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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 5
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Schäfer, Lisbeth: Fahne und Vereidigung
DOI Artikel:
Zech, Paul: Flucht aus dem Graben: vier Sonette
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0141

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Fahne und Vereidigung.

oder volkheitliche Teile durch ein Gewebe persön-
licher Beziehungen an sich zu heften, denn ihre Be-
ziehungen sind von vornherein keine wechselseitigen.
Seine Einsamkeit, vorher gleichsam nur eine privative
durch die Gefühle seelischer Verwaistheit, wird später
negativ durch die ausgemachte Feindschaft der durch
ihn Beherrschten. Hinfort ist er nicht bloß verlassen
und allein, sondern heimlich oder öffentlich verhaßt.
Und von diesem Dornenweg des Einsamen und des
Herrn zugleich erzahlt, wie mich bedünkt, abschließend
und mit edelster Gewalt der Überredung Bonapartes
Totenmaske, die in ihrer milden Hoheit wunder-
lich genug uns Deutsche an den Abguß Schillers will
gemahnen.

lucht aus dem Graben.

Vier Sonette von Paul Aech.

1. Kornfeld.

Dem Labyrinth aus Stein, Geschrei und Blut
bin ich entflohn . . . bin ich entflohn!

Jn diesem Roggenschlag, ganz gelb schon, ohne Mohn:
wie friedsam mein zerriebenes Gehirn jetzt ruht!

Unzahliger Halme steiler Wellengang
bespült mich spröden Block Basalt
und schäumt Gewalt

gemischt aus Brotgeruch und Tanz und Klang.

Aus jeder Ahre rieseln Haare braun und blond.
2uer über meine Stirn —: o zarter Strich des Strohs!
Und meinem Munde nah: wer bist du, Mund?

. . . schwer in das samenschwere Roggen-Rund
fühl ich mich fließen, überfließ die Trümmer Vaur's
und wittere Posaunen trommeln an die Dämme Front.

2. Musik.

Musik.... durch unseres Blutes Schwärze zischt
Musik. . . . o glühenden Metalles Stich!

Wie sind wir plötzlich wieder Kind durch dich,
nach taubem Schorf und Schmutz so lichterfrischt!

Aus Wipfeln, übersehenen, tobt, schaumt
Kaskadenlauf der Klarinette und des Horns.

Blank fortgefegt miteins Konzert des Korns
vom Sprung der Trommeln, glockenspielgesäumt.

Ein Ozean durchbraust die Lagerreihn,
des Dorfs Ruine bis zum Grabenrand.

Gewehre bröckeln rostig aus erschrockener Hand.

Erschrocken Alles! An den Rand des Meers
sinkt waffenlos das heiße Herz des Heers
und stürzt hinein.

3. Feindin Maria.

Einmal gesehen dich durch Lücken Aaun,

einmal gewogen deines Haares Braun,

einmal durchschauert vom Akzent

des Lieds, das Nacht für Nacht durch deine Kehle brennt:

Wie Föhn im Forst denkt sich mein Wille frei,
daß ich dir, nahe schon, noch näher sei,
daß ich der Feindschaft Eis
an deines Leibes Grenzen hinzuschmelzen heiß'.

Denn du bist helle Enkelin der Frau,
die Mönche malen: Gold auf Wolken-Blau;
und frierst noch immer klein und herzallein.

Jch aber bin nicht dich zu grüßen nur

der Schatten deiner schattenlosen Spur —:

in meinem Herzen hören Furcht und Feindschaft auf

fzu sein!

4. Dorfquartier.

Jch bin so tief in dieses Haus gebaut,
daß ich die Armut schon wie Wärme fühle.

Kein Atem weht, dem nicht die Kühle
der Fremdheit in Gesprächen taut.

Wie Tiere eines Wald's, den noch kein Licht
aus Jägeraugen hellte, flattern unsere Aungen
rudelgemeinsam durch die Dämmerungen.

Gesicht der Greisin blüht wie mein Gesicht.

Wie sind wir alle kinderjung im Sturm der Aeit

die diese grüne Ebene zersägt

und Gott noch einmal an die Espe schlägt;

hier wäre Ur-Land —: fühlte ich nicht schon den Brand,
der das Asyl entweiht,

mit jedem hergeklungenen Schuß im Puls der Hand.

f711)

ic Madonnen von Brügge.

Von Willi Dünwald.
ifinicht bekanny wer das Bild schuf von der schmerzhaften
kRutter, die ihr stilles Frauenleid leise ausweint im Kapitelsaal
dint>)edrale von Brügge. So innerlich ist dies Weinen, daß
es den sugen des überaus traurigen, mehr jungfraulichen als
frauuchen Gesichtes nicht anzuhaftcn scheint, und nur wenn man
nLher herantrttt — wobei man Ehrfurcht vorm Schmerz außer acht
zu lassen die pemliche Empfindung hat —, sieht man die Trünen
uud die Wangen herunterperlen. Ncin, es
Yt nicht bekannt, wessen Hand solches zu schaffen imstande gewesen,
was zu wisjen ja eigentlich auch nur von akademischer Bedeutung
ist gegenuber dem einen und wichtigen: daß ein Mensch es ver-
mochte aus semer Jnbrunst heraus.

Denn das ist ja das Wertvolle an diesem Madonnenbild, daß
es aus der Jnbrunst heraus gekommen und nicht von nur meister-
hafter Technik gekonnt ist. Aber es stammt eben aus jener Zeit,
wo nicht nur in Brügge die Maler knieend und mit gefaltenen
Herzen malten, obgleich sie der Weltkinder genug um sich hatten,
zumal in Brügge, wo im 14. und 15. Jahrhundert die prachtlieben-
den burgundischen Herzöge und eine reiche Hansa derart Hof
hielten, daß Johanna von Navarra, als sie den Prunk der Gewänder
zu Brügge sah, erstaunend sprechen durfte: sie habs geglaubt, allein
KLnigin zu sein, hier aber sehe sie Hunderte wie sich. Doch die
künstlerische Gotteskindschaft dieser Maler zu Brügge war so
zwingend, daß sich die Weltkinder, Herzöge wie Hansa, ihr ergaben
und sie schühten und schirmten, also man die Fürsten und Kauf-
leute von heute nicht ihrer allzugroßen Weltkindschaft wegen ver-
klagen darf, weil damit zugleich das nicht mehr Awingende der
 
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