leben sie den Krieg in einer inneren Umwandlung, die unmiglich
schon formbildend sich äußern kann. Dies alles ist auch Or. Hilde-
brandt geläufig, mehrere Bctrachtungen deuten darauf hin; so ist
die kommende Nationalisierung unserer Kunst doch nichts anderes
als das große Heimfinden der Einzelnen zur frischen Quelle ihres
Menschentums. An Grundsätzlichem ist unser Leben gescheitert;
gehe es in freier, tüchtiger Arbeit in einer schöneren Leistung auf.
Vielleicht schrcibt uns dann Or. Hildebrandt ein zweites Buch,
das ohne historisches Gepäck die wahre Größs der schweren
Aeit erschauen läßt, das die Spannung unserer Cmpfindungen löst
und in das künstlerische Morgenrot des neuen Deutschland leuchtet.
s689ss I. F. Häuselmann.
lingspor-Karten.
Die Ansichtspostkarte ist eins von den Dingen, die immer
wieder von dcr Mode verschlungen und immer in neuer Gestalt
wicdergeboren wsrdsn. Wer sich der ersten „Ansichten" noch erinnert,
der von unbeholfenen Lithographen und Holzschneidern gemachten
„schönen" Burgen oder Wirtshäuser, die man gegen Ende der acht-
ziger Iahre vereinzelt bekam, der wciß, wie sehr dieses Wieder-
geborenwerden der Ansichtskarte genüht hat. Ieht sind die als
Radierung oder Kupfcrdruck oder auch nur als einfache Autotypie
und Lichtdruck ausgeführtcn Karten, die uns von allen schönen und
berühmten Orten der Erde zufliegen, oft kleine Kunstwerke; die
Künstler haben sich der Ansichtskarte angenommen und es gibt
manches malerische Örtchen, de;sen Reize, von der Hand eines
Malers festgehalten, so in aller Welt bekannt werden. Die voll:
kommenere Drucktechnik gestattet schöne farbige Wiedergaben,
und es ist nur natürlich, daß man die hübschen Blättchen nicht mehr
fortwirft; wcnn schon der schriftliche Inhalt kaum so wichtig ist,
so sieht man gem in müßigen Stunden die kleine Sammlung no ch
einmal an, die sich da ungewollt bildet. Nicht immer aber, wenn
wir die Postkarte brauchen, um einen Gruß, cinen Dank oder nur ein
Lebenszeichen auszutauschen, ist eine „Ansicht" am Platze. So
entstand eine neue Art Karten, die entfernt verwandt mit der ge-
malten Glückwunschkarte, wie sie in den Iugendtagen unserer
Eltcrn ihre zarten Reize cntfaltete, eine Art Gesinnungszeichen dar:
stellt, das mit dem Bild oder einem Wort eines bedeutenden
Menschen oder mit beidem nun ctwas wie ein Zuruf sein sollte.
Bismarcks Wort „Wir Deutsche fürchten Gott usw." ist von vielen
Unbcrufenen auf dicse Wcise unzähligemal mißbraucht worden;
kein Gedenktag des Volkes verging, der nicht eine derartige Karte
nüt sich brachte; so war es nur natürlich, daß der Krieg auch seine
besonderen Kriegspostkartcn zeitigte.
ES sind schlimme Dinge dabei verbrochen worden, leichtfertige
Bilder in zweierlci Sinn und nicht allzeit zu verantwortende
Sprüche dazu sind hin- und hergesandt von Unzähligen, denen
weniger der gute Wille als die Einsicht fehlte. Es ist zu schweigen
von den Greueln einer Kino-Sentimentalität, die süß gestellte
Gruppcn mit den Gemcinplätzen einer Schlagerlyrik verziert,
und in Millionen von Exemplaren leider mehr gekauft und ver-
sendet wird, als man glauben möchte. Hier wäre wohl ein Gebiet,
auf dem der reinigende Besen des behördlichen Verbots etwas
gründlicher fegen dürfte. Wer nur einmal einige von den erschüt-
ternd wahren photographischen Ansichtskarten aus dem Feld an-
gesehen hat, die von draußen an uns geschickt werden und oft das
lehte und einzige Grcifbare sind, was uns von den dort in die Hölle
des Kampfes Geworfencn bleibt, der wciß, daß es unverantwort-
lich ist, diesen Schund von kolorierter Süßigkeit dorthin gelangen
zu lajsen. Nun sind in cinem Münchener Verlag, I. F. Lehmann,
Postkarten erschienen, die aus der Klingsporschen Offizin an
Type und Druck technisch das Beste sind, das man sich nur wünschen
kann und deren Herausgeber in der Auswahl der Tcxte mit jener
Sachkenntnis und zugleich jenem Mute zu Werke gegangen ist,
der es wagen kann, dem Volk die kostbarsten Schätze seiner GeisteS-
welt in die Hand zu geben, ohne in die Gefahr zu geraten, ihm
ungenießbare Dinge zu bieten.
Die Karten sind zu je zehn in kleinen Mappen vereinigt und
auf gutes wcißes Kartenpapier meist zweifarbig gedruckt. Type
und Druckanordnung sind so gewählt, wie wir es von den besten
Vorzugsdrucken der Klingsporschen Werkstatt kennen, die, von
Künstlern wie Professor Otto Hupp beraten und bedient, sich neben
die schönen Erzeugnisse aus den Zciten stellen dürfen, da es noch
eine Buchdruckerkunst gab; wenn auch einige sich direkt an die alten
Vorbilder anlehnen, was Initiale oder Anordnung betrifft. Die
Karten sind nach dem Text zusammcngestellt und es finden
sichnebenMappenmitWortcnvonBismarck, Moltke, Clause-
witz auch andere von Lagarde, Fichte und Friedrich dem
Großen, funkelnde Ketten von herrlichen Gedanken, die wir
stolz als deutsches Cigentum herzeigen und unseren Freunden zur
Erinnerung oder zum Trost und zur Aufmunterung schickcn können.
Die Teilung in Spruchkarten und Vollkarten ist sehr geschickt.
Die Spruchkarte, die als Kopfleiste den Spruch trägt, läßt rcich-
lich Raum für eigene „Ansichten"; während die Vollkarte, reicher
verziert, dcn Text auf die ganze Seite vertcilt und damit eine Karte
schafft, die als Glückwunschkarte in demselben Sinn „sinnig" ge-
nannt werden kann, wie das unsere Eltern von ihren gemalten
sagen durften, die den Sinn des Cmpfängcrs leise da anrühren
sollten, wohin der Schreiber mit seincm Gcfühl zielte, wenn auch
die Ieit indessen härter und der Sinn der Karten ernster gewordcn
ist. Die Neihen, es sind bis jeht etwa fünfundzwanzig da, werden
noch ausgebaut, sie haben schon eine Mappe mit Tenien, eine
andere mit Worten unserer Dichter zur deutschen Sprache, eine mit
Lessings feingeschliffenen Aussprüchen, und es ist kaum eine zu
nennen, die nicht zu rühmen wäre.
Der Prcis für jede Mappe zu zehn Stück ist 7b Pfg., auf
echtem Bütten 1 Mk., also nicht mehr als schlechte Karten auch
kosten, und es wäre schön, wenn diese deutsche Arbeit, die da ge-
leistet ist, so sehr als nur möglich bekannt würde. Diese
Karten dienten nicht nur bei unseren Gegnern unsercm Ansehen,
auch im eignen Volk könnten sie dem Stolz und der Iuversicht, die
wir haben müssen, gerechte Stühen geben im Geist, den sie weiter
tragen. s693s L. S.
erschollene Gedichte.
Gesammelt von Crnst Lissauer.
Jnschrift an einem Hause.
Gott gibt mehr auf einen Tag
Als ein ganzes Königreiche vermag.
Ie mehr er gibt, je mehr er hat,
Und bleibet dennoch ein reicher Gott.
Diesen Spruch habe ich abgeschrieben von eincm Hause zu
Lüneburg, das in der Straße „Auf dem Kauf" steht und 1646
erbaut worden ist. Vier Ieilen voll überraschend starker Gott-
erschauung und voll tiefsinnender Einfalt. Darin ist von denr Geiste
jenes, der Fünftausend speiste mit wenigen Broten und Fischen
und noch übrig behielt, und zugleich von dem Gcist der Goetheschen
Hymne, welche die Natur in widergelagerten Gleichnissen preist,
und in der es heißen könnte: „Ie mehr sie gibt, desto mehr hat sie".
Von dem schenkenden, sich schenkend immer crneuernden Gotte,
den gegenwärtige Menschen meincn. Steht über der Tür eines
geringen Hauses in einer verschollenen Gasse einer abseitigen
Stadt, und fäslt bestätigend mit der Kraft einer Verkündigung in
die Seele eines im Dorübergehen Lesenden. s658j
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Ianders, B.-Gladbach.
Gedruckt mit Farben der Chr. Hostmann - Steinfeldschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplar« wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.
schon formbildend sich äußern kann. Dies alles ist auch Or. Hilde-
brandt geläufig, mehrere Bctrachtungen deuten darauf hin; so ist
die kommende Nationalisierung unserer Kunst doch nichts anderes
als das große Heimfinden der Einzelnen zur frischen Quelle ihres
Menschentums. An Grundsätzlichem ist unser Leben gescheitert;
gehe es in freier, tüchtiger Arbeit in einer schöneren Leistung auf.
Vielleicht schrcibt uns dann Or. Hildebrandt ein zweites Buch,
das ohne historisches Gepäck die wahre Größs der schweren
Aeit erschauen läßt, das die Spannung unserer Cmpfindungen löst
und in das künstlerische Morgenrot des neuen Deutschland leuchtet.
s689ss I. F. Häuselmann.
lingspor-Karten.
Die Ansichtspostkarte ist eins von den Dingen, die immer
wieder von dcr Mode verschlungen und immer in neuer Gestalt
wicdergeboren wsrdsn. Wer sich der ersten „Ansichten" noch erinnert,
der von unbeholfenen Lithographen und Holzschneidern gemachten
„schönen" Burgen oder Wirtshäuser, die man gegen Ende der acht-
ziger Iahre vereinzelt bekam, der wciß, wie sehr dieses Wieder-
geborenwerden der Ansichtskarte genüht hat. Ieht sind die als
Radierung oder Kupfcrdruck oder auch nur als einfache Autotypie
und Lichtdruck ausgeführtcn Karten, die uns von allen schönen und
berühmten Orten der Erde zufliegen, oft kleine Kunstwerke; die
Künstler haben sich der Ansichtskarte angenommen und es gibt
manches malerische Örtchen, de;sen Reize, von der Hand eines
Malers festgehalten, so in aller Welt bekannt werden. Die voll:
kommenere Drucktechnik gestattet schöne farbige Wiedergaben,
und es ist nur natürlich, daß man die hübschen Blättchen nicht mehr
fortwirft; wcnn schon der schriftliche Inhalt kaum so wichtig ist,
so sieht man gem in müßigen Stunden die kleine Sammlung no ch
einmal an, die sich da ungewollt bildet. Nicht immer aber, wenn
wir die Postkarte brauchen, um einen Gruß, cinen Dank oder nur ein
Lebenszeichen auszutauschen, ist eine „Ansicht" am Platze. So
entstand eine neue Art Karten, die entfernt verwandt mit der ge-
malten Glückwunschkarte, wie sie in den Iugendtagen unserer
Eltcrn ihre zarten Reize cntfaltete, eine Art Gesinnungszeichen dar:
stellt, das mit dem Bild oder einem Wort eines bedeutenden
Menschen oder mit beidem nun ctwas wie ein Zuruf sein sollte.
Bismarcks Wort „Wir Deutsche fürchten Gott usw." ist von vielen
Unbcrufenen auf dicse Wcise unzähligemal mißbraucht worden;
kein Gedenktag des Volkes verging, der nicht eine derartige Karte
nüt sich brachte; so war es nur natürlich, daß der Krieg auch seine
besonderen Kriegspostkartcn zeitigte.
ES sind schlimme Dinge dabei verbrochen worden, leichtfertige
Bilder in zweierlci Sinn und nicht allzeit zu verantwortende
Sprüche dazu sind hin- und hergesandt von Unzähligen, denen
weniger der gute Wille als die Einsicht fehlte. Es ist zu schweigen
von den Greueln einer Kino-Sentimentalität, die süß gestellte
Gruppcn mit den Gemcinplätzen einer Schlagerlyrik verziert,
und in Millionen von Exemplaren leider mehr gekauft und ver-
sendet wird, als man glauben möchte. Hier wäre wohl ein Gebiet,
auf dem der reinigende Besen des behördlichen Verbots etwas
gründlicher fegen dürfte. Wer nur einmal einige von den erschüt-
ternd wahren photographischen Ansichtskarten aus dem Feld an-
gesehen hat, die von draußen an uns geschickt werden und oft das
lehte und einzige Grcifbare sind, was uns von den dort in die Hölle
des Kampfes Geworfencn bleibt, der wciß, daß es unverantwort-
lich ist, diesen Schund von kolorierter Süßigkeit dorthin gelangen
zu lajsen. Nun sind in cinem Münchener Verlag, I. F. Lehmann,
Postkarten erschienen, die aus der Klingsporschen Offizin an
Type und Druck technisch das Beste sind, das man sich nur wünschen
kann und deren Herausgeber in der Auswahl der Tcxte mit jener
Sachkenntnis und zugleich jenem Mute zu Werke gegangen ist,
der es wagen kann, dem Volk die kostbarsten Schätze seiner GeisteS-
welt in die Hand zu geben, ohne in die Gefahr zu geraten, ihm
ungenießbare Dinge zu bieten.
Die Karten sind zu je zehn in kleinen Mappen vereinigt und
auf gutes wcißes Kartenpapier meist zweifarbig gedruckt. Type
und Druckanordnung sind so gewählt, wie wir es von den besten
Vorzugsdrucken der Klingsporschen Werkstatt kennen, die, von
Künstlern wie Professor Otto Hupp beraten und bedient, sich neben
die schönen Erzeugnisse aus den Zciten stellen dürfen, da es noch
eine Buchdruckerkunst gab; wenn auch einige sich direkt an die alten
Vorbilder anlehnen, was Initiale oder Anordnung betrifft. Die
Karten sind nach dem Text zusammcngestellt und es finden
sichnebenMappenmitWortcnvonBismarck, Moltke, Clause-
witz auch andere von Lagarde, Fichte und Friedrich dem
Großen, funkelnde Ketten von herrlichen Gedanken, die wir
stolz als deutsches Cigentum herzeigen und unseren Freunden zur
Erinnerung oder zum Trost und zur Aufmunterung schickcn können.
Die Teilung in Spruchkarten und Vollkarten ist sehr geschickt.
Die Spruchkarte, die als Kopfleiste den Spruch trägt, läßt rcich-
lich Raum für eigene „Ansichten"; während die Vollkarte, reicher
verziert, dcn Text auf die ganze Seite vertcilt und damit eine Karte
schafft, die als Glückwunschkarte in demselben Sinn „sinnig" ge-
nannt werden kann, wie das unsere Eltern von ihren gemalten
sagen durften, die den Sinn des Cmpfängcrs leise da anrühren
sollten, wohin der Schreiber mit seincm Gcfühl zielte, wenn auch
die Ieit indessen härter und der Sinn der Karten ernster gewordcn
ist. Die Neihen, es sind bis jeht etwa fünfundzwanzig da, werden
noch ausgebaut, sie haben schon eine Mappe mit Tenien, eine
andere mit Worten unserer Dichter zur deutschen Sprache, eine mit
Lessings feingeschliffenen Aussprüchen, und es ist kaum eine zu
nennen, die nicht zu rühmen wäre.
Der Prcis für jede Mappe zu zehn Stück ist 7b Pfg., auf
echtem Bütten 1 Mk., also nicht mehr als schlechte Karten auch
kosten, und es wäre schön, wenn diese deutsche Arbeit, die da ge-
leistet ist, so sehr als nur möglich bekannt würde. Diese
Karten dienten nicht nur bei unseren Gegnern unsercm Ansehen,
auch im eignen Volk könnten sie dem Stolz und der Iuversicht, die
wir haben müssen, gerechte Stühen geben im Geist, den sie weiter
tragen. s693s L. S.
erschollene Gedichte.
Gesammelt von Crnst Lissauer.
Jnschrift an einem Hause.
Gott gibt mehr auf einen Tag
Als ein ganzes Königreiche vermag.
Ie mehr er gibt, je mehr er hat,
Und bleibet dennoch ein reicher Gott.
Diesen Spruch habe ich abgeschrieben von eincm Hause zu
Lüneburg, das in der Straße „Auf dem Kauf" steht und 1646
erbaut worden ist. Vier Ieilen voll überraschend starker Gott-
erschauung und voll tiefsinnender Einfalt. Darin ist von denr Geiste
jenes, der Fünftausend speiste mit wenigen Broten und Fischen
und noch übrig behielt, und zugleich von dem Gcist der Goetheschen
Hymne, welche die Natur in widergelagerten Gleichnissen preist,
und in der es heißen könnte: „Ie mehr sie gibt, desto mehr hat sie".
Von dem schenkenden, sich schenkend immer crneuernden Gotte,
den gegenwärtige Menschen meincn. Steht über der Tür eines
geringen Hauses in einer verschollenen Gasse einer abseitigen
Stadt, und fäslt bestätigend mit der Kraft einer Verkündigung in
die Seele eines im Dorübergehen Lesenden. s658j
Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Ianders, B.-Gladbach.
Gedruckt mit Farben der Chr. Hostmann - Steinfeldschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbeten.
Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplar« wird keine Verpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.