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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 4
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Halm, August Otto: August Halm: Violinübung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0113

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August Halnr.

heißt: die notwendigen technischen Ubungen haben sich
unmittelbar zu rechtfertigen durch einen auch für den
Schülcr klaren Ausammenhang mit wirklich musikalischen
Awecken. Jch habe mich deshalb bestrebt, eine Reihe von
Übungen aus den Aufgaben, will sagen aus Melodien
heraus zu entwickeln; mein Grundsatz war dabei, daß
eine Schule vor allem das gute Uben zu lehren habe.

Es versteht sich, daß mich, als ich meine Arbeit vor-
bereitete, das Mitgefühl mit den jungen Gemütern und
Gehirnen gelcitet hat. Wer aber meine andern Arbeiten
kennt, wird vermuten, daß der Eifer um die Musik selbst
und ihr Ergehen mich auch hier antrieb. Meine Violin-
übung stammt gleichermaßen wie meine Bücher, wenn
nicht noch mehr, aus einem kunstpolitischen Willen.
Wollte ich doch mit diesen keineswegs die bisherige
Asthetik weiter ausbauen, sondern vielmehr eine neue
Art von musikalischer Asthetik begründen, vder sagen wir
lieber: ein neues und kräftiges Wissen um die Musik
anbahnen, mit dem ich durchaus nicht in erster Linie die
Köpfe der Fachmusiker zu bereichern, sondern die Freunde
der Musik zur Mündigkeit oder doch zur Hoffnung und
zum Mut auf einen solchen Austand zu erziehen mich sehne.

Jmmer wieder haben große Meister auf den Kreis
der Liebhaber geblickt, wenn sie dem Widerstand der
Fachleute zu erliegen drohten, und nnmer wieder ver-
gaß man, die Hilfe für die Kunst ernstlich und grundsätz-
lich zu suchen, die außerhalb der Berufsmusiker gefunden
werden könnte, wenn sie eben bereitet wäre. Ein neuer
Unterricht, eine wirkliche Erziehung tut not; diese darf
sich nicht länger an den Iielen eben der Berufsmusiker

rieg und Kunst.*)

Es ist ein gewagtes Unternehmen, während des Kriegesein
Buch über Krieg und Kunst zu schreiben. Das vorliegende Buch
jedoch ist bereits vor einigen Monaten erschienen, zu einer Zeit also,
da wir die HLHe des Krieges ebensowenig hinter uns hatten wie
heute. Aber dennoch ist die Arbeit des Stuttgarter Privatdozenten
Ui. H. Hildebrandt mit Dank cntgegenzunehmen. Für die richtige
Cinstellung des Lesers sorgt schon das Vorwort, nach welchem die
Anregung sich aus Vorlesungen an der Stuttgartcr Hochschule im
Winter 1914/15 ergab. Es ist also zu erwarten, daß der Historiker
stark in Vordergrund tritt, doch will das Buch natürlich auch den
zeitgemäßen Fragen, wie der Weltkrieg auf unsere Kunst einwirkt,
nachgehen, und in dieser Verquickung des geschichtlich Abgeschlossenen
mit unfertigem Gegenwärtigen haben gewissenhafte Leute gelegent-
lich einen Geschmacksfehler gcsehen. Uber Frieden und Kunst wird
sich freilich nie etwas Abgeschlossenes schreiben lassen, dagegen
leben wir doch der Hoffnung, daß dieser Krieg einmal sein Ende
erreichen wird. Und so mLchte es viellcicht doch besser gewesen sein,
dieses Buch wäre erst ein Jahr nach dem Kriege erschienen, es hätten
sich dann für viele Betrachtungen auch andere Gesichtswinkel durch
den Verfasscr ergeben. Denn darin liegt eben ein literarischcr
Widcrstreit, daß objektiv gesehene, historische Betrachtungen mit
subjektiven zeitlichen abwechseln, und dieses wieder steht in Wider-
spruch mit dem gebundenen Rahmen eines Buches.

Ohne Zweifel hat sich aber vr. Hildebrandt mit dem 336 Seiten
zählendcn Buche cin wissenschaftliches Vcrdienst erworben. Cs
ist das erste Mal, daß der Versuch gemacht wird, die Wirkungen
deS Krieges auf das künstlerische Schaffen nicht nur auf einem be-
grcnzten Teilgebiet zu erforschen, sondern allcn Kriegseinflüssen,
auch den vcrstecktcsten, nachzuspüren. Und was Hildebrandt in

*) Hans Hildebrandt: Krieg und Kunst mit 36 Abbildungen
zeitgenLssischer Kunstwerke. 1916. München, R. Piper L Co.,
Verlag.

orientieren, die zum größten Teil entscheidend versagt
haben, wo sie herrschten, die Maß und Richtung gebend
stets nur das Wichtige hinderten und die Heilsbringer
in der Ecke stehen ließen. Wie sollten die ungenialen
Tüchtigen alle, die braven Techniker, geborene Unter-
gebene und nur als solche nützlich, zu einer Mündigkeit
in Kulturdingen erziehen, die sie selbst nicht haben, von
deren Möglichkeit sie kaum etwas ahnen? Jhren Bann zu
durchbrechen vermag immer nur ein solcher, der an ihrem
Können nicht minder teil hat als an der jugendlichen und
gesunden Gesinnung des Dilettanten, des Musikfreundes;
und ein solcher muß sich endlich einmal der musizierenden
Menschheit, vor allem der bisher ganz ungenügend ge-
nährten und schlecht bedachten Anfanger annehmen.
Wie gesagt nicht nur, damit sie es besser haben (aber
gewiß auch deshalb!), sondern auch damit sie einst eine
Macht werden können, die der Kunst zugut kommt,
indem sie die ausschließliche Herrschaft der Berufs-
menschen bricht.

Jch habe wohl mehr, insbesondere mehr Dilettanten
unterrichtet als seit langem ein Musiker meines Rangs;
dabei lernte ich nicht nur die Rechte, sondern auch den
Wert und die Pflicht der Musikfreunde erkennen und
schätzen. Jhnen zu beidem besserzu verhelfen als es bisher
geschah, habe ich mit meinen Arbeiten mir zum Iiel
gesetzt, zu denen neben meiner Violinschule meine
„Kleinen Suiten für Violine und Klavier", mein Heft
„Kammermusik", die Sammlung „Stücke zum Vortrag"
gehören, und, wie ich hoffe, bald auch noch eine Klavier-
schule für Anfänger gehören wird. (698^ A. H.

dieser Hinsicht an Tatsachenstoff zusaminenträgt, läßt auf eine sehr
ernste und fleißige Gelehrtenarbcit schließen. So schreibt er in
einzelnen Abschnitten über die umnittelbaren Wirkungen des
Krieges auf die bildende Kunst, dann über die zerstLrenden und auf-
bauendcn Wirkungen des Krieges, ferner über die mittelbaren Wir-
kungen des Krieges auf die bildende Kunst, den Einfluß historischer
Kriege, die Baukunst, Malerei, Plastik, Waffen, in einem Anhang
über den Nachteil der Heeresrüstungsausgaben auf die Kunst,
dann endlich über den jehigen Krieg und die bildende Kunst vor dem
Kriege und während desselben.

Es kann nicht Aufgabe dieser Besprechung sein, aus der Fülle
des Tatsachenstoffes herauszuschLpfen; dies hat vr. Hildebrandt
in oft vielleicht nur zu peinlicher Weise bis zu einem Maße getan,
daß das ebenfalls mit Geschick herausgearbeitete Verhältnis der
innersten Beziehungcn zwischen Krieg und Kunst etwas über-
schattet wird. Und fast scheint es, als ob dem Gelehrten dabei etwas
der Herzschlag ausgeseht hätte, denn hinter allen geistvollen Be-
trachtungen wächst nicht das Verhältnis von einst zu heute heraus,
es erscheint uns kein Fingerzeig, der die politischen Umwandlungen
im Kriegsseelischen zu deuten vermLchte: dort im Altertum ein
personifiziertes, aber ästhetisch eingeschlagenes Selbstherrschertum,
heute ein künstlerisch fast teilnahmjoses Geldmachertum als ge-
heimste Triebfeder aller politischen Crscheinungen. Cs ist schade um
die große Gelehrtenarbeit, die in Hildebrandts Buche steckt, daß er
diescr einzigen Gleichung aus dem Wege gegangen ist, sie hätte
ihm die Antwort auf so viele Fragen der Gegenwart leicht gemacht.
So diese, warum unsere Künstler in aktiver Kriegskunst so arm sind,
während auf passivem Gebiet, wo das große Weh dieses Krieges
alle künstlerischen Außerungen beeinflußt, so viel Gutes schon ge-
leistet worden ist. Cs erklärt sich eben daraus, daß wir politisch
so wcit gebildct waren, den Willen zur Kultur ohne Krieg zu bilden,
und daß die heutige politische Cinsicht wieder das Gegenteil er-
fordcrt. Deshalb haben so unendlich viele ihre Stellung zum Krieg
nicht gefunden, und, obschon sie sich mit vielleicht noch tieferem
Ernst als tausend Beliebige in die große Krise gestürzt haben, er-

lv;
 
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