. Jahrhundert.
Charakteristisch ist auch das zunehmende Wachstum des Attributs. Im ersten Jahrtausend hat der Schlüssel
natürliche Größe, im späten Mittelalter wird er ellenlang.
In einem sächsischen Kalender des 13. Jahrhunderts (Dresden, Öff. Bibliothek Mskr. A. 126), wo
für jeden Monat ein Apostel erscheint, ist der hl. Petrus mit dem Doppelschlüssel dem Januar zugeteilt.
Januar hier im Wortspiel alliterierend mit janua = offne Tür, St. Peter als janitor = Türhüter. Petrus
trat im Norden an Stelle Thors. Die ihm geweihten Kirchen liegen meist auf Hügeln, den hochgelegenen
ehemaligen Opferstätten des Donnergottes. Daher die vielen Petrusberge. Den im Wolkentor stehenden
Gewittergott ersetzte passend der am Himmelstürlein postierte Heilige. So wurde Petrus als Torwart
populär; aber in Wahrheit stand hinter der kindlichen Vorstellung von dem witzigen alten Herrn, der
den einen mit freundlichem Zwinkern hereinzieht, dem andern die Tür vor der Nase zuschlägt, die
kirchenpolitische Idee von der Schlüsselgewalt des Papsttums.
Deshalb sehen wir auch Schlüssel auf der Fahne der Ecclesia (Mosaik der Apsis von St. Peter
in Rom), und in einer Miniatur des Dragosakramentars aus Metz, g. Jahrhundert, erinnert (ob zufällig?)
die Fahne an Schlüsselform.
Eine eigenartige Darstellung des Himmelsschlüssels entstand im späten Mittelalter, das sogenannte
lebende Kreuz. Dem Kreuzesarm entwachsen menschliche Arme, deren Hände verschiedene Arbeit tun.
Die Hand rechts krönt oder segnet Ecclesia, die links tötet mit einem Schwert Synagoge, die unten zer-
trümmert mit einem Hammer das Höllentor, die oben schließt mit einem Schlüssel den Himmel auf.
Das Thema wird verschieden variiert. Weber1 bringt elf Beispiele aus dem 15. und 16. Jahrhundert.
Auch hier ist wieder didaktisch die Macht der Kirche betont, diesmal in Gegenüberstellung der
Synagoge; aber die führende Idee ist: das Kreuz als wahrer Himmelsschlüssel.
Sie stammt aus der geistlichen Literatur. Rupert von Deutz nennt das Kreuz »janua coeli, clavis
paradisi«. Alcuin, Konrad von Gammingen u. a. haben dieses Motiv dichterisch verwertet.
Garofalo malte auf seinem Fresko in St. Andrea (jetzt Ferrara, Ateneo) von 1532 ein T — Kreuz
mit sechs Armen. Die beiden oberen Arme der Querbalken öffnen die Tore der Himmelsburg. Die
beiden Arme am Fuß des Kreuzes scheinen wiederum Schlüssel zu halten, um die Hölle zu verschließen.
In einem Graduale von 1494—97 (Staatsbibi. München, Cod. lat. 23041) ist das Zertrümmern
des Höllentors mit dem Motiv von Christi Höllenfahrt verbunden. Durch den Hammerschlag vom Kreuz
stürzt der Türflügel nieder, über den Christus in den Limbus schreitet. Das gleiche Motiv findet sich
auf einem Fresko zu Bruneck in Tirol.
Nicht Zertrümmerung, sondern Verriegelung der Höllenpforte zeigt ein Fresko in S. Petronio
zu Bologna, erste Hälfte 15. Jahrhundert. Dieses leitet dann zu der großen, von Würde und Humor
gleicherweise getragenen Schlußszene in Dürers »Offenbarung Johannis« über, wo der Engel mit dem
»Schlüssel zum Abgrund« erscheint, den Teufel in die Öffnung, die uns an ein Kanalloch erinnert,

Paul Weber, Geistl. Schauspiel und kirchl. Kunst, Stuttgart 1894.

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