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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Feurstein, Heinrich: Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins des Jüngeren
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0032

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Heinrich Feurstein: Zwei Kopien nach verschollenen Gemälden Holbeins d. J.
Es ist ferner durchaus wahrscheinlich, daß der Abt des feudalen Klosters, der dem Geiste seiner
Zeit getreu — man denke an Kaiser Rudolf II. und an Maximilian von Bayern — »als sonder liebhaber
des Gemähls« — den Ehrgeiz fühlte, eine Kunstkammer zu besitzen und wenigstens, bei der Unerreich-
barkeit der Originale, in guten Nachbildungen sich eine Galerie berühmter Meister auszubauen, dem
Maler geradezu den Auftrag gab, Kopien nach anerkannten Meistern zu liefern. Eine Reihe der Einsiedler
Tafeln sind ja als Kopien nachgewiesen. Bei seinem Nachfolger Franz II. Chullot, der die bekannte
Kopie nach Grünewald bestellte, sehen wir dieses Bestreben deutlich und fraglos. Wir sehen jedenfalls
den Kopisten Bock häufig an der Arbeit und mit zahlreichen und wörtlichen Anleihen bei seinem Vorbild
Holbein dem Jüngeren befaßt. Wir besitzen von ihm aus dem Jahre 1573 den Entwurf einer Hausfassade
in Basel von einer für diese Spätzeit ungewöhnlichen Reinheit des Ornaments, das sich in Einzelheiten,
z. B. den kauernden bocksfüßigen Gestalten, direkt an Holbein anlehnt1. Schon 157g kopiert er die
beschädigten Holbeinschen Fresken im Rathaussaale zu Basel, später die Kreuzschleppung und Kreuzigung
nach der Handzeichnung Holbeins, Christus im Grabe nach dem bekannten Holbeinschen Akte und zwei-
mal die Zettersche Madonna in Solothurn, einmal in Einsiedeln und dann im Ausschnitt des Jesuskindes
in Basel. Andere Kopien mögen verloren sein2 3.
Gerade bei der Kopie der Solothurner Madonna zeigt sich, daß Bock nur dann von seinem Vor-
bild abweicht, wenn rein lokale Beziehungen des Bildes, die nur an Ort und Stelle ihren Sinn hatten,
ins Allgemeine umgesetzt werden mußten. So streicht er vom Votivbild der Familie Zetter die beiden
Lokalheiligen Martin und Ursus, desgleichen den Teppich mit den Wappen und ersetzt die ersteren durch
eine ideale Landschaft mit zwei schwebenden kranzhaltenden Engeln, die letzteren durch ein Stilleben8.
Die Nachbildung des Christus im Grabe im städtischen Museum zu Solothurn ist wortgetreu, nur im
Kolorit bräunlich umgesetzt und in der üblichen Manier Bocks stärker auf Licht und Schatten gearbeitet.
Der Rumpf zeigt seine beliebte, übersteigerte Modellierung der Knochen und Weichteile, die bezeichnen-
derweise gerade in Donaueschingen fehlt.
Überall wo Bock selbständig arbeitet, zeigt er die starke, fast dekorative Durchbildung des Brust-
korbes bei seinen Akten, eine wesentlich andere Formung des Gesichtstyps: die Nase ist ausnehmend kurz,
der Mund, namentlich der weibliche, sehr klein eingesetzt, das meist schräg gestellte Auge schielt; die
Armbildung ist ausgesprochen muskulös.
Wann sind die Vorlagen unserer Bilder entstanden? Sie gehören ihrem Stilcharakter nach in
die Basler Frühzeit des Meisters. Die nächstliegenden Vergleichsstücke: die Steinwerferin, die Hand-
zeichnung der Kreuzigung und die im Kolorit nahestehende achtteilige Passion weisen alle in diese Früh-
stufe4 5. Die Entstehungszeit läßt sich aber vielleicht noch etwas genauer festlegen. Für die Art, wie
die Figuren in den Raum gestellt sind und mit den Kopfpartien das Architekturgesims des Hintergrundes
optisch überschneiden, vergleiche man den Christus, Wandgemälde Holbeins im Großratsaal zu Basel von
1521s. In dieser Zeit dürften die Urbilder entstanden sein. Möglich auch, daß die beiden Tafeln zu
1 Händcke a. a. O. S. 222.
3 Ganz im Schweiz. Künstlerlexikon.
3 Henggeier a. a. O. S. 117. Hier auch eine Abbildung der Kopie.
4 H. A. Schmid a. a. O. und mündliche Mitteilung von Dr. Hans Kogler.
5 Abgebildet bei Ganz, Hans Holbein d. J., Klassiker der Kunst.

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