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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Bendel, Max: Tobias Stimmer und die venezianische Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0147

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Tobias Stimmer und die venezianische Malerei

Es erübrigt sich noch, einen Blick zu werfen auf einzelne Zeichnungen Stimmers, um auch diese
auf einen Zusammenhang mit Venedig zu prüfen.
Die beiden Zeichnungen, bei denen Stolberg eine italienische Physiognomie der Architektur findet,
sind der »Liebesgarten« im Berner Museum (ehemals Wyßsche Sammlung) und der Scheibenriß Bullinger-
Keller von Steinbock mit der Jagdmahlzeit (Antiquar. Gesellschaft Zürich) *. Beide gehen auf die venezia-
nischen Gastmahlbilder zurück. Die erstere erinnert besonders an das »Gastmahl des Reichen« von Bonifacio
di Pitati da Verona in der Akademie von Venedig.
Die Pferdezeichnungen haben wir schon erwähnt. Es wären noch bei einer’ Menge Blättern vene-
zianische Anklänge aufzuzählen; aber wir wollen nur noch eine Zeichnung nennen, die besonders typisch
ist: die »Wahrheit« in Basel1 2. Dieses Blatt geht auf die Deckengemälde von Zelotti und Veronese im
Dogenpalast zurück und hier besonders auf das Zelottische Bild in der Stanza dei Capi: »Die Bestrafung
der Laster«3. Man vergleiche nur die Gestalt des Chronos auf Zeichnung und Gemälde, wie überhaupt
die ganze kompositionelle Ähnlichkeit. Vielleicht gehört dieses Blatt zu den Entwürfen für die Ausmalung
des Schlosses Baden-Baden. Ein Vergleich der verschwundenen Studien mit den Deckengemälden im Dogen-
palast würde außerordentlich aufschlußreich sein, da es sich ja hier um ähnliche Aufgaben handelte. Er
würde uns auch darüber belehren, wieweit Stimmer den venezianischen Stil einfach übernimmt oder
wie er denselben künstlerisch verarbeitet.
Fassen wir kurz zusammen, so sehen wir, daß die Stimmerschen Fresken am Hause »zum Ritter«
in Schaffhausen Anklänge an den venezianischen Stil der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufweisen.
Die eigentlichen Vorbilder finden wir an den untergegangenen Fresken des Palazzo Trevisan in Murano,
die von Zelotti und Veronese gemalt wurden. Hier sind es besonders die Gestalten Zelottis, auf die unsere
Fresken zurückgehen, während von den anderen venezianischen Meistern nur Einzelmotive übernommen
werden, so die Reitergestalten Tizians aus der Schlacht von Cadore.
Demnach muß Stimmer diese Fresken persönlich gesehen und studiert haben. Da zudem eine
so deutliche Stilgemeinschaft mit Zelotti zu erkennen ist, so wäre es nicht ausgeschlossen, daß unser
Künstler bei diesem in Venedig gearbeitet hat. Die Fresken in Murano sind in den Jahren 1557—*559
entstanden. Wäre es da nicht möglich, daß Stimmer selber unter Zelotti daran gearbeitet hätte? 1557
war ja Stimmers Lehrzeit beendet und Zelotti, wie Veronese, hatten große Werkstätten und brauchten
gewiß für ihre umfangreichen Arbeiten eine größere Anzahl Hilfskräfte.
Damit wäre die Lücke in Stimmers Lebensbeschreibung ausgefüllt. Unser Künstler wäre gleich
nach der Lehrzeit nach Venedig gewandert und hätte dort bis zum Jahre 1560 unter Zelotti gearbeitet.
1560 wird er dann zum ersten Male in Schaffhausen in der städtischen Sturmordnung aufgeführt, aber sein
Name ist von anderer Hand wieder gestrichen. Der Aufenthalt in der Heimat kann also nicht lange
gedauert haben. Wahrscheinlich hat sich Stimmer darauf wieder nach Zürich gewandt, wo er bis zum
Jahre 1564 blieb. Ein eventueller Aufenthalt in Basel oder Straßburg würde dann in diese Zeit zwischen
1560—1564 fallen, könnte aber nur von kurzer Dauer gewesen sein. Möglich, daß weitere archivalische
Funde die von uns hier ausgesprochene Ansicht noch bestätigen werden.
1 A. Stolberg, Tob. Stimmer, sein Leben und seine Werke Taf. 15 und 19.
s A. Stolberg a. a. O. Tafel.
s Detlev Freiherr v. Hadeln a. a, O, Abbildung.
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