Joseph Körschgen: Persischer Windhund.
tünchtes, Wohlgefällig-Schönthuerisches. Das
Breit-Gefühlvolle, das biedere Pochen auf das
„goldene Herz“, das gerade in Österreich so
dankbarer Wirkung gewifs ist, erschien diesem
Echten als das Fadeste von allem. Eine Wut
hatte er darauf und ärgerlich konstatierte er
einmal, dafs Mitterwurzer als „Pfarrer von Kirch-
feld“ sich total vergriffen mit einer „Salbungs-
vollere!, die zum Davonlaufen war“. Alles
Phrasenhafte ist ihm zuwider und fatal berührt
ihn das gespreizte Wesen einer Todesanzeige,
in der ein Vater die „Rückkehr seines Töchter-
chens zur Allmutter Natur“ verkündet. Einen
Kübel voll Hohn schüttet er auf das billige Be-
geisterungsmaterial in den Preisliedern deutscher
Sangesbrüder, die mit Brustton voll und ganz
„ganze Wälder deutscher Eichen“ in Bewegung
setzen und mit deutschen Schwertern, Bannern,
Panieren, Oriflammen und Fahnen spektakeln.
Sein Feingefühl wird verletzt durch das selbst-
gefällig-provozierende Treiben gewisser „Frei-
denkerbündler“: „ich mag das Renommieren
mit dem Unglauben so wenig, wie das mit dem
Glauben. Ein Freidenkerbund schliefst schon
das freie Denken des Einzelnen aus, denn Para-
graph so und soviel der Vereinsstatuten ver-
pflichtet ja jedes Mitglied, nach Vorschrift des
Präsidiums frei zu denken.“
Dagegen mufs man ihn in Gefühlssituationen
sehen. Seinen Freunden gegenüber zeigen ihn
viele dieser Briefe in rückhaltloser Hingabe, die
immer ihre Worte voll Einfachheit und tief-
wurzelnder Stärke findet.
Wie kann er herzlich sein und wie bewegt,
wenn er fühlt, dafs er verstanden wird. Wie
kann er bewundern und wie kann er ehrlich-
offen seine Gegenmeinung sagen, sodafs aus dem
Tadel ein Freundschaftsbeweis wird. Denn
ihm genügt es nicht, und den Seinen soll es
auch nicht genügen, dafs er nur „ein blinder
guter Freund“ sei, dazu schätzt er seine mensch-
lichen Beziehungen und seine Anforderungen an
sich und die ihm Nahestehenden zu hoch ein.
Wie kann er aber auch in anderen Fällen zu-
sprechen und trösten. Seine Stimme bekommt
dann eine so eindringliche Herzensberedsamkeit,
sie klopft so stark und weckend an, dafs sie
nicht ungehört verhallt. Bei dem alten Freund
der Bohemezeit, dem Schauspieler Gürtler, be-
währt er sich so mit Rat und That; den alten
„Rappelkopf“, dem ewig graunzenden Schlögl,
der die Virtuosität des Übelnehmens hat, beweist
er immer wieder eine nachsichtige, gegen die
Schwäche gütige Herzenshöflichkeit; und
Rosegger, an den die schönsten Freundschafts-
briefe des „Kirchfelders“ geschrieben sind,
empfängt von ihm Worte so lebendigen Geistes
und solch engverwachsener Teilnahme, so heil-
sam in Warnung, Rat und Trost, dafs man
häufig den Eindruck eines wahrhaft wunder-
thätigen Seelenarztes erhält.
Und dieser Tröster der andern hatte es selbst
mit sich so wenig gut. „Ich stecke in keiner
guten Haut“, bekannte er selbst. Nicht häufig
sind die Stellen, die von den eigenen inneren
Krisen sprechen. Er war eben nicht wehleidig
und klagte nicht gern. Er war aber auch nicht
— und das macht sein menschliches Bild noch
anziehender — einer von den Starren, die hinter
unbeweglichen Mienen die Vorgänge ihres Innern
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