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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Berichte: Freiburg i. B r. (Kunstwissenschaftliche Gesellschaft)

Während der Wintermonate wurde im Ausstellungsraum
des Augustinermuseums eine aus Leihgaben zusammengestellte
Auswahl moderner deutscher Graphik (Aquarelle, Zeich-
nungen, Holzschnitte, Radierungen, Lithographien von Fei-
ninger, Heckel, Kirchner, Otto Müller, Nolde, Schmitt-
Rottluff u. a.) gezeigt.
Die Gesellschaft der Freunde der städtischen Sammlungen
veranstaltete im Jahr 1925 drei Vorträge: Am 11. Februar
.sprach Prof. Dr. Dragendorff über »Die Römer am Ober-
rhein«, am 7. Mai Prof. Dr. Homburger über »Mittelalter-
liche Buchmalerei bis zur Stauferzeit« und am 11. Dezember
Prof. Dr. Jantzen über »Konrad Witz«. Noack.
Freiburg i. Br.: Kunstwissenschaftliche Gesellschaft.
Das vergangene Sommersemester hat wiederum eine
rege Tätigkeit zu verzeichnen, die sich sowohl auf öffent-
liche Vorträge als auf die allmonatlich stattfindenden wissen-
schaftlichen Sitzungen erstreckte. Letztere wurden am 6. Mai
1925 mit einem Referat des Professors Dr. Otto Homburger,
Karlsruhe, über »Eine deutsche Malerschule um die
Wende des 1 2./1 3. Jahrhunderts « eingeleitet. Der Vor-
tragende befaßte sich in der Hauptsache mit den Miniaturen
des in der Landesbibliothek zu Karlsruhe befindlichen Speyerer
Evangelistars und ihren Beziehungen zum Hortus Deliciarum
der Herrad von Landsberg, wobei er die stilistische Ver-
wandtschaft dieser Handschriften mit gleichzeitigen in den
Kreis des Nicolaus von Verdun gehörigen Werken der Gold-
schmiedekunst nachweisen konnte. Seine Darlegungen über
dieses hochinteressante Stoffgebiet hat der Vortragende in
einem größeren, durch zahlreiche Abbildungen illustrierten
Aufsatz in Heft 1 dieser Zeitschrift veröffentlicht, auf den
hier besonders verwiesen sei.
In der Monatssitzung vom 1. Juli gab Professor Dr.
Jantzen wichtige Aufschlüsse »zur Deutung des Denk-
mals Kaiser Otto II. in Magdeburg«. Mit diesem
einzigartigen, gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts entstan-
denen Denkmal, dessen ursprüngliche Gestalt in einem Holz-
schnitt der Chronik des Pomarius von 1588 überliefert ist,
befaßte sich die kunstgeschichtliche Literatur wiederholte
Male, ohne daß für die Deutung des Monuments und na-
mentlich seines Figurenschmucks eine befriedigende Erklä-
rung gefunden worden ist. Das Denkmal, das sich auf dem
Marktplatz von Magdeburg frei erhebt, besteht heute aus
einem baldachinartigen Gehäuse, das einen Reiter und zwei
begleitende Frauengestalten mit Schild und Fahne umschließt,
und aus einem Postament als Träger des Ganzen. In dem
Reiter ist ohne Zweifel Kaiser Otto II. zu erblicken, dem
Magdeburg die Verleihung des Stadtrechts und die Bürger-
schaft ihre autonome Stellung dankt. Besonders umstritten
war von jeher die Deutung der beiden weiblichen Gestalten.
Die Legende wollte in ihnen die Gemahlinnen Ottos II.
sehen. Vielfach wurden sie kurzweg als allegorische Figuren
bezeichnet, während andere die Bannerträgerinnen in Bezie-
hung mit der Stadt »Magdeburg« bringen wollten.
Jantzen versucht nun, das Denkmal aus dem mittelalter-
lichen Geiste heraus, in dem es entstanden ist, zu deuten

und die historischen Quellen nachzuweisen, die für die
künstlerische Gestaltung der zugrundeliegenden Idee bestim-
mend waren. Seine geistvollen und überzeugenden Beweis-
führungen verdichteten sich zu dem Ergebnis, daß das den
Kaiser reitend darstellende Denkmal aus spätantiker Tra-
dition herausgewachsen ist. Die dem Kaiser zugeordneten
Frauengestalten sind demzufolge als die Personifikationen
der beherrschten Gebiete, als die huldigenden Nationen an-
zusehen (Germania, Italia), was sowohl aus Beispielen karo-
lingisch-ottonischer Buchmalerei hervorgeht, als namentlich
auch aus byzantinischen Kaiserbildern, wie uns ein solches
auf einem byzantinischen Gewebe im Bamberger Domschatz
begegnet. Der Typus dieses Herrscherbildes und die Haar-
tracht der huldigenden »Nationen« lassen unzweideutig das
ikonographische Abhängigkeitsverhältnis des Magdeburger
Denkmals von derartigen byzantinischen Vorbildern er-
kennen.
Der Baldachin, in dem sich das Kaiserstandbild erhebt,
hat sich, seiner ursprünglichen Erscheinung nach, aus einem
zinnenförmigen Mauerkranz entwickelt und schloß mit einem
Türmchen und acht erkerartigen Aufbauten ab, aus denen
vier kleine weibliche Halbfiguren herausschauten. Diese
Architektur, die ebenfalls aus der mittelalterlichen Kaiser-
idee heraus zu deuten ist, versinnbildlicht die Aurea Roma,
mit der die Vorstellung kaiserlicher Macht im Mittelalter
stets verknüpft war. In den Halbfiguren dürfen wir, wie
der Vortragende wiederum an frühen Beispielen der Buch-
malerei einleuchtend nachweist, die vier Kardinaltugenden
erblicken, die Personifizierung der dem Herrscher zuerkannten
Eigenschaften. In der die Turmspitze krönenden Heiligen-
figur schließlich ist der hl. Mauritius dargest ellt, der Patron
des sächsischen Herrscherhauses, der unter Otto I. unter
die Schutzheiligen Magdeburgs aufgenommen worden ist.
Jantzen hat diesem Thema eine interessante Abhandlung
im Repertorium für Kunstwissenschaft, 46. Jahrgang 1925,
S. 125 ff., gewidmet. Außerdem findet das Denkmal in sei-
nem Buche »Deutsche Bildhauer des 13. Jahrhunderts« eine
eingehende stilistische Darstellung und Würdigung.
Die Reihe der öffentlichen Vorträge wurde am 11. Mai
von Professor Dr. Georg Weise, Tübingen, mit einem
Lichtbilder - Vortrag über »Spanische Gotik« eröffnet, dem
am 12. Juni ein weiterer von Professor Dr. Ludwig Curtius,
Heidelberg, über pompej anische Wandmalerei folgte.
— Am 13. Juli wurden die Mitglieder der Gesellschaft von
Universitätsbibliothekar Dr. J. Rest durch die Ausstellung
Oberrheinischer Buchillustration von 1475 bis
1550 geführt, die anläßlich der Tagung der Deutschen
Bibliothekare in Freiburg im Augustinermuseum veranstaltet
worden ist. — Das Sommersemester fand seinen Abschluß
am 18. Juli mit einem sehr lohnenden Ausflug nach
Kenzingen, wo die dortigen Kunstdenkmäler unter Füh-
rung des Architekten G. A. Meckel besichtigt wurden.
Im Wintersemester 1925/26 haben die Veranstaltungen
am 11. November mit einer wissenschaftlichen Monatssitzung
begonnen, die der Besprechung von Neuerscheinungen auf
dem Gebiete der kunstwissenschaftlichen Literatur durch

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