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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Schmitt, Otto; Jantzen, Hans: Die Querschiff-Portale des Straßburger Münsters und der Ekklesiameister
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0095

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Notizen: Die Querschiff-Portale des Straßburger Münsters und der Ekklesi ameister
kritische Untersuchung allein der Skulpturen auf weitgehende Unterschiede innerhalb der Portalplastik auf-
merksam gemacht hatte, die er durch einen größeren zeitlichen Abstand erklärt. Jantzen hält nämlich die
Gewändeapostel für die frühesten Straßburger Arbeiten des Ekklesiameisters, den Marientod (im Bogenfeld
des linken Portals) aber für ein ausgesprochenes Spätwerk, das nicht nur nach dem Engelspfeiler, sondern
sogar nach den Statuen von Ekklesia und Synagoge entstanden ist (S. 65). Wenn er die Dauer der Straß-
burger Tätigkeit des Ekklesiameisters auch nicht in bestimmte Zahlen faßt, so geht doch aus seiner ganzen
Darstellung und der besonderen Betonung einer intensiven Entwicklung des Meisters deutlich hervor, daß
er sie nicht ganz kurz bemißt. Man möchte (nach der Darstellung Jantzens, der fast die ganze Straß-
burger Transeptplastik einem einzigen Meister zuschreibt) einen vielleicht zehnjährigen Abstand der frü-
hesten und der letzten Werke für nicht zu groß halten, zumal zwischen Anfang und Ende der Straßburger
Tätigkeit des Ekklesiameisters noch ein Chartreser Aufenthalt des Meisters anzunehmen ist; denn nach
Jantzen ist ein Chartreser Einfluß erst am Engelspfeiler, aber noch nicht an den Gewändestatuen der
Südportale zu erkennen, und anders als durch Aufenthalt an Ort und Stelle läßt sich die (auch von Jantzen
angegebene) Nachahmung von Chartreser Architekturdetails und Gewandmotiven am Engelspfeiler doch
schwerlich erklären. Aber nehmen wir auch nur eine Spanne von fünf Jahren an, so wäre es doch schon
merkwürdig, daß so lange an den Portalen gearbeitet worden sein soll, und nicht minder auffallend wäre
es, daß der Bildhauer erst die frei vorgestellten Figuren der Ekklesia und Synagoge und dann erst die bei
der Aufmauerung des Portals gleich einzubauenden Tympanonreliefs gearbeitet haben sollte. Das wäre eine
sehr seltsame Ökonomie, mit der sich wohl kein Architekt einverstanden erklärt hätte.
So ist schon Jantzens eigene Darstellung geeignet, Mißtrauen gegen seine These von der Einheit-
lichkeit der Straßburger Südportale zu wecken. Auch seine Hinweise auf burgundische Parallelen können
nicht befriedigen. Jantzens Hauptbeispiel, das Portal von Chäteau-Chalon (S. 273), ist nur in einem Stich
des 18. Jahrhunderts auf uns gekommen; mag sein, daß es ursprünglich einen (skulptierten?) Türsturz besaß,
aber keinesfalls hätte dieser »genau die gleiche Anordnung unter der Kämpferlinie gezeigt wie in Straß-
burg« (S. 273). Der Sturz von Chäteau-Chalon schloß mit seiner Unterkante in der Höhe des Halsrings
der Gewändesäulen ab, entsprach also der Kapitälzone, während er in Straßburg viel tiefer herab, bis
weit in die Gewänderegion hineinreicht. Das ist ja überhaupt das Merkwürdige, daß in Straßburg der
Sturz so enorm hoch ist und zugleich ganz unterhalb der Bogenansätze liegt; man möchte geradezu
von einem Mißverhältnis zwischen Bogenfeld und Sturz sprechen, das bei der außerordentlichen Enge der
Portalöffnung doppelt auffällt. Wenn es zur Straßburger Anlage in diesem Punkt überhaupt eine franzö-
sische Parallele gibt, so findet man sie am ehesten in Nordfrankreich (in Laon und Senlis, s. Jantzen S. 272),
wo der Wunsch nach möglichster Ausdehnung des Bildfeldes gelegentlich zu einer völligen Durchbrechung
der Kämpferlinie durch hohe »angehängte« Sturze führte, wogegen der Süden naturgemäß zäher an der
Architravidee festhielt und hohe Sturzbalken unterhalb der Kapitälzone vermied oder wenigstens durch Ein-
fügung besonderer Pilaster an den Türpfosten oder eines Trumeaus den Eindruck des »Herabhängens« auf-
hob. — Was das Fehlen der Baldachine angeht, so kommt es nicht nur in Burgund, sondern, wie das
Beispiel von Valcabrere (Jantzen S. 274) zeigt, auch anderswo vor. Es handelt sich um eine provinzielle
Reduktion, vielleicht zugleich um ein Zugeständnis an romanische Tradition; das gleiche gilt von den nicht
skulptierten Archivolten. Es ist nicht einzusehen, warum die erwähnten Eigentümlichkeiten der Straßburger
Portale gerade von Burgund abgeleitet werden sollen, zumal der Straßburger Portaltyp im ganzen wie im

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