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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0454

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Ludwig Dettmann, Königsberg
Morgen ist Feiertag
die der Künstler als Sprecher des Ewigen uns
vermittelte. Wir fühlen, dafs wir an der Quelle
sitzen und dem Sang der Werdens leise lauschen.
Im Gegensatz zu Steinhausen, in dessen Kunst
als Mittelpunkt der Mensch steht, geht Thoma
wie Böcklin von der Landschaft aus. Tier und
Mensch entwickelt sich aus ihr. Es ist etwas
Pantheistisch-Heidnisches inThoma’s Kunst gegen
den ausgesprochen christlichen Zug bei Stein-
hausen. Dieser Maler wurde uns später bekannt
wie Thoma, und auch nachdem er jahrzehnte-
lang in Frankfurt geschaffen hatte. Sein Ent-
wicklungsgang ist ein wesentlich anderer. Man
hat Thoma sehr zu Unrecht einen Form-
Archaisten genannt, der auf Dürer und seine
Zeit zurückgehe, das deutsche Wesen brach so
wurzelfest in ihm durch, dafs es notwendig ver-
wandte Form annehmen mufste, wenn der
Künstler auch vom Realismus ausging. Dies
aber that Steinhausen nicht. Er hat die deutsche
Tradition insofern nicht abgebrochen, indem er
direkt an die Nazarener anknüpft und von diesen
über Ludwig Richter sich einen eigenen Stil
formte. Mit den Nazarenern verbindet ihn die
religiöse Grundlage, nur, dafs er protestantisch,
während jene katholisch empfanden, die religiöse
Grundlage nicht nur in der Wahl biblischer
Motive, vielmehr in der Naturauffassung über-
haupt. Steinhausen ist der wahrhaft evangelische
Künstler, und jeder seiner Figuren, selbst seinen
Porträts und seinen Landschaften haftet ein
Hauch dieses religiösen Gehaltes an. Nur ober-
flächliche Beobachter konnten ihn einen Nach-
ahmer Thoma’s nennen, mit dem er nichts ge-
mein hat, denn das urgermanische Wesen. Er
ist von einer Schlichtheit, die beinahe nüchtern
zu nennen ist, die aber durch ihre Lauterkeit
und natürliche Tiefe unwiderstehlich ist. Sein
Darstellungskreis ist naturgemäfs ein engerer

wie der Thoma’s, um genau so viel enger,
wie der Thoma’s enger ist denn Böcklins.
Denn alles Religiöse führt, je dogmatischer
es wird, immer zur Einseitigkeit. Ich sagte
schon, dafs er als Landschafter hinter Thoma
stehe, aber seinen Menschen eignet oft eine
Tiefe, die denen Thoma’s abgeht. Für
Thoma sind Mensch und Tier nur abstrakte
Daseinsformen, Steinhausens Menschen sind
Knechte Gottes, die sich jeden Augenblick
der ganzen Verantwortlichkeit eines christ-
lich empfindenden Menschen bewufst sind.
Dafs wir von dem Radierer und Litho-
graphen Bohle nichts zu sehen bekamen, ist
bedauerlich. Auch er gehört neben Thoma
und Steinhausen nach Frankfurt und zu
den seltneren Erscheinungen der deutschen
Kunst. Auch ihn haben oberflächliche
Beobachter einen Thoma-Schüler genannt,
obgleich er durchaus selbständig ist und nichts
mit ihm gemein hat wie sein urdeutsches Wesen,
das in ihm wieder auf eine wohl verwandte,
aber ganz besondere Art durchbrach. Frankfurt,
in dessen Mauern nicht eben viele Künstler
weilten, ist um diese drei Sterne zu beneiden.
Wie seltsam, wenn man von einem dieser
drei Künstler an Leibi denkt, diesen exzep-
tionellen Maler, was bleibt dann noch von
„Deutschtum“ an Leibi ? Er scheint dann ein
ganz genialer Ouvrier, aus dessen Seele sich
jedoch nicht ein eigenes Lied löste, der zwar
deutsche Typen malte und mit deutscher
Gründlichkeit, aber nicht deutsches Wesen neu
zu schaffen vermochte. Freilich, wenn nur
Thoma so malen könnte wie Leibi, dürfte Einer
nicht zu Unrecht rufen. Sein Geistesgenosse,
Trübner, schafft auch seit einer Reihe von
Jahren in Frankfurt, er ist ja nicht ganz so be-
deutend wie Leibi und mag viel von diesem
gelernt haben, aber er ist immerhin bedeutend.
Was Phantasie und Produktivität anbelangt,
scheint er noch einseitiger wie Leibi, und speziali-
siert sich immer auf einen gewissen Typus,
gleichsam als ob er ihn erschöpfen wollte. So
malt er nun immer braune Reiter im Grünen.
Man ist seltsam gefesselt von diesen eintönigen
und gleichmäfsigen Arbeiten und gewinnen sie
bei längerer Betrachtung beinahe etwas Sym-
bolisches; durch Farbe und Auffassung hat man
die Empfindung, als habe der Maler das
moderne Reiterporträt gewissermafsen als
Typus erfassen wollen. Es ist in diesen Bildern
ein gewisser Stil, ein Stil des Reinmalerischen.
Karlsruhe ist eine andere in der Reihe der
jungen deutschen Kunststädte, und hat sich auch
zu eigenem Stil und einem gewissen Ansehen
emporzuarbeiten gewufst. Von den jüngeren
Städten hat es eigentlich den prägnantesten
Charakter. Anfangs selber eine Pflanzstätte eines
Ablegers des Münchener Realismus, der durch
Kalkreuth und Schönleber dort gepflegt wurde,

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