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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Gurlitt, Hildebrand: Die Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0209

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Die Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh.
es ist beinahe schon so, als ob sich das Gewölbe an einzelnen Stellen zusammenzöge und langsam in die
Pfeiler überginge.
Der ganze Raum ist auch jetzt noch, obgleich die Gewölbe fehlen, von einer seltenen Leichtigkeit
und Freiheit, die ihn zu einem der schönsten unter den späten Chören am Mittelrheine machen.
Zwischen dem älteren Teil der Kirche und dem Westchor steht ein Portal (Abb. 24), das seinen
Formen nach unbedingt in die Erbauungszeit des Chores paßt. Über kleinen Sockeln, deren Seiten kon-
kav gebildet sind, steigen hier nicht mehr klare Dienste auf, sondern beiderseits zwei Streifen von Profilen,
die sich in den Spitzen überschneiden. In der tiefen Kehle zwischen den beiden Profilstreifen findet sich
Blattwerk, schon ganz deutlich das Wühlende, Unklare, Zersplitterte und Heftige spätgotischer Linien-
führung zeigend. Über dem eigentlichen Portalbogen, in ganz unorganisch angebrachtem Blendmaßwerk
findet sich die Reliefdarstellung der Verkündung, und zwar in der für diese Zeit nicht eben seltenen
Form, daß außer Maria und dem Engel auch noch Gottvater dargestellt ist, von dem das Christuskind
auf einem Strahle zum Ohre Marias gleitet. Der Stilstufe nach gehören diese Figuren der Endzeit des
sogenannten weichen Stiles an, für die das Grabdenkmal der Anna von Dahlberg, gestorben 1410, das
beste Beispiel in Oppenheim ist. Rechts und links vom Portal finden sich zwei Halbsäulen mit einem
reichen Kapitäl, deren ursprüngliche Bedeutung man nicht erkennen kann. Nördlich vom Portal liegt
in der Westwand der alten Kirche eine Wendeltreppe, die wahrscheinlich auf eine Empore führte, die
über dem Portale lag, so daß das Portal mehr den Eindruck eines Lettners gemacht haben muß. Die
Gestaltung dieser ganzen Ostwand der alten Kirche und die des Erdgeschosses der romanischen Türme
ist durch den Einbau der Orgel und des großen Fensters darüber bei der Restaurierung so wesentlich
verändert worden, daß sich der alte Zustand nicht mehr rekonstruieren läßt.
Das Portal an der Südseite des Westchors ist niemals ganz fertig geworden.
Das jetzige Dach sowie die Restaurierung des stark zerstörten Fenstermaßwerks und aller Fialen
auf den Strebepfeilern der Südseite gehören der Zeit um 1890 an.
Auf der Nordseite des Westchores befindet sich eine zweigeschossige Sakristei.
In die gleiche Bauzeit wie der Westchor gehört auch die Erweiterung der alten Sakristei zwischen
Ostchor und dem südlichen Nebenchor. Die Basis des alten Strebepfeilers, der die äußerste Ecke der
alten Sakristei stützte, ist noch jetzt an der Außenmauer zu erkennen.

Literatur.

Andreae, Joh. Heinr., Oppenheimium palatinum 1778.
Andreae, Joh. Heinr., Commentatio de Oppenheimio, Heidelberg 1779.
Blätter für Geschichte der ehemal. Reichsstadt und der Orte des Oberamtes Oppenheim. Verlag Traumüller, Oppenheim.
Diehl, C., Katharinenkirche in Oppenheim, Darmstadt 1879.
Die Katharinenkirche zu Oppenheim. Herausgeg. von C. Hertel. Mit erläuterndem Text von Friedr. Schneider. Mainz 1877.
Franck, W., Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Oppenheim a. Rh., Darmstadt 1859.
Müller, Hubert Franz, Die Katharinenkirche in Oppenheim, Atlas m.Text, Darmstadt 1825-1856, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1855.
Schäfer, Katharinenkirche in Oppenheim, Zeitschr. für bild. Kunst, Jahrgang 1880, 15. B.
Schmidt, F. und H., Deutsche Bauzeitung, Jahrgang 1880 ff.
Schmidt, F. und H., Ausbau und Wiederherstellung der St. Katharinenkirche zu Oppenheim, 1889.
Schmidt, F. und H., Jahresberichte über den Ausbau der Katharinenkirche zu Oppenheim, im Archiv des Großherzogi.
Ministeriums des Innern und der Justiz in Darmstadt, Auszüge daraus in der Deutschen Bauzeitung, 1880 ff.

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