Johanna Äinkel.
Bonn zurückgeht und erklärt, wieder bei den Eltern
bleiben zu wollen. Aber eine Geschiedene hat es nicht
leicht; das ist in Bonn nicht anders als sonst in der Wslt.
Wendet sich eine solche dann gar einem Manne zu, der
schon verlobt ist, so ist die Empörung fertig. Und doch
haben Johanna und Gottfried Kinkel Jahre gebraucht,
bis sie sich zur Ehe entschlossen. Es war ein im höchsten
Sinn sittlicher Bund; denn Johanna war nicht schön,
Kinkel hatte keine Stelle und man mußte von Klavier-
stunden leben. Aber durch alle Bedrängnis blitzte die
Lebensfülle, Heiterkeit und Originalität dieser hoch-
gestimmten Seelen, und in dem „Maikäferbund", von
dem oben die Rede war, vereinigten sie freie, begabte,
leidenschaftliche rheinische Dichternaturen zu köstlich
zwanglosem Austausch. Der „Maikäfer", „eine Aeit-
schrift für Nichtphilister", hatte Willibald Beyschlag,
Jakob Burckhardt (als „Köbi"), A. Kaufmann, K. Sim-
rock, Em. Geibel, E. Ackermann (den Frühvollendeten)
u. a. zu Mitarbeitern. Jm Kreis dieser Tafelrunde wurde
zuerst Kinkels „Otto der Schütz" vorgelesen und bejubelt.
Johannas Beitrage waren außerordentlich vielseitig, von
dem Lied: „Maikafer, flieg" und der Komposition der
„Vogelkantate" bis zu dem Drama „Der letzte Salz-
block", von dem Jakob Burckhardt äußerte: „Der letzte
Salzblock hat mächtig gewirkt, und ich will Hans heißen,
wenn so etwas, anonym auf dem Bonner Theater vor-
qebracht, nicht besser amüsierte, als alle französischen
Konversationsstücke."
Nicht ohne schwere Gewissensbedenken trat Johanna
1843 zur evangelischen Kirche über, denn obwohl sie mit
ihrer katholischen Jugend langst gebrochen hatte, erschien
doch auch die Form der lutherischen Kirche ihr nicht ein
Ausdruck ihrer innersten Gesinnung. Jm Poppelsdorfer
Schloß haben dann die Beiden, endlich vereint, ihr
junges Maikäferglück erlebt, allen Sorgen zum Trotz.
Denn ihr Gatte verlor nicht nur die HilfSpredigerstelle
in Cöln; er durfte nicht einmal in Bonn Privatdozent
der Theologie bleiben. So wandte er sich der Kunst-
geschichte zu, und in diesem Fach hat er mehr geleistet,
als die breitere Öffentlichkeit weiß. Sein Buch: „Mosaik
zur Kunstgeschichte" enthält solide, originale, geist-
sprühende Aufsätze und Ansätze; der eine Aufsatz: „An-
fange profaner Malerei in der Renaissance" ist grund-
legend für eine große Publikation dieser Art geworden,
die ein Landsmann Johannas jetzt mitten im Krieg
herausgegeben hat.
Das Jahr 1848 brachte dann die Krisis. Kinkels
Beteiligung an der Erstürmung des Siegburger Aeug-
hauses führte zu seiner Verhaftung, Kerkerhaft und zum
Todesurteil, das der König dann nach langem Zögern
in lebenslängliche Auchthaushaft verwandelte. Was
Johanna in diesen Monaten an Unerschrockenheit, Wage-
mut, Entbehrung und Charakter bewiesen hat, das ist
ihre größte Leistung. Schon wollte sie, als alles ent-
schieden war und Gottfried nun wirklich in Sträflingü-
kleidern in Naugard, dann in Spandau saß, die Hande
sinken lassen; da kam ihr, wie ein Engel Gottes, Karl
Schurz zu Hilfe, der den geliebten Lehrer und Freund
ja dann auf so romantische und kühne Weise befreit hat.
Natürlich war den dreien damit die Heimat für immer
verschlossen. Jn London sind die letzten 10 Jahre
Johannas verbracht worden, zuerst in Flüchtlingsnot
und sparsamster Enge, dann aber getragen von viel
Freundschaft, Gemeinschaft und Erfolg. Noch einmal
wurde das Haus der beiden Kinkel ein Zentrum geistig
gehobenen Lebens, an dem Freiligrath, Malvida von
Meysenbug, Julius Rodenberg und Alerander Herzen
teilnahmen — Karl Schurz war inzwischen nach Amerika
gegangen. Johanna hat in dieser Aeit, in der ihre vier
Kinder erwachsen waren, noch viel geschriststellert neben
allen Klavierstunden, sowohl musikhistorisch (ein Aufsatz
über Chopin gilt als ihre beste Arbeit), wie auch im
Roman („Das Haus Jbeles"). Aber freilich zehrte die
Frau dabei ihre letzten Krafte auf. Die Schleier, die
über den Einzelheiten ihres plötzlichrn Todes (15. Nov.
1858) liegen, werden wohl nie ganz gelüftet werden.
Kinkel selbst und seine Freunde nahmen an, daß ein
Schwindel die Entkräftete erfaßt hätte, als sie in ihrem
Schlafzimmer am osfenen Fenster stand. Man fand sie
zerschmettert auf dem Hof. Wir haben kein Recht und
keine Neigung, in Vermutungen zu wühlen. Eine Natur
wie Johanna Kinkel hat Anrecht auf unseren Respekt,
für Leben wie für Tod. Der Gatte hat 1860 wieder
geheiratet.
Man sagt uns Rheinländern nach, wir wären zwar
charmante Menschen, hätten aber nicht immer Charakter.
Auf Johanna Kinkel paßt höchstens das umgekehrte Wort.
Sie bestach nicht durch ihre Erscheinung, sie hatte keine
schöne Singstimme, sie vergaß bei den Abendgesell-
schaften oft die Brötchen. Aber sie hatte das feste Herz
auf dem rechten Fleck, sie war kühn in der Freiheit ihrer
Entschlüsse und das ewige Leben der eigenen Seele
quoll unaufhaltsam aus ihr. Als Charakter hat sie auch
ihren Mann überragt. Tapfer hat sie die Schmähungen
der Bonner Bürger ertragen, und vor dem Festungs-
kommandanten in Rastatt, der ihren Mann gefangen
hielt, trug sie die klare Stirn einer männlichen Ent-
schlossenheit. So gehört sie im besonderen Sinne zum
„adeligen Geschlecht" der Rheinlanderinnen. f690j>
Paul Schubring.
ä Hond on dat Eechhohn.
Ä Verzellsche för Blahge von Johanna Kinkel.
Dat Drückche wor eckersch esu gruß, dat it met dä
Ooge üver da Desch luure konnt, wa Weck' e Milch
drob stond; it hatt' Höörcher wie Siggeflahs on Öögelscher
wie Wachelderköönscher. Jt drog e ruth wölle Jüsebche,
on e Butzeköbche. Si Moder wor en erm Wittfrau, die
moht sich ploge für et leve Brud; sie konnt' dem Drückche
keen Poppe maache: it moht met dem gruße Hond
spille, dä dät Huus bewaache däht. Dat wor e god
Dihr, ever e brommig Dihr. Hä hatt' ene schwaze
zoddelige Pelz on kletschige Ooge. Hä dinselte net vill
öm de Lück eröm, on blev stell en singem Hüüsche;
ever do hett Ener dem Drückche jet dohn solle, hä hett
ihm de Fetze us de Wackbrode geresse.
Do kom ens ene Mann elans, dä hatt' en Eech-
höhnjche ze verkofe, ä leev peffig brung Müggelsche,
met' em Stetzchen esu deck wie e Polsterwürschche. Do
drellte dat Drückchen e su lang an singer Moder, bes
sie sich et am Mond avtrook, on dem Blahg dat Eechhohn
koof'. Dat wor ene Buhei! dä ganze Dahg leet it dat
78
Bonn zurückgeht und erklärt, wieder bei den Eltern
bleiben zu wollen. Aber eine Geschiedene hat es nicht
leicht; das ist in Bonn nicht anders als sonst in der Wslt.
Wendet sich eine solche dann gar einem Manne zu, der
schon verlobt ist, so ist die Empörung fertig. Und doch
haben Johanna und Gottfried Kinkel Jahre gebraucht,
bis sie sich zur Ehe entschlossen. Es war ein im höchsten
Sinn sittlicher Bund; denn Johanna war nicht schön,
Kinkel hatte keine Stelle und man mußte von Klavier-
stunden leben. Aber durch alle Bedrängnis blitzte die
Lebensfülle, Heiterkeit und Originalität dieser hoch-
gestimmten Seelen, und in dem „Maikäferbund", von
dem oben die Rede war, vereinigten sie freie, begabte,
leidenschaftliche rheinische Dichternaturen zu köstlich
zwanglosem Austausch. Der „Maikäfer", „eine Aeit-
schrift für Nichtphilister", hatte Willibald Beyschlag,
Jakob Burckhardt (als „Köbi"), A. Kaufmann, K. Sim-
rock, Em. Geibel, E. Ackermann (den Frühvollendeten)
u. a. zu Mitarbeitern. Jm Kreis dieser Tafelrunde wurde
zuerst Kinkels „Otto der Schütz" vorgelesen und bejubelt.
Johannas Beitrage waren außerordentlich vielseitig, von
dem Lied: „Maikafer, flieg" und der Komposition der
„Vogelkantate" bis zu dem Drama „Der letzte Salz-
block", von dem Jakob Burckhardt äußerte: „Der letzte
Salzblock hat mächtig gewirkt, und ich will Hans heißen,
wenn so etwas, anonym auf dem Bonner Theater vor-
qebracht, nicht besser amüsierte, als alle französischen
Konversationsstücke."
Nicht ohne schwere Gewissensbedenken trat Johanna
1843 zur evangelischen Kirche über, denn obwohl sie mit
ihrer katholischen Jugend langst gebrochen hatte, erschien
doch auch die Form der lutherischen Kirche ihr nicht ein
Ausdruck ihrer innersten Gesinnung. Jm Poppelsdorfer
Schloß haben dann die Beiden, endlich vereint, ihr
junges Maikäferglück erlebt, allen Sorgen zum Trotz.
Denn ihr Gatte verlor nicht nur die HilfSpredigerstelle
in Cöln; er durfte nicht einmal in Bonn Privatdozent
der Theologie bleiben. So wandte er sich der Kunst-
geschichte zu, und in diesem Fach hat er mehr geleistet,
als die breitere Öffentlichkeit weiß. Sein Buch: „Mosaik
zur Kunstgeschichte" enthält solide, originale, geist-
sprühende Aufsätze und Ansätze; der eine Aufsatz: „An-
fange profaner Malerei in der Renaissance" ist grund-
legend für eine große Publikation dieser Art geworden,
die ein Landsmann Johannas jetzt mitten im Krieg
herausgegeben hat.
Das Jahr 1848 brachte dann die Krisis. Kinkels
Beteiligung an der Erstürmung des Siegburger Aeug-
hauses führte zu seiner Verhaftung, Kerkerhaft und zum
Todesurteil, das der König dann nach langem Zögern
in lebenslängliche Auchthaushaft verwandelte. Was
Johanna in diesen Monaten an Unerschrockenheit, Wage-
mut, Entbehrung und Charakter bewiesen hat, das ist
ihre größte Leistung. Schon wollte sie, als alles ent-
schieden war und Gottfried nun wirklich in Sträflingü-
kleidern in Naugard, dann in Spandau saß, die Hande
sinken lassen; da kam ihr, wie ein Engel Gottes, Karl
Schurz zu Hilfe, der den geliebten Lehrer und Freund
ja dann auf so romantische und kühne Weise befreit hat.
Natürlich war den dreien damit die Heimat für immer
verschlossen. Jn London sind die letzten 10 Jahre
Johannas verbracht worden, zuerst in Flüchtlingsnot
und sparsamster Enge, dann aber getragen von viel
Freundschaft, Gemeinschaft und Erfolg. Noch einmal
wurde das Haus der beiden Kinkel ein Zentrum geistig
gehobenen Lebens, an dem Freiligrath, Malvida von
Meysenbug, Julius Rodenberg und Alerander Herzen
teilnahmen — Karl Schurz war inzwischen nach Amerika
gegangen. Johanna hat in dieser Aeit, in der ihre vier
Kinder erwachsen waren, noch viel geschriststellert neben
allen Klavierstunden, sowohl musikhistorisch (ein Aufsatz
über Chopin gilt als ihre beste Arbeit), wie auch im
Roman („Das Haus Jbeles"). Aber freilich zehrte die
Frau dabei ihre letzten Krafte auf. Die Schleier, die
über den Einzelheiten ihres plötzlichrn Todes (15. Nov.
1858) liegen, werden wohl nie ganz gelüftet werden.
Kinkel selbst und seine Freunde nahmen an, daß ein
Schwindel die Entkräftete erfaßt hätte, als sie in ihrem
Schlafzimmer am osfenen Fenster stand. Man fand sie
zerschmettert auf dem Hof. Wir haben kein Recht und
keine Neigung, in Vermutungen zu wühlen. Eine Natur
wie Johanna Kinkel hat Anrecht auf unseren Respekt,
für Leben wie für Tod. Der Gatte hat 1860 wieder
geheiratet.
Man sagt uns Rheinländern nach, wir wären zwar
charmante Menschen, hätten aber nicht immer Charakter.
Auf Johanna Kinkel paßt höchstens das umgekehrte Wort.
Sie bestach nicht durch ihre Erscheinung, sie hatte keine
schöne Singstimme, sie vergaß bei den Abendgesell-
schaften oft die Brötchen. Aber sie hatte das feste Herz
auf dem rechten Fleck, sie war kühn in der Freiheit ihrer
Entschlüsse und das ewige Leben der eigenen Seele
quoll unaufhaltsam aus ihr. Als Charakter hat sie auch
ihren Mann überragt. Tapfer hat sie die Schmähungen
der Bonner Bürger ertragen, und vor dem Festungs-
kommandanten in Rastatt, der ihren Mann gefangen
hielt, trug sie die klare Stirn einer männlichen Ent-
schlossenheit. So gehört sie im besonderen Sinne zum
„adeligen Geschlecht" der Rheinlanderinnen. f690j>
Paul Schubring.
ä Hond on dat Eechhohn.
Ä Verzellsche för Blahge von Johanna Kinkel.
Dat Drückche wor eckersch esu gruß, dat it met dä
Ooge üver da Desch luure konnt, wa Weck' e Milch
drob stond; it hatt' Höörcher wie Siggeflahs on Öögelscher
wie Wachelderköönscher. Jt drog e ruth wölle Jüsebche,
on e Butzeköbche. Si Moder wor en erm Wittfrau, die
moht sich ploge für et leve Brud; sie konnt' dem Drückche
keen Poppe maache: it moht met dem gruße Hond
spille, dä dät Huus bewaache däht. Dat wor e god
Dihr, ever e brommig Dihr. Hä hatt' ene schwaze
zoddelige Pelz on kletschige Ooge. Hä dinselte net vill
öm de Lück eröm, on blev stell en singem Hüüsche;
ever do hett Ener dem Drückche jet dohn solle, hä hett
ihm de Fetze us de Wackbrode geresse.
Do kom ens ene Mann elans, dä hatt' en Eech-
höhnjche ze verkofe, ä leev peffig brung Müggelsche,
met' em Stetzchen esu deck wie e Polsterwürschche. Do
drellte dat Drückchen e su lang an singer Moder, bes
sie sich et am Mond avtrook, on dem Blahg dat Eechhohn
koof'. Dat wor ene Buhei! dä ganze Dahg leet it dat
78