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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 10/11
DOI Artikel:
Häuselmann, Johann Friedrich: Kunstwissenschaftliche Betrachtungen über bäuerliche Bauformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0264

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Kunstwissenschaftliche Bktrachtungen über bäuerlichr Bauformen.

Hauplhauses stehen hier oft
kleinere Häuser, genau in der
Form des großen Hauses,
die für Heu, Geräte usw.
bestimmt sind. Auch im
Schwarzwald gehören zum
Einhaus kleine Nebenhäuser,
besonders zum Waschen, weil
hier der Keller meist den
Stall aufzunehmen hat. Reich
und geschlossen ist natürlich
der fränkische Hof mit seiner
schönen Hufeisenanlage, dem
überragenden Wohnhaus,
dem Stall gegenüber und
der Scheune in der Tiefe.

Das Gehöft in Ermland
zeigt eine Winkelstellung des
Haupt- und Nebenhauses, das einen offenen Hof am
Wasser ergibt. Sonst aher sehen wir nur Einhäuser in
meist unmittelbarer landschaftlicher Beziehung oder auö
dem Ausammenhang in der
Straße herausgegriffen.

Es ist nicht Aufgabe die-
ser Abhandlung, über ein-
zelne Hausformen hinauszu-
gehen, aber sie wäre doch
nicht erschöpft, wollte man
nicht einige Beachtung auch
den Bauformen der Sonder-
bauten auf dem Lande wid-
men. Voran ist es ja die
Kirche, die einen gewissen
Gesamtgehalt eines Dorfes
auszuströmen hat. Dennoch
sind natürlich ihre Ausmaße
nie groß, und von einem
Großbau kann daher nie die
Rede sein. Die Kirchen fügen
sich sehr schlicht dem Dorf-
bild ein, sie zeigen meist ein Langhaus mit Turm oder
auch nur Dachreiter, es sind schlichte Putzbauten mit
Iiegeldächern, auch finden sich im Schlesischen noch
Holzkirchen, die deutlich den altgermanischen Herd dieser
Gegend verraten. Die hier
gewählten Abbildungen sind
rein zufälliger Art. Meist
dienten sie auch schon zu
anderen Betrachtungen, ins-
besondere über das Bauen
ins Landschaftliche. Als Son-
derformen sind sie höchstens
im Turm von Eigenart und
jedenfalls zeugen sie von
schlichtem Einordnen in das
Dorfbild.

An Dorfkirchen wäre auch
schon gutes Neues zu zeigen,
in der Form weicht es aber
doch nicht vom Alten ab.

Hier hat sich das bauliche

Weiterbilden im heimatschütz-
lerischen Sinne schon gut be-
währt. Auch die Pfarrhäuser,
Rathäuser, Schulhäuser, Ge-
meindehäuser, Wirtshäuser
usw., als etwa die sonst
wichtigsten Sonderbauten,
zeigen nichts eigentlich Be-
sonderes. Das Haus ist meist
nur etwas größer, die Grund-
form aber ist die des Bauern-
hauses der Gegend, so das
Rathaus in Seckbach, ein
zweigeschossiges Haus mit
zweigeschossigem,Dach, wo-
durch die Hausform aus der
Umgebung herausragt. Auf
dem Dachfirst sitzt dann noch
ein Dachreiter und bezüglich der Baustoffe ist zu sagen,
daß hier als Giebelverkleidung noch der Schiefer auftritt.
Ein Erker zeigt die höhere Bedeutung des Hauses an,

mitunter ist es eine überdeckte
Treppe oder ein Türvorbau,
der die Hauptseite eines sol-
chen Hauses belebt. Schul-
häuser, Wirtshäuser usw.
sind in dieser Hinsicht nicht
anders gehalten. Es ist nicht
das große vergesellschaftende
Formen von Bauzwecken, das
hier vor sich geht, sondern
die Ausmaße sind geringer,
oft so klein, daß sie über
einen gehobenen Privatzweck
kaum hinausgehen. Das macht
diese Häuser eigentlich nicht
zu Sonderbauten im städti-
schen Sinne, sondern sie er-
scheinen uns mehr als Au-
bauten zum gemeinsamen
Leben eines Dorfes, sie schmiegen sich also, leicht in der
Masse gesteigert, dem Dorfganzen an und treten damit
nur an die Seite desselben. Auch die Bauten, die sonst
nicht zu Wohnzwecken dienen, unterscheiden sich im

Wesen nicht von dieser Art.
Wir haben schon gesehen,
wie schön die Holzbrücke und
die Mühle (Abb. 20, 21) in
die Land,chaft gesetzt sind.
Die Mühle ist, streng ge-
nommen, ein ländlicher Jn-
dustriebau, die Brücke ift ein
Technikerwerk und doch diese
formvollendete Lösung! Da
geht eben vom Kunsthand-
werklichen der Bauernhäuser
ein Faden zum Kunstgerechten
solcher Nutzbauten, und in
der Uberdachung einer Holz-
brücke sowie in der Anlage
eines Mühlenrades usw. ver-

Abb. 18. Haus in Kläham in Mederbayern.

Abd. 1S.

Kirche in Staupitz bei Mühlberg an der Elbe.

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