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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft7/8
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Greiner, Leo: Zwei Tiergeschichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0218

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Zwei Tiergeschrchten.

abgebracht werden, sie wollten vor das Tor ziehen und
zu ihren Freunden stehen, um mit ihnen zu erdulden,
was jenen zu leiden bestimmt sei. Awar begann der Esel
nun wieder zu schreien, aber kein Mensch floh mehr davor.
Sie gingen auf ihn zu, fingen den Narren an seinen
langen Ohren und zogen ihn weiter. Dazu sprangen
ihrer vier rasch auf seinen Rücken und ritten ihn in die
Stadt hinein. Dann berieten sich die Bürger unterein-
ander, dies Tier habe ihnen Gott gesandt, es solle ihnen
allen früh und spat die Säcke nach der Mühle tragen,
dazu sei es auf das beste geschaffen. Und so geschah es.
Der Esel trug die Säcke der ganzen Stadt, scit er die
Menschen mit seiner Stimme hatte erschrecken wollen.
War er vordem das Packtier von Einem gewesen, so war
er jetzt ein Esel für Jedermann. Wie es dergleichen auch
heute noch gibt.

2.

Kater Freier.

Awar hat es schon manche gegeben, deren Herz durch
die wunderlichste Hoffart wie besessen war, keiner aber
erreichte darin einen Kater, einer einfachen Katze Kind,
der noch hoffärtiger war als alle, die seit Beginn der
Welt durch ihre Überhebung bekannt geworden. Da
ging er eines Tages hin, wo er eine Füchsin fand, und
sprach zu ihr wie einer, der es wissen muß: „Nun rate
niir, Frau, was ich tun soll! Mir ist wohl bekannt, daß
du weise bist und dich auf mancherlei feine List verstehst.
Deshalb suche ich auch deinen Nat und will dir ansagen,
wie es um mich beschaffen ist. Jch habe allein mehr
Tugend im Leibe, wie alle übrigen Geschöpfe zusammen-
genommen, du wirst wohl schon davon gehört haben.
Jch würde nie aufhören können, wollte ich dich wissen
lassen, wie viele hohe Vorzüge ich besitze, ich bin weitaus
das Edelste, was es auf Erden geben mag. So gern ich
nun ein Weib nähme, die mir ebenbürtig wäre, wo auf
der Welt möchte ich eine solche finden, so viel ich auch schon
gesucht habe? Aber ich bin entschlossen, nicht davon ab-
zulassen. Du hast einen scharfcn Verstand: was nun das
Edelste sei, das du irgend zu erkennen vermagst, das
nenne mir, und ich will seine Tochter zur Frau nehmen,
eh ich ganz und gar unbeweibt bleibe." Da entgegnete
listig die Füchsin: „Was Edles ich immer gesehen habe,
allem geht die Sonne vor. Sie schwebt so herrlich empor
und ift so licht und glühend, daß ich nichts ihresgleichen
sonst zu nennen vermag." „Dann muß ich die Tochter
der Sonne haben," sprach der Kater, „die Sonne ist
hoch und von lieblichcr Gestalt und hat so majestätischen
Schein, sie mag wohl wirklich recht edel sein. Aber nun
sage mir mehr von ihr: Gibt es nicht ein Ding, das noch
stärker ist als sie? Das möchte ich gerne wissen." „Wahr-

haftig, ja!" erwiderte die Füchsin, „der Nebel ist noch
stärker als sie. Der ist so großer Kräfte voll, daß die Sonne
gar nicht fcheinen kann, wenn es dem Nebel nicht ge-
fällt." „Wenn dies sich so verhält," sagte der Kater, „so
will ich keine nehmen, als die Tochter des Nebels. Wenn
dieser so große Kraft hat, daß er der Sonne widersteht,
so gefällt seine Tochter mir besser. Nun aber sage, gibt
es nicht etwas, das auch den Nebel besiegt und wovor er
gedemütigt entweichen muß?" „O ja," sprach die Füchsin
fogleich, „du kennst doch den Wind? Der ist auch des
Nebels Meister. Wäre des Nebels ein Land voll, wenn
der Wind sich rührt, so verjagt und zerteilt er den Nebel
so schnell, daß niemand weiß, wo er hingekommen ist."
„Das ist gut so," antwortete der Kater, „so will ich meinen
Sinn der Tochter des Windes zuwenden. Wie oder wo
führe ich besser? Da ihm die Ehre vergönnt ist, so ge-
waltig einherzufahren, so steht mir seine Tochter immer
noch besser an, als daß ich irgend etwas noch Törichteres
begehe. Jst aber in der Natur nicht noch irgendein Ding,
das des Windes Gewalt durch die scinige bricht? Das sage
mir bei der Liebe, die du für mich als deinen Freund
empfindest!" „Ja," sagte die Füchsin, „ich weiß hier nahe
bei uns ein großes, altes, ödes Steinhaus, da hat der
Wind schon manchen Saus und Stoß daran getan, und
muß es doch stehen lassen, was er auch schon dran getobt
und gestürmt hat. Denn es hat die Kraft, stehen zu
bleiben." Da erwiderte der Kater: „Bei meinem Leben,
so will ich kein andres Weib haben, als des Steinhauses
Tochter! Wo der kräftige Wind Tag und Nacht stürmt
und dennoch nicht zu siegen vermag, des Hauses Kind
will ich nehmen, keine andre ziemt mir so wohl. Es wäre
denn, daß es etwas gäbe, wovon auch das Haus mit der
Aeit fchadhast würde. Jst etwas dergleichen auf der Erde?
darüber sprich mir noch!" „Jch kenne das Ding aller-
dings," entgegnete die Füchsin, „das selbst das Haus be-
siegt, so daß es am Ende zu Falle kommen wird. über
der Erde und darunter gibt es Wunders viele Mäuse,
die haben so viele Löcher durch und durch gebohrt, daß
niemand das Erdreich davor bewahren kann, in sich zu-
sammenzustürzen. Nicht lange wird es dauern, so wird
man das Haus von den Mäusen sinken sehen." „Da bin
ich froh," rief der Kater, „niemand soll mein Weib werden
als die Tochter der Mäuse. Jst aber auch diesen etwa ein
Meister gegeben? Sprich!" „Ja," sagte die Füchsin,
„kennst du denn die Katze nicht? die braucht nur zu er-
scheinen, so fliehen die Mäufe in großer Bedrängnis,
und welche die Katze fängt, ist sogleich mausetot."

Der Kater stand einige Aeit in Erstaunen da und er-
widerte nichts. Dann aber besann er sich, erklärte rund-
weg, eine Katze zu heiraten, und schlich befriedigt nach
Hause.

ltdeutsche Novellen*.

Cs gibt Dinge, die, einmal ungeschickt angefangcn, sich
nicht mchr zum Besseren wenden wollcn, obwohl sie es an sick reich-
lich verdienten. Iu diesen mußichdie MtdeutschenNovellen rcchnen,
die Leo Greiner seinerzeit aus den mitteldeutschen Versen klug
und gewissenhaft in die Erzählersprache unserer Ieit übersehte.

* Siche „Iwei Tiergeschichten" auf Seite 205 dieses Heftes.

Die Red.

Alles an seiner Absicht schien vortrefflich zu geraten, bis der Verlag
Erich Reiß, Berlin, die siebenundvierzig Stücke in zwei Bänden
auf den Markt brachte: so hübsch nämlich die beidenHalbpergament-
BLnde waren, der dafür geforderte Preis von 10 Mk. war nicht nur
an sich ein zu hoher, um dem schLnen Werk die verdiente Verbrei-
tung zu geben, sondern cr sntsprach auch nicht dem Jnhalt, der zu
offensichtlich auf zwei BLnde gestreckt war. Der allzu engbrüstige
Sahspiegel (26 Ieilen zu je 10 Silben) war weder schön noch paßte
er sich den Sätzen an, die gewissermaßen zu Häcksel geschnitten ihre
aussadende Breite nicht augenMig machen konnten.

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