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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 6
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Häuselmann, Johann Friedrich: Kunstwissenschaftliche Betrachtungen über städtische Bauformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0150

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Äunstwissenschaftliche Betrachtungen über städtische Bauformen.

sehen. AuchdiePfarr-
kirche in Bayr.-Ein-
stein ist kein se aus-
gesprochener Stadl-
bary ebensowenig
aber Landbau, son-
dern es handelt sich
hier um diejenige
Gruppe von stadti-
schen Bauteiy die sür
daS Stadtgrüne be-
stinimt sind. Da sind
dann Theodor Fischer,

Hans Schurr usw.
vortreffliche Stim-
mungskünstler; dort
hinter hochastigen
Bäumen die ein-
fachen, aber zart ge-
gliederten Massen
des Theaters, hier
im Tannenwald die
üppiger ausgebenden
Formen des Barock. Dazu gehört auch das Wasserwerk in
Altona, ein Jndustriebau im Sinne etwa des 18. Jahrhun-
derts, der noch rein dazu bestimmt ist, der natürlichen Um-
gebung ein architektonisches Stim-
niungsmittel zu geben.

Was sodann das Reinformale,

Reinstilistische angeht, so gehören
diese Bauten noch einer beschau-
licheren Art des Kunstschaffens an.

Das Vereinfachen ist besonders bei
der Einsteiner Kirche nicht so weit
geführt, daß wir sie als reinen
Ausdruck eines Architektur-Erpres-
siomstcn zu »ehnien vermöchten.

Es handelt sich hier im Gegenteil
um ein etwas selbstgefälliges Hei-
matschützlertum, dem auch Fischer
trotz der weit größeren Eigenkraft
mitunter erlegen ist. Das Heil-
bronner Theater gibt eher etwas
jener selbständigen Flächenmusik,
die nut den Mitteln des Geschicht-
lichen nur so nebenher schaltet.

Das Reinformale ist aber doch
vom stilistisch Gewollten noch so
angebiedert, daß die in diesem
Bau zweifellos lebende Triebkraft
für unser lebendiges Mitenipfinden
gehemmt wird. Das Wasserwerk
in Altona wäre trotz dem dekorativ
Vollkommeneren von jenem so-
noren Rhythmus des endlos Ver-
einfachten erfüllt, wenn nicht der
Mittelbau mit einer so weichen
Dachform abgedeckt ware. Man
denke sich diese fort, und vor
unseren Augen steht ein Haus, das
in seiner klaren, einfachen Form,

besonders aber in den
strengen Linien einen
Gegensatz zum Natür-
lich-Weichen der Um-
gebung schafft, der in
uns schon etwas von
der Kunst ahnen läßt,
die sich hier nicht ohne
Erfolg bemüht hat,
der Äaturnote eine
Kunstnotebeizugeben,
daß Spannungen von
Werten entstehen, die
wir doch wieder sich
lösen sehen.

Bei allen diesen
Bauten handelt es sich
fernerhin um Gegen-
stände desDreidimen-
sionalen, des Körper-
haften und Flächen-
haften für den Be-
schauer zugleich. Da
lassen sich auch die künstlerischen Mittel noch leichter ver-
teilen, doch besteht die Mehrheit der städtischen Bau-
aufgaben für den einzelnen Künstler heute im Awei-
dimensionalen, im rein Flächen-
haften also. Über dieses hinweg
findet sich wohl alles wieder zum
Dreidimensionalen zusammen, aber
es tritt der Städtebauer auf den
Plan, während für die Architekten
eine Reihe von Einzelaufgaben
abfallen. Schlechtweg ist in der
Stadt sowohl als in der Natur
jede Bauaufgabe nur Einzelauf-
gabe, indem doch stets ein Vor-
handenes mit einem Kunstmittel
zu bereichern ist. Das Bauen ein-
zelner Häuser in einer Straße wird
daher wohl richtiger als Teilauf-
gabe bezeichnet, und das Folge-
richtige ist dann, daß zuerst das
Ganze einigermaßen festsitzen muß.
DemsehrlangebestandenenMangel
dieser Erkenntnis haben wir es zu-
zuschreiben, daß unsere Straßen-
bilder keinerlei Einheit, keinerlei
Schönheit mehr zeigen. Das war
eine ganz falsche Art der Baufrei-
heit, daß sie als Folge der poli-
tischen Freiheiten so ausgelegt
wurde, daß jeder Parzellenbesitzer
auch meinte, seine Parzellenkunst
haben zu müssen. Es war in viel
schlimmerer Art dasselbe Ergebnis
eines demokratischen Prinzips, das
zum Romantisieren unserer mittel-
alterlichen Städtchen geführt hat.
Da in der neuen Aeit außerdem
meist sogenannte Aucharchitekten

Häuser iu Hellerau. (Kurt Frick.)

Micthaus in Stuttgart. (Eisenlohr L Pfennig.)
 
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