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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Gurlitt, Hildebrand: Die Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0180

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Hildebrand Gurlitt

in die gleiche Bauzeit von Oppenheim fällt der Bau der Kirche in Ahrweiler, doch unterscheidet sie sich
im Aufriß als Hallenkirche so wesentlich von Oppenheim, daß man an eine Beeinflussung trotz der Ähn-
lichkeit im allgemeinen Raumbild nicht glauben kann. Die Klarheit und Regelmäßigkeit des Oppenheimer
Grundrisses, die alles übertrifft, was zeitlich zwischen Oppenheim und Trier liegt, macht es aber vor allem
unwahrscheinlich, daß die Chorlösung der Katharinenkirche von einem dieser niemals vollkommen ge-
lösten Grundrisse der genannten Kirchen abhängig ist.
Ein reifer Meister übernimmt die durch Braisne, Ypern und Trier überall bekannte Anregung
der übereck gestellten Nebenchöre in durchaus selbständiger Weise. Schon dem Grundriß gibt er die außer-
ordentliche Klarheit der Proportionen, die wir in allen Teilen des Baues wiederfinden (vgl. S. 178).
Der Aufriß zeigt das gleiche. Man kann die Oppenheimer nicht mit den niederrheinischen Bauten,
die einen ihr ähnlichen, von St. Yved in Braisne abhängigen Grundriß zeigen, in einen Schulzusammen-
hang bringen. Auch die sich aufdrängende Ähnlichkeit mit der Kapellenarchitektur am Kölner Domchor
bleibt bei näherer Betrachtung nur eine ganz allgemeine. Schon Schneider1 betont die Unterschiede in
allen Details zwischen den Oppenheimer und den Kölner Domfenstern. In der Bildung aller Einzelformen
von Kapitellen, von Basen und Rippenprofilen habe ich eine Ähnlichkeit nicht finden können, die über
das hinausgeht, was sich durch die gleiche Bauzeit erklären läßt. Auffallend ist nur das eine, daß in Köln
sich die Art der Profilierung der Oppenheimer Bündelpfeiler vorbereitet. Während im Chorhaus von Köln
die Pfeiler noch deutlich einen (allerdings schon nicht mehr kreisrunden) Kern zeigen, an den sich die
Dienste ansetzen, sind im Langchor die beiden Dienste, die die Gurtbögen tragen, durch eine in den Kern des
Pfeilers einschneidende Kehle mit den nächsten Diensten verbunden. In Oppenheim sind alle Dienste durch
eine Kehle verbunden, so daß der Kern des Pfeilers nirgends mehr zu erkennen ist2.
Mit Straßburg hat Oppenheim vor allem die Höhenproportion gemeinsam. Der Scheitel der Vie-
rungsbögen liegt genau auf der Spitze eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Seiten gleich der lichten Weite
der ganzen Kirche sind. Die Höhe der Vierungsbögen und die der Gurtbögen der Seitenschiffe läßt sich
durch drei übereinandergestellte gleichseitige Dreiecke, deren Seitenlänge gleich der lichten Weite der
Bögen sind, bestimmen. Auch im Langhaus des Straßburger Münsters fällt der Scheitel des Mittelschiffes
wie in Oppenheim mit der Spitze eines gleichschenkligen Dreiecks zusammen, dessen Seitenlänge die lichte
Weite der Kirche ist. Diese Proportionen finden sich bei dreischiffigen Kirchen der deutschen romanischen
Baukunst sehr häufig, so z. B. in Maria Laach, Schottenkirche in Regensburg, Limburg a. H. usw. usw.
(auch St. Yved in Braisne und vorher fast alle burgundischen Bauten des 12. Jahrhunderts, Paray-le-Mo-
nial, Langres, Beaune, St. Etienne in Nevers, Vorkirche von Vezelay). In der Gotik findet sich dieses Ver-
hältnis nur in einschiffigen Bauten (Notre Dame in Paris, Amiens und Le Mans). Wenn also das Lang-
haus in Straßburg und Oppenheim, dieses im dritten, jenes im vierten Viertel des 13. Jahrhunderts gebaut,
an dem alten romanischen Verhältnis festhält, so ist damit durchaus eine beachtenswerte Ähnlichkeit zu
erkennen. Doch ist dies noch nicht Grund genug, um eine Abhängigkeit der Oppenheimer Kirche zu
begründen. Vor allem aber sei auf folgendes hingewiesen: Die Oppenheimer Raumverhältnisse beweisen.

1 Schneider a. a. O. S. 26 und F. Schmitz, Dom zu Köln, 16. Lieferung, Blatt 4.
8 In Amiens ist der Pfeilerkern nicht rund, sondern polygon gebildet und seine Ecken sind deutlich zwischen
den einzelnen Diensten zu erkennen.

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