Kunstwissenschaftliche Betrachtungen über stüdtische Bauformen.
süchtiq wie vordem in der Renaissance, sondern leicht
sich über das Stilistische erhebend ttnd nur der sachlichen
Bauform nachgehend. Natürlich finden s'chHN'ch zur Zeit
des Reichsstadtetums schon Ansatze hierzu. So ist Rothen-
burg ob der Tauber viel geordneter angelegt und das
Rathaus zeugt im allgemeinen von eincr so stilistischen
Iucht, wie wir es in jener Aeit eben nicht oft finden.
Auch in den Handelsstadten, in denen ein politisch weit-
schauender Geist lebendig war, finden wir .stüge^ stmcs
gröster, bewußter schaltenden Bauens, das zuruckgeht
bis auf die Kolonialstadte im ehemaligeit Deutschherren-
land und dem viel-
leicht in der herrlich
ebenmaßigen Kunst
des Augsburger Rat-
hauses eine Krone aus-
gesetzt werden kann.
Vom Deutschen hat
diese Kunst des Elias
Holl freilich nur das
Schlichte, Vereben-
mäßigte, sonst ist sie
rein italienisch und
hielt sich von dcm
sonst in Deutschland
gepflegten Eigensüch-
tigen fern.
So kommt man
denn darauf, daß die
Baukunst die offen-
barste Gestalterin einer
Weltanschauung ini
Volke ist, daß sie uns
schlechtweg ein Buch
deutscher Politik sein
kann. Jede Kunst deckt
die Anschauung und
Sitten einer Zeit auf,
und so ist denn zu
sagen, daß die Aeit
der deutschen Renais-
sance wohl die Aeit
des ersten Deutsch-
bürgertums tvar, daß
sie aber politisch zu
zersplittertgewesen ist,
um sich Hoffnung auf
eine größere Aukunft
zugraben.Vieleschöne
Einzelleistungen sind es, die uns aber nichts vom
Glauben an ein Gesamtordnendes sagen, deshalb aus-
einanderfallen und für die spätere Ieit praktisch vcr-
loren gehen. Um unserer Aeit etwas davon zu retten,
mußte der Heimatschutz erfunden werden, und so war
cs kein Wunder, daß er ebenso verkehrt sentimental aus-
fiel, wie seine Schutzwerke nur Ausfluß eines engen
Gegenwartsgeistes waren. Jenen Fürsten des 18. Jahr-
hunderts, die ihre großzügig angelegten Stadte schufen,
>var solches in hohem Maße bewußt, und so ist ihnen
ihr Sinnen und Trachten auch geglückt. Karlsruhe,
Mannheim, Ludwigsburg, Potsdam, Neustrelitz usw.
Kirche bei Sakrow an der Havel. (19. Jahrh.)
sind ihrem Gewande heute noch nicht entwachsen, wir
erkennen in ihnen immer noch Schöpfungen eines
Totalitätssinnes, der uns beim Schaffen stadtischer Bau-
formen unentbehrlich erscheint. Und trotzdem in der
BauauSführung noch das Handwerkliche den Ton angibt,
sehen wir auch hier schon ein Vereinheitlichen der Formen,
ohne daß sie langweilig werden. Das ist eben dann
wieder der Hauch des Künstlerisch-Persönlichen, der von
dem Grade zeugt, wie stark und eigentümlich die künst-
lerische Kraft sich des Wissenschaftlichen bediente und
nicht ihni untergeben war. Deshalb erscheinen alle
jeneStadtschöpfungen
so gesamtherrschend,
weil über allem Wis-
senschaftlichen, Tech-
nischen, der Atem
einer Kunst liegt, die
sich alles untertan zu
machen verstand.
Wenn alledieseStädte
auch infolge Einge-
bung eines Einzelwil-
lens entstanden sind,
so wurden sie doch für
das Volk gebaut, das
darin die Verkörpe-
rung seiner Wohnbe-
dürfnisse sehen sollte.
Deshalb konimt es
nicht so sehr darauf
an, ob ein fürsorglicher
Fürst mit scinem Bau-
meister es gewesen ist,
der diese Aufgabe an-
faßte, oder das Volk
in seiner Gesamtheit,
die für die Ausführung
doch die passenden
Kräfte zu bestimmen
hätte. Denn hier un-
terscheidet sich das
demokratische Prinzip
von heute von dem-
jenigen der Renais-
sance, daß es nicht
die sEigensucht eines
Eigenwillens fördert,
sondern ebensosehr
wohlweises, bewußtes
Untcrordncn in den erkannten Gesamtgeist verlangt.
Vom Herrschertum eines Eingeistes unterscheidet es sich
dann nur darin, daß es Bewußtheit im Volke voraus-
setzt und es so mitverantwortlich für das Ganze macht.
Von solchem demokratischen Kunstwesen sind wir
freilich heute noch sehr weit entfernt. Es ivird aber stets
Aiel unserer Bestrebungen bleiben müssen, wenn wir
nicht dem unsicheren Glück einer neuen Einkunst ver-
trauen wollen. Einkunst im schöpferischen und mit-
geteilten Sinne gedacht, denn es wird heute nicht ge-
nügen, sie hervorzubringen, sondern sie müßte zum
mindestcn von einer sehr geschickten Kraft eingeführt
süchtiq wie vordem in der Renaissance, sondern leicht
sich über das Stilistische erhebend ttnd nur der sachlichen
Bauform nachgehend. Natürlich finden s'chHN'ch zur Zeit
des Reichsstadtetums schon Ansatze hierzu. So ist Rothen-
burg ob der Tauber viel geordneter angelegt und das
Rathaus zeugt im allgemeinen von eincr so stilistischen
Iucht, wie wir es in jener Aeit eben nicht oft finden.
Auch in den Handelsstadten, in denen ein politisch weit-
schauender Geist lebendig war, finden wir .stüge^ stmcs
gröster, bewußter schaltenden Bauens, das zuruckgeht
bis auf die Kolonialstadte im ehemaligeit Deutschherren-
land und dem viel-
leicht in der herrlich
ebenmaßigen Kunst
des Augsburger Rat-
hauses eine Krone aus-
gesetzt werden kann.
Vom Deutschen hat
diese Kunst des Elias
Holl freilich nur das
Schlichte, Vereben-
mäßigte, sonst ist sie
rein italienisch und
hielt sich von dcm
sonst in Deutschland
gepflegten Eigensüch-
tigen fern.
So kommt man
denn darauf, daß die
Baukunst die offen-
barste Gestalterin einer
Weltanschauung ini
Volke ist, daß sie uns
schlechtweg ein Buch
deutscher Politik sein
kann. Jede Kunst deckt
die Anschauung und
Sitten einer Zeit auf,
und so ist denn zu
sagen, daß die Aeit
der deutschen Renais-
sance wohl die Aeit
des ersten Deutsch-
bürgertums tvar, daß
sie aber politisch zu
zersplittertgewesen ist,
um sich Hoffnung auf
eine größere Aukunft
zugraben.Vieleschöne
Einzelleistungen sind es, die uns aber nichts vom
Glauben an ein Gesamtordnendes sagen, deshalb aus-
einanderfallen und für die spätere Ieit praktisch vcr-
loren gehen. Um unserer Aeit etwas davon zu retten,
mußte der Heimatschutz erfunden werden, und so war
cs kein Wunder, daß er ebenso verkehrt sentimental aus-
fiel, wie seine Schutzwerke nur Ausfluß eines engen
Gegenwartsgeistes waren. Jenen Fürsten des 18. Jahr-
hunderts, die ihre großzügig angelegten Stadte schufen,
>var solches in hohem Maße bewußt, und so ist ihnen
ihr Sinnen und Trachten auch geglückt. Karlsruhe,
Mannheim, Ludwigsburg, Potsdam, Neustrelitz usw.
Kirche bei Sakrow an der Havel. (19. Jahrh.)
sind ihrem Gewande heute noch nicht entwachsen, wir
erkennen in ihnen immer noch Schöpfungen eines
Totalitätssinnes, der uns beim Schaffen stadtischer Bau-
formen unentbehrlich erscheint. Und trotzdem in der
BauauSführung noch das Handwerkliche den Ton angibt,
sehen wir auch hier schon ein Vereinheitlichen der Formen,
ohne daß sie langweilig werden. Das ist eben dann
wieder der Hauch des Künstlerisch-Persönlichen, der von
dem Grade zeugt, wie stark und eigentümlich die künst-
lerische Kraft sich des Wissenschaftlichen bediente und
nicht ihni untergeben war. Deshalb erscheinen alle
jeneStadtschöpfungen
so gesamtherrschend,
weil über allem Wis-
senschaftlichen, Tech-
nischen, der Atem
einer Kunst liegt, die
sich alles untertan zu
machen verstand.
Wenn alledieseStädte
auch infolge Einge-
bung eines Einzelwil-
lens entstanden sind,
so wurden sie doch für
das Volk gebaut, das
darin die Verkörpe-
rung seiner Wohnbe-
dürfnisse sehen sollte.
Deshalb konimt es
nicht so sehr darauf
an, ob ein fürsorglicher
Fürst mit scinem Bau-
meister es gewesen ist,
der diese Aufgabe an-
faßte, oder das Volk
in seiner Gesamtheit,
die für die Ausführung
doch die passenden
Kräfte zu bestimmen
hätte. Denn hier un-
terscheidet sich das
demokratische Prinzip
von heute von dem-
jenigen der Renais-
sance, daß es nicht
die sEigensucht eines
Eigenwillens fördert,
sondern ebensosehr
wohlweises, bewußtes
Untcrordncn in den erkannten Gesamtgeist verlangt.
Vom Herrschertum eines Eingeistes unterscheidet es sich
dann nur darin, daß es Bewußtheit im Volke voraus-
setzt und es so mitverantwortlich für das Ganze macht.
Von solchem demokratischen Kunstwesen sind wir
freilich heute noch sehr weit entfernt. Es ivird aber stets
Aiel unserer Bestrebungen bleiben müssen, wenn wir
nicht dem unsicheren Glück einer neuen Einkunst ver-
trauen wollen. Einkunst im schöpferischen und mit-
geteilten Sinne gedacht, denn es wird heute nicht ge-
nügen, sie hervorzubringen, sondern sie müßte zum
mindestcn von einer sehr geschickten Kraft eingeführt