Das Heilige Grab zu Konstanz
und außen gänzlich, für ihn ist auch nirgends ein Platz zu bemerken. Aber die jetzt darin befindlichen
Sitzfiguren des Kaisers Otto und der Kaiserin Editha gehören, entgegen anderer Ansicht1, gewiß nicht
ursprünglich an diese Stelle. Vielmehr dürfte es in Anbetracht der großen Verwandtschaft mit dem
Konstanzer Polygon, dessen Architekturprinzip völlig das nämliche ist, ursprünglich ein Heiliges Grab
gewesen sein, und man kann annehmen, daß die Osterszene durch eine freiplastische Gruppe im Innern
des Magdeburger Zentralbaues dargestellt war. Auch in Konstanz stand die Tumba frei. Leider sind wir
über seine Entstehungszeit nicht unterrichtet, aber er gilt allgemein als ein Werk des 15. Jahrhunderts2.
Nun gibt es von dem ursprünglichen, jetzt erneuerten Baldachin des Ottodenkmals auf dem Marktplatz zu
Magdeburg eine Zeichnung3, deren große Ähnlichkeit in Details mindestens auf die gleiche Entstehungs-
zeit, wenn nicht auf dieselbe Werkstatt schließen läßt, in der das Ottodenkmal entstanden ist. — Nach
neuerlichen Ermittelungen4 ist man geneigt, die Arbeit gegenüber der seitherigen Annahme beträchtlich
zurückzudatieren, indem man als terminus post quem die Urkunde von 1241 festlegt und als terminus
ante — das Eppsteingrabmal in Mainz 1249. — Mit Recht jedoch wird diese Hypothese bestritten und
für Magdeburg mindestens ein Jahrzehnt später in Anspruch genommen, unter der Voraussetzung, daß
bei der jenen Dingen verwandten Kunst außer Bamberg auch Mainz mitspricht. — In die gleiche oder
wenig spätere Zeit ist also auch das Magdeburger Heilige Grab zu setzen, und wiederum wird man sagen
können, daß der Typus von Magdeburg mit seinem barock-verwilderten romanisierenden Ornament sich
in Konstanz zu jener frühgotischen konsolidierten Form entwickelte, die einige Jahrzehnte Spielraum in
Betracht ziehen läßt. Und diese Architektur gibt auch im Vergleich mit anderen Bauwerken den zeit-
lichen Grenztermin.
Dehio hat im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler (III, 235) bei dem Konstanzer Grab auf
das Langhaus des Straßburger Münsters (ca. 1240—1275) hingewiesen. Die Ähnlichkeit ist sicher vor-
handen, aber sehr allgemeiner Art und beschränkt sich im wesentlichen auf Verwendung des Sechspasses
im Fensterbogen hier und dort; direkte architektonische Parallelen zu Straßburg waren nicht zu erkennen.
Dagegen ist H. Fr. Seckers Hinweis auf den (größtenteils zerstörten) Lettner in der Kirche zu St. Arbogast
1 Dr. Giesau-Halle hält, nach einer brieflichen Mitteilung, den Bau für eine Gedächtniskapelle zu Ehren des
Kaisers und seiner Gemahlin und nennt als Entstellungszeit frühestens 124.0, spätestens 1260.
2 W. Bode (Gesch. d. deutschen Plastik) nennt das Polygon in Magdeburg spätromanisch.
3 Von Dr. Greischel-Magdeburg wurde mir die Reproduktion eines Holzschnittes aus dem »Sächsischen Chro-
nikon« von Matheus Dresserus (vorher hei Johannes Pomarius, Wittenberg 1588), gedruckt zu Wittenberg bei Johann Krafft
im Jahre 1596, überlassen, der den ursprünglichen Baldachin über dem Reiterstandbild wiedergibt. Es ist leicht zu erkennen,
daß gerade der »ausgesägte« Kontur des Maßwerks hier und dort ganz ähnlich ist.
4 W. Paatz (Magdeburger Plastik um die Mitte des 15. Jahrh., Jahrb. der Preuß. Kunsts. 25) datiert die sich
um das Ottodenkmal gruppierende Plastik zu Magdeburg insgesamt in die vierziger Jahre des 15. Jahrh., ebenso Walter
Möllenberg und Hans Kunze (vgl. Walter Möllenberg, Das Reiterstandbild auf dem alten Markt zu Magdeburg), eine
Hypothese, die doch zu weit gehen dürfte. Sofern für die Chronologie das Mainzer Eppsteingrabmal in Frage kommt, das
Paatz unter anderem von der Magdeburger Ottoplastik abhängig machen will, könnte sich der Vergleich lediglich auf die
beiden Könige beziehen, deren Gesichtsausdruck, Haltung und Gewandmotive Anklänge zeigen. Allein die Hauptfigur des
Erzbischofs selbst findet in Magdeburg nirgends eine Parallele. Sind vielleicht die Nebenfiguren in Mainz von Gesellen-
hand, so fällt die Hypothese nicht schwer, in diesem Gesellen zu Mainz den Meister in Magdeburg zu vermuten, und
dann wäre in der Tat ein terminus post quem für Magdeburg durch die Datierung des Todesjahres Siegfrieds v. Eppstein
gegeben. — Auch Panofsky (Die deutsche Plastik des 11. bis 13. Jahrh.) tritt mit vielen anderen für eine spätere Datierung
als Paatz ein. — Daß eine einheimische Schule in Mainz um 1250 bestand, beweist im übrigen eine Übereinstimmung
des Kopfes des Siegfried mit der Fuststraßen-Madonna, die gewiß nicht, wie Paatz glaubt, von Magdeburg abhängig-
sein dürfte. —
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und außen gänzlich, für ihn ist auch nirgends ein Platz zu bemerken. Aber die jetzt darin befindlichen
Sitzfiguren des Kaisers Otto und der Kaiserin Editha gehören, entgegen anderer Ansicht1, gewiß nicht
ursprünglich an diese Stelle. Vielmehr dürfte es in Anbetracht der großen Verwandtschaft mit dem
Konstanzer Polygon, dessen Architekturprinzip völlig das nämliche ist, ursprünglich ein Heiliges Grab
gewesen sein, und man kann annehmen, daß die Osterszene durch eine freiplastische Gruppe im Innern
des Magdeburger Zentralbaues dargestellt war. Auch in Konstanz stand die Tumba frei. Leider sind wir
über seine Entstehungszeit nicht unterrichtet, aber er gilt allgemein als ein Werk des 15. Jahrhunderts2.
Nun gibt es von dem ursprünglichen, jetzt erneuerten Baldachin des Ottodenkmals auf dem Marktplatz zu
Magdeburg eine Zeichnung3, deren große Ähnlichkeit in Details mindestens auf die gleiche Entstehungs-
zeit, wenn nicht auf dieselbe Werkstatt schließen läßt, in der das Ottodenkmal entstanden ist. — Nach
neuerlichen Ermittelungen4 ist man geneigt, die Arbeit gegenüber der seitherigen Annahme beträchtlich
zurückzudatieren, indem man als terminus post quem die Urkunde von 1241 festlegt und als terminus
ante — das Eppsteingrabmal in Mainz 1249. — Mit Recht jedoch wird diese Hypothese bestritten und
für Magdeburg mindestens ein Jahrzehnt später in Anspruch genommen, unter der Voraussetzung, daß
bei der jenen Dingen verwandten Kunst außer Bamberg auch Mainz mitspricht. — In die gleiche oder
wenig spätere Zeit ist also auch das Magdeburger Heilige Grab zu setzen, und wiederum wird man sagen
können, daß der Typus von Magdeburg mit seinem barock-verwilderten romanisierenden Ornament sich
in Konstanz zu jener frühgotischen konsolidierten Form entwickelte, die einige Jahrzehnte Spielraum in
Betracht ziehen läßt. Und diese Architektur gibt auch im Vergleich mit anderen Bauwerken den zeit-
lichen Grenztermin.
Dehio hat im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler (III, 235) bei dem Konstanzer Grab auf
das Langhaus des Straßburger Münsters (ca. 1240—1275) hingewiesen. Die Ähnlichkeit ist sicher vor-
handen, aber sehr allgemeiner Art und beschränkt sich im wesentlichen auf Verwendung des Sechspasses
im Fensterbogen hier und dort; direkte architektonische Parallelen zu Straßburg waren nicht zu erkennen.
Dagegen ist H. Fr. Seckers Hinweis auf den (größtenteils zerstörten) Lettner in der Kirche zu St. Arbogast
1 Dr. Giesau-Halle hält, nach einer brieflichen Mitteilung, den Bau für eine Gedächtniskapelle zu Ehren des
Kaisers und seiner Gemahlin und nennt als Entstellungszeit frühestens 124.0, spätestens 1260.
2 W. Bode (Gesch. d. deutschen Plastik) nennt das Polygon in Magdeburg spätromanisch.
3 Von Dr. Greischel-Magdeburg wurde mir die Reproduktion eines Holzschnittes aus dem »Sächsischen Chro-
nikon« von Matheus Dresserus (vorher hei Johannes Pomarius, Wittenberg 1588), gedruckt zu Wittenberg bei Johann Krafft
im Jahre 1596, überlassen, der den ursprünglichen Baldachin über dem Reiterstandbild wiedergibt. Es ist leicht zu erkennen,
daß gerade der »ausgesägte« Kontur des Maßwerks hier und dort ganz ähnlich ist.
4 W. Paatz (Magdeburger Plastik um die Mitte des 15. Jahrh., Jahrb. der Preuß. Kunsts. 25) datiert die sich
um das Ottodenkmal gruppierende Plastik zu Magdeburg insgesamt in die vierziger Jahre des 15. Jahrh., ebenso Walter
Möllenberg und Hans Kunze (vgl. Walter Möllenberg, Das Reiterstandbild auf dem alten Markt zu Magdeburg), eine
Hypothese, die doch zu weit gehen dürfte. Sofern für die Chronologie das Mainzer Eppsteingrabmal in Frage kommt, das
Paatz unter anderem von der Magdeburger Ottoplastik abhängig machen will, könnte sich der Vergleich lediglich auf die
beiden Könige beziehen, deren Gesichtsausdruck, Haltung und Gewandmotive Anklänge zeigen. Allein die Hauptfigur des
Erzbischofs selbst findet in Magdeburg nirgends eine Parallele. Sind vielleicht die Nebenfiguren in Mainz von Gesellen-
hand, so fällt die Hypothese nicht schwer, in diesem Gesellen zu Mainz den Meister in Magdeburg zu vermuten, und
dann wäre in der Tat ein terminus post quem für Magdeburg durch die Datierung des Todesjahres Siegfrieds v. Eppstein
gegeben. — Auch Panofsky (Die deutsche Plastik des 11. bis 13. Jahrh.) tritt mit vielen anderen für eine spätere Datierung
als Paatz ein. — Daß eine einheimische Schule in Mainz um 1250 bestand, beweist im übrigen eine Übereinstimmung
des Kopfes des Siegfried mit der Fuststraßen-Madonna, die gewiß nicht, wie Paatz glaubt, von Magdeburg abhängig-
sein dürfte. —
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