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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Busch, Rudolf: Das Heilige Grab zu Konstanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0119

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Das Heilige Grab zu Konstanz

Das Heilige Grab in Konstanz ist in der neueren und älteren Kunstgeschichte des öfteren be-
schrieben worden, auf seine stilistischen wie kulturgeschichtlichen Zusammenhänge wurde mehrfach hin-
gewiesen und auch Abbildungen des Denkmals, wie seiner Details, finden sich allenthalben. Nie aber
ward es stilkritisch näher untersucht und sein Kunstkreis in einer Sonderbehandlung ermittelt. In den
folgenden Ausführungen soll dies nachgeholt und der Versuch unternommen werden das Denkmal in
seine Stellung innerhalb der deutschen mittelalterlichen Kunst einzuordnen.
Das Denkmal (Abb. i, 2, Textfig. 1—5) ist ein zwölfseitiger Zentralbau, dessen Wände durch zwei
Reihen von Fenstern in zwei Stockwerke geteilt werden. Hohe Wimperge bekrönen die Polygonseiten. Den
Sockel bildet ein hohes, abgetrepptes Gesims; dreifach gebündelte Eckpfeiler flankieren die Joche des unteren
Geschosses. Das obere ist durch eine profilierte Leiste in der Höhe der Pfeilerkapitelle von dem unteren
getrennt. Die unteren Fenster werden durch eine Mittelsäule geteilt, das kräftige Maßwerk besteht aus
zwei nasenbesetzten Spitzbogen unter einem größeren Bogen, der einen Sechspaß einschließt. In den
Winkeln zwischen dem Hauptbogen der Fenster und seiner rechteckigen Umrahmung sitzen Dreipässe.
Während die Öffnungen der unteren Fenster durch Einmauerungen zu schießschartenähnlichen Schlitzen
verengt und von schlanker Form sind, werden die oberen Fenster niedriger, haben sonst aber die gleiche
Zeichnung, doch fehlen die Verengungen zu Schlitzen. Die mittlere Säule ist deshalb vollrund, während
sie bei dem unteren Geschoß halbrund aufliegt. Die Säulenkapitelle sind sämtlich kelchförmig, ziemlich
gedrungen und ohne vegetabilen oder sonstigen Schmuck. — Auf den Kapitellen der Bündelpfeiler stehen
Figuren, die jeweils die obere Fensterreihe begrenzen. Das Ganze schließt ein kräftig profiliertes Gesims
ab; über jedem Joch des Polygons erhebt sich ein steiler Wimperg, dessen Fläche von einem Dreipaß
durchbrochen ist; die starken Schenkel des Wimpergs sind mit gerollten volutenartigen Krabben besetzt;
ein geriefter Knauf, aus dem drei Blätter — abwechselnd Palm- und Eichblätter — aufsteigen, schließt
den Wimperg ab. Diese selbst, zwischen denen auf klotzartigen Sockeln zwölf Figuren verteilt sind,
stehen gaupenartig, nach innen Stichkappen bildend, um ein das Ganze abschließendes steil kegelförmiges
Dach. Auch dieses ist zwölfeckig gebrochen, es endigt über einem gerieften Knauf in einer sechsteiligen
Kreuzblume, auf der eine Figur steht. — Die Gliederung des Innern entspricht in der Hauptsache dem
äußeren Aufbau, es fehlt hier aber die reiche Durchbildung. Die Wände zeigen lediglich die Konturen
der Durchbrüche und sind sonst ganz glatt. — In den stumpfwinkligen Ecken des inneren Polygons
Hottenrot (s. Lit. Nach.') bringen seine Figuren als Typen für den Kostümstil. Erwähnungen sind an gegebener Stelle meiner
Ausführungen zitiert.
Bei meinen Ermittlungen fand ich freundliche Unterstützung durch die Herren: Geistl. Rat Dekan Weiß,
Monsignore Prof. Dr. Gröber, ehern. Münsterpfarrer, jetzt Domkapitular in Freiburg i. Br., Regierungsbaumeister Motz,
Stadtarchivar Dr. Maurer, letztere in Konstanz. Zu der Arbeit selbst wurde ich angeregt durch Herrn Prof. Dr. Otto
Schmitt, damals in Frankfurt a. M., jetzt in Greifswald, dem ich weitgehende Förderung verdanke. — Allen Genannten
bin ich für die mir geopferte Zeit und Mühe herzlichst verbunden.
2 Das häufiger vorkomniende, aber erst im späteren Mittelalter entstehende Schema ist das Nischengrab, von
dem wir heute noch viele Beispiele besitzen. Es möge hier an das Heilige Grab in Freiburg erinnert werden (Otto Schmitt,
Freiburger Münsterblätter 1919). Die Darstellung der Tumba mit Christus und den Frauen erscheint im 14. Jahrh. Das
späte Mittelalter bevorzugt die dramatischere Grablegung. Die Verehrung des Heiligen Grabes entwickelte sich seit
der angeblichen Wiederausgrabung der Gebeine Christi unter Kaiser Konstantin in besonderem Maße, und der Besuch
der heiligen Stätten wurde als oberste aller Wallfahrten des christlichen Kultes angesehen. In den heimischen Kirchen
stellte man allenthalben, wo feste heilige Gräber nicht vorhanden waren, am Ende der Karwoche plastische Nachbildungen
oder Gemälde des Grabes Christi auf (s. auch Anm. 3 S. 112).
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