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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft7/8
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Häuselmann, Johann Friedrich: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0186

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Das Reformationsdenkmal in Stuttgart.

wände architektonisch wertvoller waren. Die Kirche
selbst ist ein schlichter Gotikbau, der Turm hat eine Re-
naissancehaube. Diese Wand wäre somit immer noch
annehmbar, doch stören die Wohngebäude in erster Linie
dadurch die Platzeinheit, daß ihre obere Abschlußlinie
die bekannte Aahnlücke zeigt. Es wird daher sehr wohl-
tätig empfunden, daß der Platz mit zwei Baumreihen
angepflanzt ist. Das Hochräumliche des Platzes wird
dadurch natürlich herabgedrückt.

Aus diesen archi-
tektonischen Verhält-
nissen heraus erga-
ben sich die Grund-
lagen sür die Form
des Denkmals. Auf
verschiedene Weise
waren die Künstler
vorgegangen. Die
einen versuchten die
Kirchenwand inr
architektonischen
Rhythmus plastisch
zu beleben, und da-
zu gehörte Brüll-
mann, die andern
rückten von derWand
ab und schufen neue,
selbständige Gebilde
durch Kapellen,Säu-
len usw. Jn dieser
Hinsicht hatten z. B.
die Gebrüder Walz,

Mannheim, einesehr
hübsche gotische Fia-
lensaule aufgestellt,
die leider im Detail
nachher die auf sie
gesetzten Erwartun-
gen nicht hielt. Hipp
und Morell, Stutt-
gart, stellten eine
runde Kapelle auf,
deren Wände aber
nur durch Säulen
angedeutet waren,
also mehr ein Sau-
lenhäuschen, dessen
Mittelachse dann
vom eigentlichen
Denkmal verkörpert
wurde. Erst Lang,

München, rückte mit einem großen Kreuz und den
Figuren unter den Kreuzarmen mehr flächenhaft an
die Kirchenwand. Brüllmann war in der Jdee sicher
der reichste; er versuchte das Flächenhafte, das der
Kirchenwand so wohl ansteht, mit dem aus dem Naum-
gefühl des Platzes sich ergebenden Körperhaften eines
Denkmals zu verbinden, und das ist ihm anerkannter-
maßen gut gelungen.

Das heute ausgeführte Denkmal fußt immer noch
auf dem ersten Entwurf, und es ist eine Freude, jetzt sest-

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stellen zu können, wie gut Brüllmann sich von Anbeginn
in die gegebenen Verhaltnisse einfühlte. Wie es heute aus-
geführt ist, bildet das Denkmal gewissermaßen einen
figural-kompositionellen plastischen Ausklang des archi-
tektonischen Systems in der Kirchenwand. So nehmen
die verharrend sitzenden Figuren des Luther und Brenz
den statischen Sinn des Strebepfeilers auf und leiten
ihn noch weiter ausbiegend zum Boden ab. Die Mittel-
gruppe geht sehr schön in dem System einer frei endigen-

den gotischen Kir-
chenwand auf; unten
das Sockelartige,
oben das leicht hori-
zontal Abgeschlosse-
ne, in der Mitte das
Aufstrebende des
Kirchenfensters.Dies
alles ist sinnfällig im
Postament, Sarko-
phag,inder Christus-
figur und in der
Fahne neuartig aus-
gedrückt. Den räum-
lichenAusammenhalt
bildet sodann dienie-
dere Steinbrüstung,
auch die Figuren
wirken dann raum-
schließend, so daß ein
nach vorn geöffneter
Raum entsteht, der
die Hauptgruppe
vom Kirchenplatz
leicht trennt und so
fast chorähnlichen
Charakter annimmt.
Das Aweidimensio-
nale und das Drei-
dimensionale sind so-
mit so gestaltet, daß
letzteres, mehr ange-
deutet, einen leichten
Beiklang zum Iwei-
dimensionalen der
Hauptgruppe bildet.
Das ist denn die
Hauptstärkedieses
Kunstwerkes, daß es
im Hauptstück so
mächtig flachenhaft
ist und daß das
raumhaftKörperhafte doch so bindendaufzutretenvermag.
So gesehen, wäre also das Stuttgarter Reformations-
denkmal in erster Linie eine architektonische Aufgabe ge-
wesen. Nicht minder war es aber auch eine plastisch-
intuitive Aufgabe. Und auch hier vermag uns Brüll-
mann in hohem Maße zufriedenzustellen. Er ist ohnehin
ein geübterFigural-Plastiker und was er imReformations-
denkmal an geistigem Gehalt zusammenzufassen ver-
mochte, das erscheint uns dem Sinne der Reformation
sehr gut zu entsprechen. Da sitzen Luther und Brenz

Jakob Brüllmann. Das Roformationsdenkmal in Stuttgart: Brenzfigur.
 
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