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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Gurlitt, Hildebrand: Die Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0170

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Hildebrand Gurlitt

Eine Inschrift1 an der Südseite des Langhauses (am zweiten Strebepfeiler von Westen) lautet:
»DO DAZ BROD VIR HALLER GALT DO WART D(IE)SE KAPP(ELL)E ANEGEHABEN. ANO DNI
MCCCXVII.« Zwischen dem Wort »Kappelle« und dem Wort »anegehaben« ist als eine Halbkugel die
Größe eines Brotes, das vier Heller kostete, angegeben. Die Halbkugel trägt den Buchstaben P (panis).
Der Stein, der die Inschrift trägt, ist mit dem Strebepfeiler, an dem er sich befindet, in festem Mauer-
verband, seine Schrift entspricht der Zeit um 1317. Die Inschrift sagt klipp und klar: Als das Brot vier
Heller kostete, wurde diese Kapelle2 angefangen. Man kann an der Echtheit der Inschrift nicht zweifeln.
Daß 1317 an den Kapellen gebaut wurde, ist die einzige sichere Nachricht, die wir über die Bauzeit des
Langhauses besitzen. Eine völlig unverbürgte Nachricht, aus der man auch keine Schlüsse zu ziehen be-
rechtigt ist, sagt, daß 1334 einige Strafgelder für den Bau der Katharinenkirche verwendet wurden3.
Die Bauzeit des Westchores wird durch zwei Inschriften, die Andrae angibt, bestimmt. Es heißt bei ihm:
»Eodem anno (143g) chorus iste quoque consecrabatur, prouti patescit ex sequentibus, olim
ibidem in pariete scriptis, sed pro more seculi male tornatis, versiculis:
M. quater C. ter X. novem, in quo festo
Simonis atque ludae, haec consecratio praestat.
Huius arae, cum choro, cum laude praeclara,
Mariae genetricis, Martyris & Catharinae, Gregorii
Papae, Presbyteri, Hyeronimique, Ambrosii Praesulum,
Augustinique tritorum : ut veniam scelerum dat
Quadraginta dierum, Huie Domui sua munuscula
Contribuenti Praeclarus lohannes Cerinensis
semper Antistes.
Id quod similiter ex alia, ibidem in pariete adhuc an. 1681. obvia, liquidum est inscriptione,
& quidem sequenti:
„Anno incarnationis 1439. ipso die Apostolorum Simonis & ludae, Altäre hoc cum choro
suo praeannexo, est consecratum in honorem & laudem Virginis intactae Matris Mariae sanctae,
ac Martyris Catharinae, Gregorii Papae, Hieronymi Presbyteri, Ambrosii, Augustini, Episco-
1 Bei Müller a. a. O. S. 79 heißt es: »daß die unter der Form des Brotes deutlich gestellten Worte annagehaben
anno domini 1517 ohne gehoben, d. h. ehe der Teig durch die Hefe aufgegangen war, gehoben hatte, gelesen werden
müßten, weil dadurch die ganz bestimmte Größe des Brotes dargestellt werden sollte, gewinnt an Wahrscheinlichkeit um
so mehr als das Wort anne in allen Schriften des Mittelalters nie anders als in der Bedeutung von ohne vorkommt. Das
Wort heben in Beziehung auf den Brotteig ist noch heute in mehreren deutschen Provinzen, namentlich am Niederrhein,
gebräuchlich. Diese Übersetzung ist, wie mir Professor Janentzky-Dresden zu bestätigen die Güte hatte, unrichtig. Auch
kommt es gar nicht darauf an zu wissen, in welchem Jahre gerade diese Kapelle angefangen wurde, da sie ja gewiß nicht
die erste der ganzen Reihe war. Wichtig ist allein die Tatsache, daß im Jahre 1517 an den Kapellen der Südseite ge-
baut wurde.
Man findet in älteren Schriften über Oppenheim wiederholt die Behauptung, daß der Bau der Kapellen durch
die Erhebung der Katharinenkirche zum Kollegiatstift im Jahre 1320 bedingt gewesen sei (z. B. Schmidt a. a. O. S. 11).
Es seien damals viele Altäre gebraucht worden. Aber die Altäre konnten auch ohne Kapellen aufgestellt werden, und der
Kapellenbau war seit 1317, also drei Jahre vor der Erhebung zum Kollegiatstift, schon im Gange.
2 Wenn Schmidt in seiner Festschrift a. a. O. S. 17 meint, daß mit dem Wort Kapelle die ganze Kirche gemeint
sei, so ist dies unbegründet.
3 Hessisches Staatsarchiv. Freih. Dalbergsches Archiv Conv. Oppenheim, 2. Fasz. Miscellanea.

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