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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 10/11
DOI Artikel:
Häuselmann, Johann Friedrich: Kunstwissenschaftliche Betrachtungen über bäuerliche Bauformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0258

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Armstwissenschastllche Betrachtungen über bäuerlich« Baufvrwen.

Abb. 6.

wandt. Jn Abb. 4 und 5 aber kommt das Frankische
heraus, doch auch übertönt von anderem Formengehalt.
So in Oberheidersdorf, wie schon erwähnt, das Slawische,
im Haus in Sechselbach dagegen
ist vielleicht wieder das aleman-
nisch Weichere mit dem fränkisch
Hartenverschmelzt, wodurchjener
echt deutsch eigentümliche Ge-
mütlichkeitszauber entstanden ist,
der das Fränkische bei uns auf-
muntert. Erst gegen den Reichs-
westen wird es wieder schwerer,
metallischer. Man beachte es ini
Rathaus in Seckbach, wo der
bleierne Glanz des Schiefers
schon seine Wirkung tut, ferner
beim Vogesenhaus, wo ähnlich
wie im Riesengebirge ein sonorer
Landschaftsrhythmus in kargen
Körperformen gebunden wird.

Und wieder wie das Fränkisch-
Geradlinige sich bis ins Allgäuer-
haus in Abb. 13 geflüchtet hat,
wo das letztere doch nur ein Vor-
bote des oberbayrischen, ganz
romanisierten Bauernhauses ist.

Dann haben wir im Bauerngehöft in Kleefeldt in Erm-
land in Abb. 11, im Haus in Sindstedt bei Geeste-
münde in Abb. 16 mehr slawischen Hauch. Jn Klee-
feldt ist es zweifelloö rein slawische Art, in Geestemünde
ist es wohl niedersächsische Form,
aber über dem Ganzen liegt
doch der Hauch des Leicht-
gelösten, wie er nur aus dem
Slawischen kommt. Jn den
Abb. 17, 18, 19 aber läßt sich
das nackte Wesen an primitivsten
Beispiclen verfolgen. Das Haus
in Frankenheim an der Rhön
wird als altalemannische Urform
angesehen, während das Haus in
Kläham in Niederbayern das
Alpenhaus in einfachster Art und
gleichzeitig in fast unnahbarem
Reize zeigt. Das Bild auö Mühl-
berg an der Elbe aber ist eine
Gruppe einfachster Häuser mit-
samt der Kirche, und in solchen
Bildern lebt vielleicht doch schon
etwas von dem Weiterzubilden-
den unserer alten Bauernkunst,
und zwar nach Größe und Art.

Es ist sicherlich nicht notwendig,
daß jene hochentwickelte bäuer-
liche Kultur wieder ersteht, wie
sie im 16. und 17. Jahrhundert
in schönster Blüte war. Unserer, dem Einfachen immer
mehr entgegengehenden Ieit entspricht es viel besser,
wenn in der geschichtlichen Kunst nur die einfachsten
Motive aufgesucht werden. Wir errichten damit zum

Haus im Rcnchtal im Schwarzwald.

Abb. 7.

Bewunderung für die hoch entwickelte Bauernkunst noch
vermehrt und sie uns noch unnahbarer macht. Es ist
anzunehmen, daß es das Jnbeziehungsetzen der ver-
schiedenen Beispiele klargemacht
hat, daß bei aller Seßhaftigkeit
des alten Bauerntums ein gegen-
seitiges Beeinflussen der ver-
schiedenen Kulturen doch nicht
ganz ausgeschlossen blieb. Es er-
klärt sich das wohl aus der Rich-
tung der Völkerwanderung selbst.
So wird vielfach das altaleman-
nische Haus, wie es in Abb. 17
in primitivster Form dasteht und
im Schwarzwaldhaus seine höchste
Vollendung erhielt, auf nieder-
germanischen ilrsprung zurück-
geführt. Es hätte somit bei der
Übertragung slawische Gebiete
gestreift und daher mag in der
Folge manche Form weicher
geworden sein. Aber auch im
Niedersächsischen würde es sich
dann auf gleiche Weise erklären,
während das rein Slawische selbst
ziemlich fest abgegrenzt ist. Auck
daü Mitteldeutsch-Fränkische wäre dann so zu verstehen,
daß das Weichere mit dem Auge von Osten gekommen

ist, wobei es gegen Westen immer mehr abnimmt.

Etwas Eingeistiges liegt somit auch über der Geschichte
des deutschen Bauernhauses, denn
es ist ja nichts so vielgeistig, daß
es sich nicht irgendwie auf ein
Eines vereinen ließe. Das wäre
dann zum ersten der Aug von
Osten nach Westen, wie er sich
auch an der städtischen Baukunst
feststellen läßt, dann wieder um-
gekehrt im Ieitalter der Unkunst
der Aug von Westen nach Osten,
wie er sich in dem unvernünftigen
Verpflanzen städtischer Formen
auf das Land auszudrücken be-
liebt. Für die Iukunft aber kann
es sich wohl nicht darum handeln,
einen dieser Aüge neu aufzuneh-
men, sondern es ist über das Vor-
handene hinweg ein gesamtdeut-
sches Neugeistiges zu bilden, das
sich nur an die geschichtlichen
Tatsachen anschließt, wie sie als
Kristall aller völkerbewegenden
Vorgänge sich in herrlicher Pracht
heute noch vor unseren Augen
auftun. — Bevor wir förmlichen
Einzelheiten nachgehen, sei vorab
noch der Ausammenhang der Bauform mit der Land-
schaft eingehender gewürdigt. Da ist das Haus in
Vitte in Pommern; die flache, sonnige, leicht gerinnte
Landschaft in der Nähe deö Meeres und ringsum die

Rathaus m Seckbach bei Frankfurt.

Reicheren in der Geschichte einen Abstand, der unsere vielen Seen. Dazu steht das behäbig gelagerte, aber
 
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