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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Gurlitt, Hildebrand: Die Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0196

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Hildebrand Gurlitt

selbst, zeigt deutlich, daß die Einführung der Wimperge in diese selben Pfeiler mit der gleichen Un-
gezwungenheit stattgefunden hat.
Des weiteren sei hier noch die Tatsache erwähnt, daß es sich bei der Restaurierung des Hoch-
chors des Kölner Doms unwiderlegbar herausgestellt hat, daß dort bei der Einfügung der Strebebögen an
das Mittelschiff genau dieselbe Baupraxis befolgt wurde, so daß bei der großen Wahlverwandtschaft, welche
zwischen beiden Bauten herrscht, mit vollem Recht auch auf eine Gleichartigkeit in dieser Beziehung ge-
schlossen werden darf.«
Zu dieser Darlegung ist wenig hinzuzufügen. Die Art, wie die Anschlüsse nicht nach einem genau
ausgearbeiteten Plan, sondern von Fall zu Fall angeordnet wurde, ist für die mittelalterliche Art zu bauen
sehr bezeichnend. Nur eins scheint mir sehr fraglich: ob bei der allgemeinen Zierlichkeit und Vielgliedrig-
keit der Südfassade tatsächlich diese schwere massige Form der Strebebögen beabsichtigt war. Daß nicht
erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Strebebögen mit offenem Maßwerk vorkommen, beweisen
unter anderen die Strebebögen am Chor in Amiens.
Der Kapellenbau (Abb. 7, £20 u. 21) und die Seitenschiffenster (Abb. 2, 6, g u. 21). Die
Gliederung der Kapellenwände ist bei allen Jochen in der Hauptsache gleich. Das Bezeichnende für diesen
Teil der Fassade sind dreieckig vorspringende kleine Streben, die die Fassade in demselben, nicht ganz ein-
fachen Rhythmus teilen, indem die Säulen im Seitenschiff die Arkaden der kleinen Empore gliedern. Zwischen
diesen dreieckigen Streben, die sich verkröpft auch über den Sockel hinab noch fortsetzen, befinden sich
Fenster oder fensterartiges Blendmaßwerk unter einem Spitzbogen. Ein Teil des reichen Profils, das diese
Fenster einfaßt, ein verhältnismäßig dicker Rundstab, durchschneidet die Sohlbank der Fenster und läuft
je neben der kantigen Strebe bis zum Sockel durch. Es ist durchaus bezeichnend für den Kapellenbau,
daß dieses aufsteigende Fensterprofil durch ein kräftiges horizontales Gesims, die Fensterbank, durchbrochen
wird. Die Durchschneidung von Profil und Fensterbank findet gerade an der Stelle statt, an der bei
Fenstern des 13. Jahrhunderts sich ein Kapitell befindet. Man erkennt hieran, wie sehr das Gefühl, daß
dieser Rundstab trägt und der Spitzbogen getragen wird, zur Zeit des Kapellenbaues verloren gegangen ist.
Das Maßwerk der Fenster der Kapellen selbst zeigt zwei verschiedene Formen: kleine Spitzbogen
und Kreise, die um einen Dreipaß sternförmig geordnet sind oder lange und schmale, in die drei Ecken
der Fenster reichende, spitzbogig geschlossene Felder, zwischen die Vierecke gestellt sind. Die Wandfläche
über den Fenstern ist mit kleinen Fischblasen und sphärischen Dreiecken gefüllt.
Die Felder vor den Strebepfeilern zeigen einen fensterartigen Blendspitzbogen mit dem gleichen
Profil wie die Fenster selbst. Als Unterteilung finden sich schmale und hohe Spitzbögen mit Dreipässen,
die auf Kleeblattbögen stehen. Zwischen den kleinen Spitzbögen liegt ein sphärisches Viereck. Kleine
Rosetten und einmal drachenartige Tiere füllen die Winkel über den Spitzbögen aus.
Außer der völligen Aufgabe des Betonens von tragenden und getragenen Gliedern ist für das Maß-
werk der Kapellen vor allem das Vorkommen von Fischblasen, von Kleeblattbögen bezeichnend. Weiter die
Tatsache, daß in den Feldern vor den Strebepfeilern die mittleren Spitzbogen schon ein wenig kielförmig
geschweift sind, daß an derselben Stelle die Dreipässe in den kleinen Spitzbögen nicht mehr gleichmäßige
Kurven zeigen, sondern anfangs stark ausgebaucht sind, nach der Spitze zu aber fast gerade Linien aufweisen.
Ganz ähnlich in Gliederung und Profil, also wohl auch aus gleicher Zeit, sind die drei westlichen
Seitenschiffenster (Abb. 6). Sie sind schon durch ihre breite Form völlig von den Proportionen der älteren

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