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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Claus Hinrich Ringhoff
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0469

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schiff Nummer zwei. Aber Claus Hinrich Ring-
hoff kommt mit jedem Boot zurecht. Und die
es mit ihm wagen, sind tapfer wie Walrosse,
wenn er sie führt.
Niemals käme so ungeheure Kraft in einen
Menschenarm, wenn nicht das brüllende Element
an den Rudern risse, wenn nicht der Eisschaum
in den sausenden Lüften wäre wie die tausend
Messer eines gespenstischen Heeres. Das ist
kein Menschenkampf. Das sind Tiere, die sich
ineinander verbeifsen und vor Wollust schreien,
wenn scharfe Zähne ihre Brust aufreifsen. Auf
dem Elbleuchtschiff Nummer zwei kauen sie
Tabak und spielen Karten, aber hier pressen
sie die Zähne ineinander und eher bricht das
Handgelenk, als dafs ihr Ruder dem Wasser
nur eine Sekunde nachgiebt. Und so, von den
überstürzenden Wellen hin und her und zurück-
geworfen und dennoch keinen Augenblick das
Ziel verlierend, kommen sie an den Italiener
heran. Der liegt inmitten der stürzendenWasser
gleich dem schwarzgekohlten Gerippe eines ab-
gebrannten Hauses.
Wie Raupen sich an einem Zweig zusammen-
ballen, so klebt die Mannschaft in einem schwarzen
Klumpen aneinander. Die Leiter hängt schon
herunter. Und kaum ist das Boot heran, hängt
der erste auch schon da mit seiner Kiste unter
dem Arm. Dann beginnt ein wüstes Plumpsen,
Schreien und Stofsen von betrunkenen Menschen,

die mit ihren Kisten in das Boot wollen. Noch
eine Minute so und es ist übervoll.
„Die Kisten buten!“ schreit Ringhoff, und als
sie nicht hören, greift er die erste, die er greifen
kann und wirft sie ins Wasser. Gleich fuchtelt
ein brauner Kerl mit einem Messer. Da hat
er einen Schlag mit dem Ruder flach vor den
Kopf, dafs er rückwärts fällt, zwischen die
Menschen und Kisten. Das macht die andern
vernünftig. Die schwersten Kisten gehn ins
Wasser. Schon scheint alles in Ordnung. Da
schreit einer nach dem Kapitän. Der hat sich
irgendwo auf dem Schiff verkrochen. Ein paar
von den Kerlen wollen ihn nicht lassen und
klettern zurück. Während unten die Kraft aller
Handgelenke nötig ist, um das Boot bei dem
Schiff zu halten, kommen sie oben durch den
Schaum der spritzenden Wellen mit einem
schwarzbärtigen Menschen heran, der völlig be-
trunken ist und nicht von seinem Schiff hinunter
will. Bis an die Leiter wird er geschleift, aber
als er daran vor der Schiffswand hängt, an
einem Arm und einem Bein von den andern
gehalten, hat er in der freien Hand ein Rasier-
messer. Und wie beim Schächten einer Kuh
schneidet es den Hals auseinander, dafs sein
Blut ihn und den unter ihm wie einen Bach
überfliefst. Einer von den Kerlen lacht. Der
ihn oben hält, läfst ihn los und wie ein ge-
schlachtetes Vieh fällt er ins Wasser, wird von


Hubert von Heyden
München
Abgeschlagen

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