KunstwissenschaftUche Betrachtungen über städtische Bauformen.
Empfangsgebäude in Stuttgart. (Pau> Bonah.)
nicht gut überboten werden dürften. Jm Stuttgarter
Bahnhof werden wir einen Bau erhalten, der trotz seiner
Größe sachlich sofort erfaßbar wird und von einem
Adel der Formen getragen ist, der so zurückhaltend sich
geben wirchdaß sich die trägste menschliche Vorstelülng in
Tatigkeit versetzt fühlen muß. Ahnlicher Geist waltet
in dem Fabrikbau von Hans Pölzig, in der Eisen-
brücke von Hermann Billing, in> Botschaftsgebaude
von Peter Behrens und im Warenhaus von Wilheln:
Kreis. Mit Paul Bonatz, dem Erbauer des Stuttgarter
Bahnhofes, erkennen wir bei
allen diesen Künstlern ein ge-
samtgeistiges Durchschaffen des
Förmlichen, das dann durch
einen künstlerischen Atem be-
seelt wird, der dem Werk den
Stempel des Künstlers aus-
drückt. Das ist dann der Stil
unserer Aeit, daß wir in sol-
chem Großbau den Künstler so-
fort erkennen in der Art, wie
er uns zum Mitempfinden ver-
anlaßt, ohne daß der Überblick
über das Sachliche an sich gc-
trübt würde. Nirgends dürfen
wir cine Unklarhcit aufdeckcn,
alles muß uns notwendig gefügt
und verbunden erscheinen. Jn
dieser Endarbeit werden freilich
auch unsere besten Künstler eine
eiserneSelbstprüfung nie außer
acht lassen dürfen. Wohl be-
zeugen sie ein schönes, totales
Erfassen der zahlreichen städti-
schen Großbauaufgaben, doch
im Ganzeinsügen der cinzelnen
Teile, besonders aber im orga-
nischen Verbinden sind gelegenl-
lich noch Unterlassungen zu bc-
achten.
Die meisten solcher Bauten
bieten den Vorzug des drei-
dimensionalcn Gestaltens schon
in der Einzelleistung, und da ein
Künstler das Formale dann
viel selbstandiger beherrscht, so kommt es leicht vor,
daß er beim Durchbildcn des Aweidimensivnalen, Einzel-
flachigen in der Spannkraft zu viel nachgibt. Jn der
Art, wie Gesimse durchgehen, verbinden und ausscheiden,
erkennen wir eben auch ein StückMeistertum, das beim
Ganzen nicht fehlen dars. Bonatz ist hier auch iiu Stutl-
garter Bahnhof etwas leichtfertig vorgegangcn; ein
Sockel scheidet bei ihm überhaupt aus, die Attikagesinise
setzen oft etwas tötend ab, so daß sich immerhin Einzel-
betrachtungen ergeben, die in der Freude über das Ge-
samtformale stören. Bei einer
Fabrik werden wir in dieser
Hinsicht weniger gewissenhast
scin, aber Pölzig hat bei scinem
hier gewahlten Bcispiel es auch
vernueden, uns den Eindruck
des Gesamtverbundenen zu
geben. Trotzdem geben sich die
Formenmassenschön geschlossen,
wozu, wie beim Stuttgarter
Bahnhof, natürlich auch die ein-
heitliche Wahl des Baustoffes
beitragt. Hier Muschelkalk, dort
Backstein; es ist ctwas Großes
um solches Bauformen aus
eineni Stoff heraus. Ebenso
groß geschaltet wirkt die
Eisenbrücke mit den wuchtigcn
Brückentürmen. Es hat lange
gedauert, bis das Eisen so form-
geschlossen in die Baukunst ein-
geführt wurde, wie es hier ge-
schehen ist. Mit scinem stab-
artigen Wirken ist es eigentlich
das selbständige Flächige und
nur in der umrissenen Gesanit-
forni körperhaft wirkend. Dem
hilft aber Billing durch eine
geschlossene Umrißlinie in
schönster Weise nach, so daß
alles Ästelnde fest verbunden
erscheint.
Die Botschaftshausseite und
die WarenhauSschauseite gehö-
ren eigentlich wieder zum
Dcittsches Botschaftsgebäude in Petersburg.
(Peter Behrens.)
I4Z
Empfangsgebäude in Stuttgart. (Pau> Bonah.)
nicht gut überboten werden dürften. Jm Stuttgarter
Bahnhof werden wir einen Bau erhalten, der trotz seiner
Größe sachlich sofort erfaßbar wird und von einem
Adel der Formen getragen ist, der so zurückhaltend sich
geben wirchdaß sich die trägste menschliche Vorstelülng in
Tatigkeit versetzt fühlen muß. Ahnlicher Geist waltet
in dem Fabrikbau von Hans Pölzig, in der Eisen-
brücke von Hermann Billing, in> Botschaftsgebaude
von Peter Behrens und im Warenhaus von Wilheln:
Kreis. Mit Paul Bonatz, dem Erbauer des Stuttgarter
Bahnhofes, erkennen wir bei
allen diesen Künstlern ein ge-
samtgeistiges Durchschaffen des
Förmlichen, das dann durch
einen künstlerischen Atem be-
seelt wird, der dem Werk den
Stempel des Künstlers aus-
drückt. Das ist dann der Stil
unserer Aeit, daß wir in sol-
chem Großbau den Künstler so-
fort erkennen in der Art, wie
er uns zum Mitempfinden ver-
anlaßt, ohne daß der Überblick
über das Sachliche an sich gc-
trübt würde. Nirgends dürfen
wir cine Unklarhcit aufdeckcn,
alles muß uns notwendig gefügt
und verbunden erscheinen. Jn
dieser Endarbeit werden freilich
auch unsere besten Künstler eine
eiserneSelbstprüfung nie außer
acht lassen dürfen. Wohl be-
zeugen sie ein schönes, totales
Erfassen der zahlreichen städti-
schen Großbauaufgaben, doch
im Ganzeinsügen der cinzelnen
Teile, besonders aber im orga-
nischen Verbinden sind gelegenl-
lich noch Unterlassungen zu bc-
achten.
Die meisten solcher Bauten
bieten den Vorzug des drei-
dimensionalcn Gestaltens schon
in der Einzelleistung, und da ein
Künstler das Formale dann
viel selbstandiger beherrscht, so kommt es leicht vor,
daß er beim Durchbildcn des Aweidimensivnalen, Einzel-
flachigen in der Spannkraft zu viel nachgibt. Jn der
Art, wie Gesimse durchgehen, verbinden und ausscheiden,
erkennen wir eben auch ein StückMeistertum, das beim
Ganzen nicht fehlen dars. Bonatz ist hier auch iiu Stutl-
garter Bahnhof etwas leichtfertig vorgegangcn; ein
Sockel scheidet bei ihm überhaupt aus, die Attikagesinise
setzen oft etwas tötend ab, so daß sich immerhin Einzel-
betrachtungen ergeben, die in der Freude über das Ge-
samtformale stören. Bei einer
Fabrik werden wir in dieser
Hinsicht weniger gewissenhast
scin, aber Pölzig hat bei scinem
hier gewahlten Bcispiel es auch
vernueden, uns den Eindruck
des Gesamtverbundenen zu
geben. Trotzdem geben sich die
Formenmassenschön geschlossen,
wozu, wie beim Stuttgarter
Bahnhof, natürlich auch die ein-
heitliche Wahl des Baustoffes
beitragt. Hier Muschelkalk, dort
Backstein; es ist ctwas Großes
um solches Bauformen aus
eineni Stoff heraus. Ebenso
groß geschaltet wirkt die
Eisenbrücke mit den wuchtigcn
Brückentürmen. Es hat lange
gedauert, bis das Eisen so form-
geschlossen in die Baukunst ein-
geführt wurde, wie es hier ge-
schehen ist. Mit scinem stab-
artigen Wirken ist es eigentlich
das selbständige Flächige und
nur in der umrissenen Gesanit-
forni körperhaft wirkend. Dem
hilft aber Billing durch eine
geschlossene Umrißlinie in
schönster Weise nach, so daß
alles Ästelnde fest verbunden
erscheint.
Die Botschaftshausseite und
die WarenhauSschauseite gehö-
ren eigentlich wieder zum
Dcittsches Botschaftsgebäude in Petersburg.
(Peter Behrens.)
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